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Leo Trotzki 19181230 Über die gewesenen Offiziere

Leo Trotzki: Über die gewesenen Offiziere

Eine notwendige Erwiderung.

[nach Leo Trotzki: Die Geburt der Roten Armee. Wien 1924, S. 68 f.]

Die Anwürfe gegen die Militärfachleute aus den früheren Stammoffizieren, die jetzt in der Roten Armee tätig sind, Anwürfe, die mitunter ungerecht und in Bausch und Bogen gemacht werden, erzeugen in einem gewissen Teil des Kommandopersonals eine Stimmung der Ungewissheit und Ratlosigkeit. Andererseits fürchten die gewesenen Offiziere, die im Hinterland in Zivilämtern sitzen, in die Rote Armee einzutreten in Anbetracht des Argwohns, den man ihnen entgegenbringt und den die unausgeglichenen Elemente in den Sowjetreihen künstlich wachhalten. Es ist klar, wie schädlich solche Erscheinungen den Interessen der aktiven Armee sein müssen.

Ich halte es deshalb für notwendig zu erklären: eine Feindseligkeit in Bausch und Bogen den gewesenen Stammoffizieren gegenüber ist sowohl der Sowjetregierung als auch den besten Truppen, die an der Front sind, fremd. Jeder Offizier, der das Land gegen die Vergewaltigung des ausländischen Imperialismus und seiner Krasnowschen und Dutowschen Agenten verteidigen will, ist ein willkommener Mitarbeiter. Jeder Offizier, der an dem inneren Aufbau der Armee mitwirken kann und will und somit ihre Ziele fördert bei einem Minimum von Vergeudung an Arbeiter- und Bauernblut, der ist ein willkommener Mitarbeiter der Sowjetregierung, der hat Recht auf Achtung und der wird diese Achtung in den Reihen der Roten Armee finden.

Die Sowjetregierung rechnet scharf mit den Rebellen ab und wird auch ferner die Verräter züchtigen, aber in ihrer Politik lässt sie sich von den Interessen des werktätigen Volkes und der revolutionären Zweckmäßigkeit und nicht von blindem Rachegefühl leiten.

Es ist der Sowjetregierung vollkommen klar, dass die vielen Tausende und Abertausende Offiziere, die die Schule des alten Regimes durchgemacht haben, die eine bestimmte bürgerlich-monarchistische Erziehung genossen haben, sich nicht mit einem Schlag mit dem neuen Regime abfinden, es verstehen und schätzen lernen konnten. Aber in den 13 Monaten der Sowjetherrschaft ist es vielen und sehr vielen der früheren Offiziere klar geworden, dass das Sowjetregime nicht eine Zufälligkeit ist, sondern ein gesetzmäßig entstandenes Regime, das sich auf den Willen der werktätigen Millionen stützt. Vielen, sehr vielen der gewesenen Offiziere ist es klar geworden, dass kein anderes Regime jetzt imstande ist, die Freiheit und die Unabhängigkeit des russischen Volkes gegen die fremdländische Gewalt zu sichern.

Denjenigen Offizieren, die, von diesem neuen Bewusstsein geleitet, sich ehrlich unseren Reihen anschließen, wird die absolute Vergebung für jene Verbrechen gegen das Volk zuteil werden, an denen sie von ihrer Vergangenheit und ihrer revolutionär-politischen Rückständigkeit getrieben, teilnahmen.

In der Ukraine, unter den Truppen Krasnows, in Sibirien, unter den Truppen der englisch-französischen Imperialisten im Norden gibt es gar manche gewesene russische Offiziere, die jetzt bereit wären, reumütig in den Schoß der Sowjetrepublik zurückzukehren, wenn sie sich nicht vor der erbarmungslosen Strafe für ihre vergangenen Taten fürchten würden. Ihnen gegenüber, gegenüber diesen reumütigen Abtrünnigen bleibt das in Kraft, was oben über die Politik der Arbeiter- und Bauernregierung gesagt wurde: sie lässt sich in ihren Handlungen von revolutionärer Zweckmäßigkeit und nicht von blinder Rache leiten und wird die Türen öffnen jedem ehrlichen Bürger, der an der gemeinsamen Sowjetarbeit teilnehmen will.

Koslow, 30. Dezember 1918.

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