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Leo Trotzki 19181100 Über die Militärkommissare

Leo Trotzki: Über die Militärkommissare

[Herbst 1918]

[nach Leo Trotzki: Die Geburt der Roten Armee. Wien 1924, S. 62 f.]

Der Posten des Militärkommissars, insbesondere des Regimentskommissars, gehört zu den schwierigsten und verantwortungsvollsten Posten, die die Sowjetrepublik kennt. Bei weitem nicht jeder Genosse, auch wenn er politisch entwickelt ist, vermag den Pflichten eines Kriegskommissars zu genügen. Dazu braucht man vor allem einen festen Charakter, einen gleichmäßigen, wachsamen und nicht stürmischen Mut. Der Kommissar, der sprunghaft handelt, der in das Regiment kommt mit der bestimmten Absicht, die Leute „anzuspannen", zu ändern, zu bessern, ohne noch zu wissen, wie, wen und was zu bessern sei ein solcher Kommissar wird unvermeidlich auf Widerstand, Hindernisse und Abwehr stoßen, er läuft Gefahr, sich in einen Nörgler zu verwandeln. Dies ist ein ziemlich verbreiteter Typus, wenn er zum Glück auch nur eine geringe Minderheit unseres Kommissarkorps bildet.

Der Nörgler als Kommissar ist stets mit allem unzufrieden: mit den älteren Kommissaren, mit dem Kommandopersonal, mit dem revolutionären Kriegsrat der Armee, mit den Statuten, kurz und gut, mit allem und allen. In Wirklichkeit hat diese lärmende Unzufriedenheit ihre Wurzeln im Kommissar selbst: er ist einfach nicht imstande, seinen Pflichten zu genügen, und wird bald zum gewesenen Kommissar.

Das Schwerwiegende der Frage liegt gar nicht dort, wo es schlechte Kommissare suchen; es handelt sich gar nicht darum, dem Kommissar irgendwelche unbeschränkten, allumfassenden Rechte zu verleihen. Über Rechte verfügt der Kommissar zur Genüge. Die Aufgabe besteht darin, dass man in Wirklichkeit, in der Praxis lernt, diese Rechte auszunutzen, ohne die Arbeit der andern zu stören, indem man diese ergänzt und lenkt

Es gab nie und es gibt nicht Befehle, die dem Kommissar sagen würden: „Du hast kein Recht, Dich in irgendwelche Anordnungen des Kommandopersonals einzumischen."

Das Gebiet, wo der Kommissar am wenigsten „Rechte" hat, ist das operative Kommandogebiet. Jeder vernünftige Mensch begreift, dass es nicht gleichzeitig zwei Befehlshaber geben kann, am allerwenigsten im Kampfe. Aber niemand hat dem Kommissar jemals verboten, seine Meinung über die operative Aufgabe zu äußern. Ratschläge zu erteilen, die Erfüllung der Operationen zu kontrollieren u. a, m. Im Gegenteil. All das gehört zum Arbeitsbereich des Kommissars und wenn er seine Sache versteht, so übt er stets einen großen Einfluss aus, selbst in Sachen des Kommandos.

Auf organisatorisch-administrativem und wirtschaftlichem Gebiet, wo die wichtigsten Fragen entschieden werden, nicht im Kampfe, sondern in der Vorbereitungsperiode, im Hinterlande, dort müssen die Kommissare und die Kommandeure solidarisch miteinander arbeiten und genießen, allgemein gesprochen, die gleichen Rechte. Wenn sie tagein tagaus in den wesentlichen Fragen auseinandergehen, so heißt das, dass einer von ihnen die Grundaufgaben des militärischen Aufbaues nicht versteht. In diesem Fall muss entweder der Kommandeur oder der Kommissar abgesetzt werden, je nachdem, wer den unrichtigen Weg in der Arbeit einschlägt. Wenn aber die Meinungsverschiedenheiten eine nebensächliche praktische Frage betreffen, so soll man die Frage dem Kommando unterbreiten. Diese Praxis hat schon längst in unseren Truppenteilen Platz gegriffen und wurde von den entsprechenden Befehlen und Erläuterungen gutgeheißen.

In der politischen Erziehungsarbeit liegt der Dirigentenstab in den Händen des Kommissars, wie er sich in operativen Kommandofragen stets in den Händen des Kommandeurs befindet. Aber das heißt keineswegs, dass der Kommandeur nicht das Recht hätte, sich in die politische Arbeit „einzumischen", wenn er Interesse für sie hat (und ein guter Kommandeur muss sich für sie interessieren), da der Stand der politischen Arbeit die Schlagkraft des Truppenteils außerordentlich beeinflusst.

Je mehr der Kommissar in die militärische Arbeit und der Kommandeur in die politische Arbeit eindringt, desto mehr kommen wir jener Einheitlichkeit nahe, in der die Person, die an der Spitze des Truppenteils steht, sowohl den Kommandeur, als auch den Kommissar, d. h. den militärischen und den politischen Erzieher in sich vereinigt.

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