Austritt aus dem Vorparlament. Die Stimme der Front

Austritt aus dem Vorparlament. Die Stimme der Front.

Bevor wir aus dem Vorparlament austraten, in dem wir laut der politischen Statistik Kerenskis und Zeretellis gegen 50 Sitze beanspruchen durften, hielten wir mit der Gruppe der linken Sozialisten-Revolutionäre eine beratende Versammlung ab. Sie lehnten es ab, uns zu folgen, unter dem Vorwande, sie müssten erst in der Praxis vor der Bauernschaft die ganze Unzulänglichkeit des Vorparlaments enthüllen. „Wir halten es für notwendig, Euch zu warnen", sagte einer der leitenden linken Sozialisten-Revolutionäre, „wenn Ihr aus dem Vorparlament austreten wollt, um sofort auf die Straße in den offenen Kampf zu ziehen, so gehen wir mit Euch nicht". Die bürgerliche versöhnende Presse beschuldigte uns, dass wir gerade deshalb das Vorparlament stürzen wollten, weil wir eine revolutionäre Situation zu schaffen suchten. In der Versammlung unserer Fraktion im Vorparlament wurde beschlossen, auf die linken S.-R. nicht zu warten, sondern selbständig vorzugehen. Die von der Tribüne des Vorparlaments verkündete Erklärung unserer Partei, die auseinander setzte, warum wir mit dieser Institution brächen, wurde von Seiten der Majoritätsgruppierungen mit einem Gebrüll ohnmächtigen Hasses aufgenommen. Im Petrograder Deputierten-Kongress, auf dem unser Austritt aus dem Vorparlament von überwiegender Mehrheit gebilligt wurde, erklärte uns der Leader der kleinen Gruppe der Menschewiki-„Internationalisten" Martow, dass unser Austritt aus dem provisorischen „Sowjet der Republik" (das war die offizielle Benennung dieser wenig geehrten Institution) nur dann einen Sinn haben würde, wenn wir die Absicht hätten, unmittelbar zum offenen Angriff überzugehen. Die Sache war aber die, dass wir gerade das auch beabsichtigten. Die Anwälte der liberalen Bourgeoisie hatten recht, als sie uns beschuldigten, wir suchten eine revolutionäre Situation zu schaffen. In offenem Aufstand und der direkten Machtergreifung sahen wir den einzigen Ausweg aus der Lage.

Wieder wurden, wie in den Julitagen, die Presse und die andern Organe der sogen, öffentlichen Meinung gegen uns mobilisiert. Aus den Juli-Arsenalen wurden die vergiftetsten Waffen hervorgeholt, die nach den Kornilow-Tagen einstweilen dort aufgehoben worden waren. Vergebliche Mühe! Die Volksmassen strömten uns unaufhaltsam zu, ihre Stimmung wuchs von Stunde zu Stunde. Aus den Schützengräben kamen immerzu Delegierte. „Wie lange noch", sprachen sie in den Sitzungen des Petrograder Sowjet, „wird sich diese unerträgliche Lage hinziehen? Die Soldaten lassen Euch durch uns sagen: Wenn bis zum 1. November keine entscheidenden Schritte für Friedensverhandlungen unternommen werden, dann werden sich die Schützengräben leeren, und die gesamte Armee wird sich auf das Hinterland stürzen!" Ein solcher Entschluss verbreitete sich in der Tat in weitem Maße an der Front. Unter den Soldaten zirkulierten selbst angefertigte Flugblätter, in denen sie aufgefordert wurden, nicht länger als bis zum ersten Schneefall in den Schützengräben zu bleiben. „Ihr habt uns vergessen", riefen die Deputierten aus den Schützengräben in den Sitzungen des Sowjets. „Wenn Ihr keinen Ausweg aus der Lage findet, so werden wir selbst hierher kommen, und mit den Gewehrkolben unsere Feinde auseinanderjagen, – aber dann auch Euch zusammen mit ihnen." – Im Lauf von einigen Wochen war der Petrograder Sowjet der Anziehungsmittelpunkt für die ganze Armee geworden. Nach dem Umschwung in seiner leitenden Richtung und der Neuwahl des Präsidiums erweckten seine Resolutionen bei den erschöpften und verzweifelten Truppen an der Front die Hoffnung, dass ein Ausweg praktisch allein auf dem von den Bolschewiki vorgeschlagenen Weg zu finden wäre. Das war: Bekanntmachung der Geheimverträge und Angebot eines sofortigen Waffenstillstandes an allen Fronten. „Ihr behauptet, dass die Regierungsgewalt in die Hände der Sowjets übergehen müsse – so ergreift doch diese Gewalt. Ihr befürchtet, dass die Front Euch im Stich lassen werde. Lasst Eure Zweifel – die große Masse der Soldaten ist in erdrückender Majorität auf Eurer Seite."

Unterdessen spitzte sich der Konflikt wegen der Frage nach dem Verbleib der Garnison immer mehr zu. Fast täglich versammelte sich eine Garnisonskonferenz aus den Kompanien-, Regiments- und Kommando-Komitees. Der Einfluss unserer Partei auf die Garnison wurde endgültig und uneingeschränkt befestigt. Der Generalstab des Petrograder Rayons befand sich im Zustand äußerster Fassungslosigkeit. Bald versuchte er, regelrechte Beziehungen mit uns anzuknüpfen, bald drohte er uns – von den Führern der Zentral-Exekutive aufgehetzt – mit Repressalien.

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