Der unvermeidliche Kampf um die Regierungsgewalt

Der unvermeidliche Kampf um die Regierungsgewalt.

Der Petrograder Sowjet schwieg aber nicht. Er forderte die sofortige Übergabe in die Hände der Sowjets der ganzen zentralen wie lokalen Gewalt, die sofortige Übergabe des Grund und Bodens an die Bauern; forderte die Kontrolle der Produktion durch die Arbeiter und den sofortigen Eintritt in Friedensverhandlungen. Solange wir eine Oppositionspartei waren, war unsere Parole: die ganze Gewalt den Sowjets – eine Progaganda-Parole. Sobald wir aber in allen Hauptsowjets die Majorität hatten, legte uns diese Parole die Verpflichtung auf, den direkten und unmittelbaren Kampf um die Macht auszufechten.

Die Situation auf dem Lande war aufs Äußerste verworren und kompliziert. Die Revolution hatte den Bauern Land versprochen, zugleich aber verlangten die leitenden Parteien, dass die Bauern bis zum Zusammentritt der Konstituante dieses Land nicht anrührten. Zuerst wartete der Bauer geduldig; als er aber die Geduld zu verlieren begann, da ergriff das Koalitionsministerium gegen ihn Gewaltmaßregeln Die Konstituierende Versammlung wurde unterdessen immer weiter hinausgeschoben. Die Bourgeoisie bestand darauf, dass die Konstituante erst nach Friedensschluss einberufen würde. Die Bauernmassen verloren immer mehr und mehr die Geduld. Das, was wir ganz am Anfang der Revolution vorausgesagt hatten, begann sich nun zu verwirklichen: die Bauern rissen eigenmächtig das Land an sich. Die Repressalien von Seiten der Regierung wurden verstärkt; eins nach dem andern wurden revolutionäre Landkomitees verhaftet. In einigen Bezirken hatte Kerenski den Kriegszustand proklamiert. Aus den Dörfern strömten Deputationen nach dem Petrograder Sowjet. Sie klagten darüber, dass die Bauern verhaftet würden, wenn sie entsprechend dem Programm des Petrograder Sowjets das Land der Gutsbesitzer in die Hände der Bauernkomitees übergäben. Die Bauern erwarteten unsern Schutz. Wir gaben Ihnen zur Antwort, dass wir sie nur dann beschützen könnten, wenn wir die Regierungsgewalt besäßen. Daraus ergab sich die Folgerung, dass, wenn die Sowjets sich nicht in einfache Redeanstalten verwandeln wollten, sie die Regierungsgewalt an sich reißen müssten.

Es ist sinnlos, anderthalb oder zwei Monate vor dem Zusammentritt der Konstituante um die Macht der Sowjets zu kämpfen! – sagten uns unsere Nachbarn von rechts. Aber wir waren keineswegs von diesem Fetischismus der Konstituante angesteckt. Vor allem hatten wir ja keine Garantien dafür, dass sie in der Tat einberufen werden würde. Der Zerfall der Armee, die Massendesertionen, die Verpflegungskalamitäten, die Agrarrevolten – all das hatte eine Lage geschaffen, die für die Wahlen für die Konstituante wenig günstig war. Eine eventuelle Übergabe Petrograds an die Deutschen drohte überhaupt, die Frage der Wahlen von der Tagesordnung zu entfernen. Und dann – wäre selbst die Konstituierende Versammlung unter Leitung der alten Parteien, nach den alten Listen zusammengetreten, so wäre sie nur ein Deckmantel und ein Heiligungsmittel für die Koalitionsmacht geworden. Weder die Sozialisten-Revolutionäre noch die Menschewiki waren imstande, ohne die Bourgeoisie, die Regierung in ihre Hände zu nehmen. Die revolutionäre Klasse allein war dazu berufen, den Teufelskreis zu zerstören, in dem sich die Revolution bewegte und sich verlor. Es hieß: die Macht denjenigen Elementen entreißen, die direkt oder indirekt der Bourgeoisie dienten und den Staatsapparat als Werkzeug der Obstruktion gegen die revolutionären Forderungen des Volkes gebrauchten.

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