Der Fähnrichsaufstand vom 29. Oktober

Der Fähnrichsaufstand vom 29. Oktober.

Als Stützpunkt für die Organisation der Gegenrevolution dienten die Fähnrichschulen und das „Ingenieur-Schloss", in denen eine ziemlich große Anzahl Waffen und Kriegsvorräte konzentriert waren und von denen die Anschläge gegen die revolutionäre Regierung ausgingen.

Truppen von Roten Gardisten und Matrosen umringten die Fähnrichschulen, schickten Unterhändler dahin und forderten die Ablieferung der Waffen. Als Antwort wurde geschossen. Die Belagernden standen unentschlossen herum; um sie versammelte sich Publikum, und hie und da wurden Passanten von abgeirrten Kugeln aus den Fenstern getroffen. Die Zusammenstöße bekamen einen unbestimmten und verzögernden Charakter, und das drohte den revolutionären Truppen mit Demoralisation. Es mussten die entschiedensten Maßregeln ergriffen werden. Die Aufgabe, die Fähnriche zu entwaffnen, wurde dem Kommandanten der Peter-Pauls-Festung, dem Leutnant B. anvertraut. Er umschloss die Fähnrichschulen, ließ Panzerautos und Artillerie auffahren und stellte an die Fähnriche das Ultimatum: sie möchten sich ergeben, mit einer Bedenkzeit von zehn Minuten. Aus den Fenstern wurde mit neuen Schüssen geantwortet. Nach zehn Minuten befahl B., das Artilleriefeuer zu eröffnen. Gleich die ersten Schüsse schlugen in den Mauern der Schule eine gähnende Öffnung. Die Fähnriche ergaben sich, obwohl Viele sich auch durch Flucht zu retten suchten, und noch im Fliehen schössen. So entstand die Erbitterung, die jeden Bürgerkrieg begleitet. Gewiss, die Matrosen verübten an einzelnen Fähnrichen Grausamkeiten. Die bürgerliche Presse warf nachher den Matrosen und der Sowjetregierung Unmenschlichkeit und tierische Brutalität vor. Sie verschwieg aber, dass der Staatsstreich vom 25.-26. Oktober fast ohne einen Schuss und ohne Opfer verlaufen war, und dass nur das konterrevolutionäre Komplott, das von der Bourgeoisie organisiert wurde, und ihre junge Generation in das Feuer des Bürgerkrieges gegen die Arbeiter, Soldaten und Matrosen stürzte, zu unvermeidlichen Grausamkeiten und Opfern führen musste. Der 29. Oktober erzeugte in der Stimmung der Petrograder Bevölkerung einen jähen Umschwung. Die Ereignisse hatten einen tragischeren Charakter angenommen. Und zugleich hatten unsere Feinde begriffen, dass die Sache viel ernsthafter sei als sie glaubten, und dass der Sowjet gar nicht daran denke, die von ihm eroberte Regierungsgewalt auf Befehl der kapitalistischen Zeitungen und der Fähnriche niederzulegen.

Die Säuberung Petrograds von konterrevolutionären Herden vollzog sich mit großer Intensität. Die Fähnriche wurden fast durchwegs entwaffnet und die Teilnehmer am Komplott verhaftet, in die Peter-Pauls-Festung gebracht, oder nach Kronstadt transportiert. Die Zeitungen, die offen zu einem Aufstand gegen die Sowjetregierung aufriefen, wurden unterdrückt. Gegen einige Führer der früheren Sowjetparteien, deren Namen unter den aufgefangenen konterrevolutionären Verfügungen figurierten, wurden Haftbefehle erlassen. Der militärische Widerstand der Hauptstadt war endgültig gebrochen.

Nun kam ein langwieriger und erschöpfender Kampf gegen die streikenden Beamten, Techniker, Angestellten usw. an die Reihe. Diese Elemente, die nach der Entlohnung ihrer Arbeit zum großen Teil zu den unterdrückten Klassen des Volkes gehören, schließen sich infolge ihrer Existenzbedingungen und ihrer Psychologie an die bürgerliche Gesellschaft an. In Treu und Glauben dienten sie dem Staat, als an der Spitze dieses Staates der Zarismus stand. Sie dienten diesem Staate auch ferner, als die Gewalt in die Hände der imperialistischen Bourgeoisie übergegangen war. Sie, mit ihren Kenntnissen und technischen Fähigkeiten, gingen in der darauf folgenden Periode der Revolution als Erbe zu der Koalitionsregierung über. Als aber die aufständischen Arbeiter, Soldaten und Bauern die ausbeutenden Gesellschaftsklassen vom Staatsruder verdrängten und die Staatslenkung in die eigenen Hände zu nehmen versuchten, da stellten sich die Beamten und die Angestellten auf die Hinterbeine und verweigerten der neuen Regierung jede Unterstützung. Je weiter, um so mehr entfaltete sich diese Sabotage, als deren Organisatoren hauptsächlich die Sozialisten-Revolutionäre und die Menschewiki auftraten, und die mit den Finanzmitteln der Banken und der Entente-Botschafter genährt wurden.

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