Eroberung der schwankenden Kontingente

Eroberung der schwankenden Kontingente.

Die Vorsichtigsten unter uns selbst erzählten sich, es gäbe noch Kontingente, die nicht für uns wären, so die Kosaken, das Kavallerieregiment, das Semenow-Regiment, die Kraftfahrer. Zu diesen Kontingenten wurden Kommissare und Agitatoren abgeordnet. Ihre Berichte klangen durchaus befriedigend: die bis zur Rotglut erhitzte Atmosphäre nahm Alles und Alle gefangen und selbst die konservativsten Elemente der Armee hatten keine Möglichkeit mehr, der allgemeinen Tendenz der Petrograder Garnison zu widerstehen. Ich war auf einem unter freiem Himmel abgehaltenen Meeting des Semenow-Regiments, das als die beste Stütze der Regierung Kerenskis galt. Dort hatten sich die angesehensten Redner des rechten Flügels eingefunden. Sie klammerten sich an das konservative Garderegiment, als den letzten Halt der Koalitionsregierung. Nichts half mehr. Mit einer überwiegenden Majorität sprach sich das Regiment für uns aus und schnitt den ehemaligen Ministern einfach das Wort ab. Diejenigen Gruppen, die noch gegen die Parolen des Sowjets arbeiteten, setzten sich zumeist aus Offizieren, Einjährig-Freiwilligen und aus der bürgerlichen Intelligenz und Halbintelligenz zusammen. Die Arbeiter- und Bauernmassen waren ganz auf unserer Seite. Die Abgrenzung vollzog sich auf einer scharf gezogenen sozialen Linie.

Die zentrale Militärbasis von Petrograd ist die Peter-Pauls-Festung. Wir hatten dort als Kommandanten einen jungen Leutnant eingesetzt. Es erwies sich, dass er am Platze war und in einigen Stunden die Situation beherrschte. Die rechtmäßigen Herren der Festung traten abwartend zur Seite. Als zuverlässige Elemente galten für uns die Kraftfahrsoldaten, die im Juli die im Schloss der Kschessinskaja befindliche Militärorganisation unserer Partei zerstört und dieses Schloss besetzt hatten. Am 23. fuhr ich gegen 2 Uhr mittags nach der Festung. Die Redner des rechten Flügels verhielten sich im höchsten Maße vorsichtig und ausweichend; sie gingen hartnäckig der Frage nach der Person Kerenskis aus dem Wege, während Kerenskis Name auch unter den Soldaten unvermeidlich Rufe des Protestes und der Empörung hervorrief. Uns hörte man an, und man folgte uns. Gegen 4 Uhr versammelten sich die Kraftfahrleute in der Nachbarschaft, im Zirkus „Moderne" zu einer Bataillons-Sitzung. Als Redner trat dort unter anderen der General-Quartiermeister Paradjelow auf. Er sprach mit äußerster Vorsicht. Weit zurück lagen die Tage, da die offiziellen und offiziösen Redner nicht anders von der Arbeiterpartei sprachen, als von einer Bande von Verrätern und Mietlingen des deutschen Kaisers. Der Stellvertreter des Generalstabschefs trat auf mich zu: „Aber ich bitte Sie, man muss sich doch irgendwie einigen…" Aber schon war es zu spät. Nach den Diskussionen entschied sich das Bataillon mit einer Mehrheit gegen 30 Stimmen für die Übergabe der Regierung an die Sowjets.

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