Schwierigkeiten an der Front und im Hinterland

Schwierigkeiten an der Front und im Hinterland

Die innere Lage wurde unterdessen immer komplizierter und schlimmer. Der Krieg zog sich weiter dahin: ziellos, sinnlos und aussichtslos. Die Regierung unternahm keine Schritte, um sich aus dem Teufelskreis zu befreien. Da wurde der lächerliche Plan aufgestellt, den Menschewik Skobelew nach Paris abzusenden, um auf die Imperialisten der Entente einzuwirken. Aber kein Mensch mit gesundem Menschenverstand legte diesem Plan eine ernsthafte Bedeutung bei. Kornilow hatte den Deutschen Riga abgetreten, um das öffentliche Bewusstsein zu terrorisieren und in dieser Atmosphäre die Knutendisziplin in der Armee zu festigen. Petrograd war bedroht. Aber die bürgerlichen Elemente sahen dieser Gefahr mit offensichtlicher Schadenfreude entgegen. Der ehemalige Duma-Präsident Rodsjanko sprach offen davon, dass die Einnahme des korrumpierten Petrograds durch die Deutschen noch kein großes Unglück bedeutete. Er wies auf das Beispiel von Riga hin, wo nach dem Einzug der Deutschen die Sowjet-Einrichtung abgeschafft und mit den alten Polizisten die Ordnung wieder eingeführt worden wäre.

Die Ostsee-Flotte ist verloren; aber diese Flotte ist von revolutionärer Propaganda zersetzt: folglich ist der Verlust der Flotte nicht so sehr schmerzlich. In diesem Zynismus des geschwätzigen Grandseigneurs fanden die verborgenen Gedanken der breitesten Bourgeoisiekreise ihren Ausdruck. Eine Einnahme von Petrograd durch die Deutschen bedeutet ja noch keineswegs seinen Verlust. Nach dem Friedensvertrag würde man Petrograd zurückhaben, aber geläutert durch den deutschen Militarismus. Unterdessen würde die Revolution ihr Haupt verloren haben und man würde mit ihr leichter fertig werden können. Die Regierung Kerenskis dachte gar nicht daran, die Hauptstadt ernsthaft zu verteidigen. Im Gegenteil, man bereitete die öffentliche Meinung auf eine eventuelle Kapitulation vor. Die Regierungsinstitutionen wurden auch schon aus Petrograd nach Moskau und anderen Städten evakuiert.

Bei diesem Sachverhalt trat die Soldatensektion des Petrograder Sowjets zusammen. Die Stimmung war gespannt und unruhig. Die Regierung sei unfähig, Petrograd zu schützen? Dann soll man Frieden schließen! Und wenn sie keinen Frieden zu schließen vermag, so mag sie zum Teufel gehen! In dieser Fragestellung äußerte sich die Stimmung der Soldatensektion. Das war bereits die Morgenröte der Oktober-Revolution.

An der Front wurde die Lage mit jedem Tag schlimmer. Der kalte Herbst mit dem Regen und dem Schmutz rückte näher. Ein vierter Kriegswinter stand bevor. Die Verpflegung verschlimmerte sich mit jedem Tag. Im Hinterland hatte man die Front vergessen – es gab für die Regimenter weder Ablösungen noch Auffüllungen, noch die nötige warme Kleidung. Die Desertionen nahmen immer mehr zu. Die alten Armeekomitees, die noch in der ersten Periode der Revolution gewählt worden waren, verblieben auf ihrem Posten und unterstützten die Politik Kerenskis. Alle Neuwahlen waren verboten. Zwischen den Komitees und den Massen der Soldaten bildete sich ein Abgrund. Schließlich hatten die Soldaten für die Komitees nur noch Hass übrig. Immer häufiger kamen nach Petrograd Abgeordnete aus den Schützengräben und legten in den Sitzungen des Petrograder Sowjets beharrlich immer wieder die Frage vor: Was soll man tun? Durch wen und wie soll dem Krieg ein Ende gemacht werden? Warum hüllt sich der Petrograder Sowjet in Schweigen?

Kommentare