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Leo Trotzki 19201225 Rolle und Aufgaben der Gewerkschaften

Leo Trotzki: Rolle und Aufgaben der Gewerkschaften

(Zum X. Kongress der Kommunistischen Partei Russlands.)

[Nach Russische Korrespondenz, II. Jahrgang, Heft 3/4, März/April 1921, S. 158-170]

I. Die Krise in der Gewerkschaftsorganisation.

1. Unsere Gewerkschaften erleben eine schwere Krise, die darin zum Ausdruck kommt, dass ihre Fühlung mit den Massen schwindet, dass Reibungen und Konflikte mit den Wirtschaftsinstituten und Parteiorganisationen sich häufen; sie können sich über ihre Aufgaben nicht schlüssig werden und kommen nicht vom Fleck. Das alles hat eine solche geistige Verwirrung im Gefolge, dass manche Gewerkschaftler auf einem trade-unionistischen Standpunkt angelangt sind, der von der Partei längst überwunden ist.

2. Es wird allgemein zugegeben, dass eine der Hauptursachen der Krise die Entkräftung und Blutleere der Gewerkschaften ist, hervorgerufen durch die schweren Opfer, die sie während der ganzen Periode des Bürgerkrieges gebracht haben. Außerdem wurden zahlreiche aktive und über Initiative verfügende Elemente aus den Gewerkschaften herausgezogen und auf dem Gebiet der Verpflegung und verschiedenen anderen Gebieten der administrativen Sowjetarbeit verwendet. Diese Schwächung der führenden Kreise musste ihre Spuren in der Arbeit der Gewerkschaften, in der Fühlungnahme der leitenden Organe mit den Massen usw. hinterlassen.

3. In der gleichen Richtung, aber in noch höherem Maße wirkte der Umstand, dass die ganze Aufmerksamkeit und alle Anstrengungen der Partei auf die militärischen Fronten konzentriert wurden. Wirtschaftliche Aufgaben und gleichzeitig mit ihnen auch Gewerkschaftsfragen traten in den Hintergrund.

Der Bürgerkrieg stellte an die Kräfte der Arbeiterklasse übermenschliche Anforderungen – so war eine Schwächung des inneren Lebens und der Selbsttätigkeit der Arbeiterorganisationen und unter ihnen auch der Gewerkschaften unvermeidlich. Die Methoden der Arbeiterdemokratie (breite Erörterungen, Kritik, geistiger Kampf, Wählbarkeit u. a. m.) mussten außerordentlich begrenzt und eingeengt werden.

4. Die oben aufgezeigten Ursachen, die bei allen Organisationen der Arbeitermasse – sowohl bei den Partei-, Sowjet- als auch den Gewerkschaftsorganisationen, – in Erscheinung getreten sind, erschöpfen indessen durchaus nicht die besonderen, spezifischen Charaktereigentümlichkeiten der Gewerkschaftskrise. Diese Tatsache tritt im gegenwärtigen Moment besonders stark hervor.

Während jetzt der Übergang zu den Methoden der Selbsttätigkeit, Wählbarkeit usw. notwendig und von der ganzen Partei als selbstverständlich angesehen wird, – treffen wir auf dem Gebiet der Gewerkschaftsbewegung verschiedene Tendenzen in der Frage der Rolle und Bedeutung der Gewerkschaften und ihrer Arbeitsmethoden an. Dem bevorstehenden Parteitag bleibt nur übrig, die Tatsache festzustellen, dass die Methoden der Arbeiterdemokratie auf allen Gebieten unserer Arbeit in immer größerem Umfange zur Anwendung kommen und immer tiefere Wurzeln schlagen. Der gleiche Parteitag aber wird auch zwischen zwei Tendenzen auf dem Gebiete der Gewerkschaftsbewegung zu wählen haben.

5. Die Hauptursachen der Krise der Gewerkschaftsbewegung ist das Missverhältnis zwischen den Aufgaben, die objektiv im gegenwärtigen Stadium der Entwicklung unseren Gewerkschaften zufallen, und den gebräuchlichen Gedanken, Methoden und Verfahren der Arbeit, die als Erbe der Vergangenheit in den Gewerkschaften vorherrschen. Das Missverhältnis zwischen den Gewerkschaften, wie sie jetzt sind, und den Gewerkschaften wie sie sein sollen, ist zum größten Widerspruch innerhalb des Arbeiterstaates geworden. Ehe wir diesen Widerspruch nicht beseitigen, werden wir keinen ernsten Schritt auf dem Gebiete der Wirtschaft vorwärtskommen.

II. Die Lage der Gewerkschaften – nach dem Programm und in der Praxis.

6. Unser Parteiprogramm erklärt zur Frage der Rolle und Aufgaben der Gewerkschaftsorganisation:

Der Organisationsapparat der vergesellschafteten Industrie muss sich vor allem auf die Gewerkschaften stützen. Sie müssen sich immer mehr von zünftlerischer Beengtheit freimachen und sich in große Produktionsverbände verwandeln, die die Mehrzahl und allmählich auch die Gesamtheit der Arbeiter des betreffenden Industriezweiges umfassen.

Nachdem die Gewerkschaften laut den Gesetzen der Sowjetrepublik und auch tatsächlich in der Praxis in allen lokalen und zentralen Verwaltungsorganen der Industrie mitarbeiten, müssen sie dazu kommen, die gesamte Verwaltung der ganzen Volkswirtschaft als einer wirtschaftlichen Einheit nach tatsächlich in ihren Händen zu konzentrieren. Dadurch knüpfen sie ein unzerreißbares Band zwischen der zentralen Staats-Verwaltung, der Volkswirtschaft und den breiten Massen der Werktätigen, die von den Gewerkschaften in weitestem Umfange zur Arbeit an der Wirtschaftsführung unmittelbar hinzugezogen werden müssen. Die Gewerkschaften und durch sie auch die breiten Massen an der Wirtschaftsführung teilhaben zu lassen, ist das beste Kampfmittel gegen die Bürokratisierung des wirtschaftlichen Apparats der Sowjetgewalt und bietet die Möglichkeit, eine wirkliche Volkskontrolle über die Produktionsergebnisse einzusetzen."

In der Praxis haben wir uns während der letzten Periode dem im Programm gesteckten Ziel nicht genähert, sondern uns von ihm entfernt. Wenn die Entwicklung sich auch weiterhin auf dem gleichen Wege vollzogen hätte, würde das die allergrößte Gefahr nicht nur für die Gewerkschaften, sondern auch für die Wirtschaft bedeuten.

7. In der bürgerlichen Gesellschaft fassten die Gewerkschaften die Arbeiterklasse zum Kampf um die Verbesserung der Lage der Arbeiter zusammen, und dann auch zum Kampfe um die revolutionäre Beseitigung der kapitalistischen Produktionsmethode.

In der Kerenski-Epoche gingen die Gewerkschaften zur Kontrolle der Produktion über, die eine Form des Klassenkampfes der Arbeit gegen das Kapital darstellte.

Nach dem Oktober bildete die Arbeiterklasse – hauptsächlich mit Hilfe der Gewerkschaften – aus ihrer Mitte primitive Organe, die eine tatsächliche Verfügung über die nationalisierten Unternehmen ermöglichen sollten. Diese Bewegung erhielt ohne ausreichenden Grund die Bezeichnung „elementarer Syndikalismus.". Im Grunde genommen haben die Arbeitermassen in dieser ersten Periode der Revolution mit genau denselben Methoden einer halb elementaren Schöpferkraft der Massen die Sowjet-Staatsorgane, die Wirtschaftsapparate, die Armee usw. geschaffen.

Im Verlaufe der weiteren Entwicklung der Wirtschaftsinstitute, ihrer Vervollkommnung, ihrer Spezialisierung usw. vollzog sich ihre Loslösung von den Gewerkschaften. Das .Anwachsen der Selbständigkeit der Wirtschaftsorgane musste unweigerlich Erscheinungen von Parallelismus, von Kompetenzstreitigkeiten, organisatorische Reibungen und Konflikte im Gefolge haben. Die Bemühungen der Wirtschaftsorgane, aber in hohem Maße auch der Sowjetgewalt insgesamt, richten sich in dieser Periode der Spezialisierung und Abgrenzung von Funktionen darauf, die Gewerkschaften in einen bestimmten Rahmen zu bringen und ihre Einmischung in das Wirtschaftsleben zu begrenzen.

Was in der bürgerlichen Gesellschaft das Wesen der Gewerkschaften ausmachte, war in Fortfall gekommen: im Arbeiterstaat können die Gewerkschaften keinen ökonomischen Klassenkampf führen. Anderseits wurde die Teilnahme der Gewerkschaften am wirtschaftlichen Aufbau immer kleiner, systemloser und oberflächlicher, je mehr sich die Wirtschaftsorgane losgelöst von den Gewerkschaften selbständig entwickelten, die nötigen Arbeitskräfte selbst heranzogen, neue Arbeitsmethoden und Arbeitsgebräuche schufen und Bau und Umbau ihrer Apparate selbst ausführten. Hieraus eben entsprang und entwickelte sich die tiefgehende Krise der Gewerkschaftsbewegung.

8. Die Ausschaltung der Gewerkschaften von der aktiven und verantwortungsvollen Arbeit des Aufbaus förderte außerordentlich die Entwicklung eines gewerkschaftlichen Konservativismus in den führenden Kreisen der Gewerkschaftler.

In den verflossenen drei Jahren des Sowjetregimes haben die Gewerkschaften in bedeutend geringerem Maße als alle übrigen Organisationen des Arbeiterstaats eine Änderung in ihrer Struktur, ihren Arbeitsmethoden und in der persönlichen Zusammensetzung ihrer Spitzenorganisationen durchgemacht. Nach dem Verlust ihrer alten Existenzgrundlage, des ökonomischen Klassenkampfes, haben es die Gewerkschaften infolge verschiedener Umstände nicht vermocht, in ihren Reihen die notwendigen Kräfte zu sammeln und die notwendigen Methoden auszuarbeiten, die sie befähigt hätten, die neue Aufgabe zu lösen, die ihnen die proletarische Revolution auferlegt und die durch unser Programm formuliert ist: die Produktion zu organisieren.

9. Der jetzige Zustand, bei dem der Allrussische Zentralrat der Gewerkschaften und die Zentralkomitees der einzelnen Produktionsverbände ganz und gar außerhalb jeder wichtigen wirtschaftlichen Arbeit stehen, ist vollständig unhaltbar. Das ist ein völlig anormales System, bei dem fast jeder einzelne Gewerkschaftler, der sich durch seine organisatorischen, wirtschaftlichen und administrativen Fähigkeiten auszeichnet, automatisch dem Verband entrissen und gänzlich vom Produktionsapparat verschlungen wird. Indessen darf die Tatsache, dass die Glawki (Spitzenorganisationen der Produktionszweige) und die Kommissariate sich mehr und mehr von den Produktionsverbänden loslösen, sich von ihnen isolieren und die Leitung der Wirtschaft gewissermaßen in ihren Händen monopolisieren, keinesfalls nur den Wirtschaftsorganen zur Last gelegt werden. Um gesündere Beziehungen zu schaffen, ist es erforderlich, dass die Gewerkschaften den Willen haben und fähig sind, unmittelbar an der Ausarbeitung der Wirtschaftspläne, und ihrer Verwirklichungs-Methoden mitzuarbeiten. Über diese Aufgabe müssen sie sich in vollem Umfange klar werden.

Im Arbeiterstaat darf es keine organisatorische Teilung zwischen Spezialisten der Produktionsorganisation und Spezialisten der Gewerkschaftsbewegung geben. Als allgemeines Prinzip muss anerkannt werden, dass jeder, der für die sozialistische Produktion benötigt wird, damit gleichzeitig auch für die Gewerkschaft benötigt wird, und umgekehrt – jeder wertvolle Gewerkschaftler muss zugleich Mitarbeiter in der Organisation der Produktion sein.

10. Die Konzentration der gesamten Produktionsverwaltung in den Händen der Gewerkschaften, wie unser Programm sie fordert, bedeutet die planmäßige Umwandlung der Gewerkschaften in Apparate des Arbeiterstaats und ein allmähliches Ineinanderwachsen der Gewerkschaftsorgane und der Wirtschaftsorgane. Es handelt sich nicht darum, die Gewerkschaften formell als staatliche Organe zu proklamieren, sondern sie tatsächlich in Produktionsorganisationen zu verwandeln, die jeden einzelnen Produktionszweig allseitig erfassen und für die Interessen sowohl der Produktion, als auch der Produzenten verantwortlich sind. Dieser Standpunkt, der in der Resolution des 9. Parteitages zum Ausdruck kommt, wird formell, das heißt in Worten, von der Mehrheit der Gewerkschaftler anerkannt. So hat Genosse Tomski auf dem IX. Kongress der KPR von einem Koreferat Abstand genommen und sich dem Genossen Bucharin angeschlossen, der den Standpunkt unseres Programms vertrat.

11. Eine kürzlich im Verlag des Allrussischen Zentralrates der Gewerkschaften erschienene Neuauflage einer Broschüre charakterisiert die Rolle und Lage der Gewerkschaften im Arbeiterstaate folgendermaßen:

Im Resultat des angedeuteten Prozesses verwandeln sich die Gewerkschaften unweigerlich in Organe des sozialistischen Staates, in denen alle in den einzelnen Produktionszweigen beschäftigten Personen staatlich verpflichtet sind, organisiert zu sein und mitzuarbeiten.

Die Gewerkschaften verwandeln sich aus Organen des Kampfes gegen das Kapital in Organe des sozialistischen Aufbaus, wobei mit der Fortentwicklung vom Kapitalismus zum Kommunismus das Schwergewicht gewerkschaftlicher Arbeit auf das Gebiet der Organisation der Volkswirtschaft übergeht. Auf den Gewerkschaften ruht die Hauptaufgabe der Organisierung der Arbeit und der Produktion, und je mehr die Gewerkschaften diese ihre Aufgabe bewältigen, um so mehr verwachsen sie mit der Volkswirtschaft und werden zu ihrem Rückgrat.

Die Arbeiterräte und Gewerkschaften bilden gemeinsam in der Übergangsepoche Organe der Produktionsverwaltung (Volkswirtschaftsräte, Hauptkomitees zur Verwaltung der nationalisierten Unternehmen usw.), sie selbst aber verlieren mit dem Vorrücken zum Sozialismus ihre spezifischen Eigentümlichkeiten: die gesamte Arbeit der Räte und der Gewerkschaften konzentriert sich auf die Organisation der Arbeit und der Produktion; allein die Produktionsfunktionen bleiben, alle übrigen verschwinden. Es findet eine Verschmelzung der Gewerkschaften und der ökonomischen Sowjetorgane statt; es entsteht der einheitliche wirtschaftlich-ökonomische Apparat." (A. Losowski: „Die Gewerkschaften in Sowjetrussland". Verlag des Allrussischen Zentralrates der Gewerkschaften. 1920.)

12. Die Aufgabe besteht folglich nicht darin, die programmatischen Thesen zur Gewerkschaftsfrage zu revidieren, sondern einen neuen tatsächlichen Schritt auf dem Wege der Verwirklichung des Prinzips zu tun, das von der Partei anerkannt und in ihrem Programm festgelegt ist. In dem Jahr, das seit dem 9. Parteitag vergangen ist, sind die wirtschaftlichen Organisationen einen bedeutenden Schritt vorwärts gekommen. Auf einigen Gebieten sind ernste Produktionsresultate erzielt. Die Frage des einheitlichen Wirtschaftsplanes nimmt immer mehr konkrete, praktische Formen an. Unterdessen kommt diese ganze Arbeit bei den Gewerkschaften so gut wie gar nicht zum Ausdruck. Wenn bei uns nicht bestritten wird, dass die allgemeine Entwicklungstendenz die Gewerkschaftsorgane mit den Produktionsorganen zusammenwachsen lässt, so ist ganz klar, dass jede neue Etappe auf dem Gebiete der Wirtschaft gleichzeitig eine neue Etappe für den Prozess der Vereinigung der Gewerkschaften mit den Wirtschaftsorganen bedeutet. Solange dies nicht erzielt wird, wird die Krise sich verschärfen.

Demgegenüber beobachten wir die Tatsache, dass je mehr die Wirtschaftsaufgaben in den Vordergrund treten, zahlreiche Gewerkschaftler sich immer heftiger und unversöhnlicher gegen die Perspektiven des „Ineinanderwachsens" und gegen die sich hieraus ergebenden praktischen Folgerungen wenden. In der Zahl dieser Gewerkschaftler finden wir die Genossen Tomski und Losowski.

Nicht genug daran. Während sich zahlreiche Gewerkschaftler gegen neue Aufgaben und Methoden zur Wehr setzen, entwickeln sie gleichzeitig in ihrer Mitte den Geist einer vereinsmäßigen Abgeschlossenheit und einer feindlichen Haltung gegenüber neuen Kräften, die zur Arbeit auf einem gegebenen Wirtschaftsgebiet herangezogen werden. Hierdurch halten sie tatsächlich überlebtes Zünftlertum inmitten der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter aufrecht.

III. Die verschiedenen Standpunkte in der Gewerkschaftsfrage

13. Soll die Frage richtig gestellt werden, dann kann die Aufgabe der Organisierung der Arbeit im Arbeiterstaat Grundlage und Ziel nur in der Produktion haben, mit anderen Worten: die Organisierung der Arbeit und die Organisierung der Produktion sind identisch. Hieraus eben ergibt sich auch das allmähliche „Ineinanderwachsen" der gewerkschaftlichen und wirtschaftlichen Apparate; Das ist, wie wir sahen, der Standpunkt des Parteiprogramms.

14. Ihm steht der Standpunkt des Sowjet-Trade-Unionismus gegenüber, der in den Reihen unserer Partei in mehr oder minder vollendeter und offener Form nur vom Genossen Rjasanow vertreten wird (siehe z. B. sein Koreferat auf dem IX. Kongress der Partei). Genosse Rjasanow will für die Gewerkschaften ihre alte Lage im Staat als einer Organisation erhalten, die die Arbeiter zum Schutz und zur Verteidigung ihrer materiellen und geistigen Interessen vereinigt. Natürlich lehnt Genosse Rjasanow Kampfmethoden, d. h. Streiks, ab, an deren Stelle er den organisierten Druck und die Einwirkung auf die Staatsgewalt setzt. Aber auch in den bürgerlichen Ländern, besonders in den angelsächsischen, lehnen die Führer der großen Trade-Unions Kampfmethoden gegenüber der Bourgeoisie und dem bürgerlichen Staat ab und sehen ihre Aufgabe in ideellen, parlamentarischen und sonstigen Einwirkungen auf den Staat. So ist Genosse Rjasanow im Grunde genommen bestrebt, für die Gewerkschaften im Arbeiterstaat die gleiche Lage zu erhalten, welche die machtvollen opportunistischen Trade-Unions im kapitalistischen Staat inne haben. Genosse Rjasanow will, dass Genosse Tomski der Gompers des Arbeiterstaats sei.

15. Wir haben oben gesehen, dass Genosse Tomski auf dem 9. Parteitag sich formell dem Referat des Genossen Bucharin angeschlossen hat, während Genosse Losowski ziemlich scharf seinen Standpunkt des „Ineinanderwachsens" und der „Verschmelzung" der Gewerkschafts- und Wirtschaftsorgane formuliert hat. Indessen ist der Widerspruch zwischen den alten Methoden und Gewohnheiten, zwischen der alten Organisation der Gewerkschaften und der prinzipiellen neuen Aufgabe (Organisation der Produktion) so gewaltig, dass er beinahe automatisch viele Gewerkschaftsführer vor den praktischen Konsequenzen des Standpunkts unseres Programms zurückschrecken lässt. Je mehr Genosse Tomski und seine Gesinnungsfreunde dem allmählichen Ineinanderwachsen und der Verstaatlichung ihren eigenen Standpunkt entgegensetzen, desto mehr langen sie beim Sowjet-Trade-Unionismus des Genossen Rjasanow an.

16. Genosse Schljapnikow und die Gruppe seiner Gesinnungsfreunde schlagen vor, die Leitung der Wirtschaft sofort und gänzlich den Gewerkschaften zu übergeben – den Staat zu „vergesellschaftlichen". Eine derartige Maßnahme, die offenbar von syndikalistischen Neigungen diktiert ist, sieht sehr radikal aus, entbehrt in Wirklichkeit aber völlig jedes sachlichen Inhalts. Die Leitung der Produktion den Gewerkschaften zu übergeben, bedeutet bei der gegenwärtigen Lage der Dinge, ihnen die vorhandenen Apparate dieser Leitung zu übergeben; mit anderen Worten, es bedeutet, an die Stelle des Kollegiums der Metallabteilung das Präsidium des Zentralkomitees der Metallarbeiter zu setzen und entsprechende Änderungen auch lokal durchzuführen. Das Zentralkomitee der Metallarbeiter verfügt nicht über den geringsten Apparat zur unmittelbaren Leitung der Metallindustrie. Es müsste daher, nachdem es formell die Metallabteilung vergewerkschaftlicht hat, den Apparat benützen, der sich tatsächlich im Laufe von drei Jahren in der Metallabteilung unter Mitwirkung des Metallarbeiterverbandes gebildet hat.

Natürlich könnte im weiteren Verlauf das vom Verband eingesetzte neue Kollegium der Metallabteilung daran gehen, die Verwaltungsorgane umzuformen, neue Personen mit der Führung zu betrauen und zwar entsprechend befähigte Gewerkschaftler u. a. m. Immerhin würde das noch nicht bedeuten, dass der Verband nun auch tatsächlich die Produktion leitet; man käme damit zwar einer Verschmelzung bedeutend näher, die indes wohl kaum als richtig und systematisch anzusehen wäre. Denn es ist durchaus nicht bewiesen, dass bei dem jetzigen Stand der Gewerkschaften das Präsidium des Zentralkomitees der Metallarbeiter in höherem Maße zur Leitung der Metallindustrie befähigt ist als das gegenwärtige Kollegium der Metallabteilung. Der Versuch aber, alle Schwierigkeiten durch einen einfachen Massenüberfall auf die Produktion zu übergehen, wo bereits ein bestimmter, nicht zufällig geschaffener Apparat vorhanden ist, ohne Vorkehrungen zu treffen, die die Gewerkschaften in höherem Maße zur Leitung der Produktion befähigen – dieser Versuch würde nur ein ungeheuerliches Chaos für die Organisation zur Folge haben.

Der scheinbar radikale Standpunkt des Genossen Schljapnikow deckt sich mit der Auffassung der konservativen Gewerkschaftler, da er ebenso wie sie die Hauptaufgabe nicht sieht: die Notwendigkeit, die Gewerkschaften entsprechend den Aufgaben der Organisierung der Produktion umzugruppieren, umzubauen und neu zu erziehen.

IV. Produktionskriterium und Produktionserziehung.

17. Die Umwandlung der Gewerkschaften in Produktionsverbände – nicht nur dem Namen, sondern dem Inhalt ihrer Arbeit nach – bildet die wichtigste Aufgabe der Epoche, in die wir jetzt eintreten. Der Gewerkschaftler soll sich nicht als Anwalt der Nöte und Bedürfnisse der Arbeiter fühlen, sondern als Organisator der Werktätigen, bestimmt, die Produktion auf eine immer höhere technische Basis zu führen.

Im Arbeiterstaat reicht die Bedeutung der Gewerkschaften so weit, als sie tatsächlich die Produktion zu meistern verstehen, in ihren Verbänden alle Arbeiter der einzelnen Produktionszweige zu vereinigen, die Organisation der Arbeit zu verbessern, ihre Mechanisierung und Produktivität zu steigern und auf dieser Grundlage die materielle Lage der Massen zu verbessern und ihr geistiges Niveau zu heben wissen.

Jede andere Arbeit, sei es auf dem Gebiet der Produktion, der Aufklärung oder auf militärischem Gebiet, muss die Gewerkschaft ausführen, ohne den Grundzug ihres Wesens als Produktionsorganisation der Werktätigen zu verletzen.

18. Der Produktionsverband muss alle Arbeiter erfassen, die in einem bestimmten Wirtschaftszweig benötigt werden; vom ungelernten Arbeiter bis zum höchstqualifizierten Ingenieur. Der Verband muss seine Mitglieder nach Produktions-Gesichtspunkten registrieren und stets über eine genügend vollständige und genaue Charakteristik des Produktionswertes jedes einzelnen Arbeiters verfügen.

Der Verband muss allen Arbeitern, die diese oder jene administrative und technische Posten bekleiden, bestimmte Verbandspflichten auferlegen.

Die Arbeit für den Verband muss die notwendige und unerlässliche Ergänzung zur administrativen Produktionsarbeit bilden.

Die Arbeitermasse muss von dem Bewusstsein durchdrungen sein, dass ihre Interessen am besten von denen verteidigt werden, welche die Produktivität der Arbeit heben, die Wirtschaft wieder aufbauen und die Zahl der materiellen Werte vergrößern. Solche Organisatoren und Administratoren müssen neben Arbeitern, die ihre Arbeit im Betrieb fortsetzen, und neben Spezialisten-Gewerkschaftlern in die leitenden Verbands-Organe gewählt werden.

Alle Wahlen, die Aufstellung von Kandidaten, ihre Unterstützung usw. müssen geschehen nicht nur unter dem Gesichtswinkel politischer Erfahrung, sondern auch wirtschaftlicher Fähigkeiten, der bisherigen administrativen Laufbahn, organisatorischer Eigenschaften und der durch die Tat bewiesenen Fürsorge für die materiellen und geistigen Interessen der werktätigen Massen."

Die Partei ist verpflichtet, mit allen Mitteln den neuen Typus des Gewerkschaftlers zu fördern und zu erziehen, der ein energischer, initiativ begabter Wirtschaftler ist, der das ökonomische Leben nicht vom Standpunkt der Verteilung und des Verbrauchs, sondern unter dem Gesichtswinkel der Steigerung der Produktion betrachtet; und das nicht mit den Augen eines Menschen, der an die Sowjetgewalt Forderungen stellt und mit ihr Verträge abschließt, sondern mit den Augen eines Organisators, der sich gewissermaßen als Leiter und Besitzer eines Unternehmens fühlt." (Resolution des Zentralkomitees der Partei vom 7. Dezember.)

19. Die neue Produktionserziehung muss sich selbstverständlich in erster Linie auf die Gewerkschaftler erstrecken, deren Bestand mit allen Mitteln verstärkt und aufgefrischt werden muss. Die leitenden Gewerkschaftler, im Zentrum und in den Bezirken, müssen sich bemühen, in die rein wirtschaftlichen Fragen einzudringen und dadurch ein Produktionskriterium in ihre eigene tägliche Gewerkschaftsarbeit tragen; anderseits müssen die Leiter der Wirtschaftsorgane lernen, alle Fragen der Produktion, und darunter auch rein technische, vor allem als Fragen der Organisation der lebendigen Arbeitskraft mit steigendem Verständnis und mit Solidarität zu behandeln. Diese fruchtbringende Wechselbeziehung allein schafft die notwendige psychologische Grundlage für das organisatorische Ineinanderwachsen der parallel nebeneinander bestehenden Apparate zu einem einzigen Apparat, der in gleichem Maße die allgemeinen Interessen der Produktion und die unmittelbaren Interessen der Produzenten befriedigt.

20. Die Produktionspropaganda hat als Bestandteil der Produktionserziehung die Aufgabe, neue Wechselbeziehungen zwischen den Arbeitern und der Produktion herzustellen. Wenn in der kapitalistischen Gesellschaft das kritische Denken der Arbeiter sich nur soweit entwickelte, als es sich aus den Fesseln der Lohnsklaverei freimachen konnte, so muss jetzt Gedanke, Kritik, Initiative und Wille des Arbeiters darauf gerichtet sein, die Produktion auf das Beste zu organisieren, die zweckmäßigsten Instrumente und Maschinen zu bauen und anzuwenden, die Arbeit zu mechanisieren und zu maschinisieren und, sie wissenschaftlich in Werkstatt, Fabrik, Wirtschaftsbezirk und im ganzen Staat zu organisieren.

Diese ins Einzelne gehende, unermüdliche Agitation und Propaganda, bei der immer wieder neue Lehren verwertet werden müssen und die vor allem durch die Tat und das Beispiel, aber auch durch das gesprochene und geschriebene Wort geschehen soll, muss von jetzt ab der wichtigste Inhalt des Lebens und der Arbeit der Gewerkschaften sein. Eins der wichtigsten Kriterien der Lebensfähigkeit und des Wertes einer Gewerkschaft ist die Gründlichkeit und Konkretheit ihrer Produktionspropaganda. Die Massen müssen die äußere, wirtschaftlich inhaltslose, sichtbare Gestalt die rein dekorativen Formen der Arbeiterdemokratie verachten lernen, wenn sie jedes Inhalts entbehrt, der der Produktion dienlich ist.

Die Arbeitermasse wurde von den Bolschewik-Streikführern und Bolschewik-Barrikadenkämpfern erweckt und erzogen und folgte ihnen zum Sturm auf den Bourgeois-Staat. Dann lernte sie diesen Bolschewik auf den Schlachtfeldern als Kommandeur und als Kommissar kennen, wurde zusammen mit ihm ausgebildet, gemeinsam mit ihm spannte sie ihre Kräfte an und unter seiner Führung errang sie eine Reihe von Siegen. Jetzt muss die breiteste und zurückgebliebenste Masse in dem gestrigen Streikführer, Barrikadenkämpfer und roten Krieger den Produktionsleiter, den Organisator, den Volkswirtschaftler kennen lernen und ihr Vertrauen zu ihm als dem praktischen Baumeister der kommunistischen Gesellschaft erneuern und erhärten.

V. Arbeiter, Demokratie u. Produktion, militärische Methoden, Bürokratismus, Spezialisten und „Proletarisierung".

21. Das Streben einiger Gewerkschaftler, den gegenwärtigen ideellen Kampf in der Gewerkschaftsfrage als einen Kampf der „demokratischen Methoden" und der Methoden der „Ernennungswirtschaft", des „Kommissarentums und des Befehls" hinzustellen, schafft eine von Grund auf falsche Vorstellung über den wahren Sachverhalt.

Ernennungen und Kommissarentum auf dem Gebiete der Wirtschaft sind nur eine unausbleibliche Ergänzung zu der Produktionsohnmacht eines Verbandes, zu seiner Unfähigkeit, in einem gegebenen Augenblick unaufschiebbare Wirtschaftsaufgaben zu lösen. Es genügt nicht, Ernennungen und Kommissarentum als außerordentliche Maßnahmen prinzipiell zu verurteilen, zu denen die Sowjetgewalt auf den am meisten gefährdeten Abschnitten der Wirtschaftsfront ihre Zuflucht nehmen musste. Man muss praktisch die Notwendigkeit außerordentlicher Maßnahmen durch Methoden der Produktionsdemokratie beseitigen. Die Gewerkschaften müssen sich mit beiden Füßen auf den Boden der Wirtschaft stellen und mit eigenen Methoden die wichtigsten Wirtschaftsaufgaben zu lösen lernen, die bis jetzt gewöhnlich ohne die Verbände gelöst wurden.

22. Der Produktionsstandpunkt kann keinesfalls als der Idee der Arbeiterdemokratie entgegengesetzt gedeutet werden. Die Arbeiterdemokratie kann im Gegenteil nur als Produktionsdemokratie aufblühen. Die Arbeiterdemokratie kann sich nicht unter den Bedingungen der Erschöpfung und Armut entwickeln. Die Selbsttätigkeit der Massen kann nur auf Grund einer steigenden materiellen Befriedigung gedeihen. Alle Kräfte und alle Aufmerksamkeit auf die Wirtschaft zu konzentrieren, muss das Wesen des inneren Lebens aller Organe und Formen der Arbeiterdemokratie ausmachen.

Je mehr sich die Arbeit in den Gewerkschaften in der neuen Richtung entfaltet, je tiefer diese in die Massen eindringen und ihre Gedanken auf die Produktion einstellen, um so eher ist es möglich, auf dem Gebiete der Wirtschaft die Methoden der Demokratie anzuwenden, d. h. nicht nur systematisch in Versammlungen breiter Massen die wichtigsten Wirtschaftsmaßnahmen zu erörtern, sondern auch das Prinzip der Wählbarkeit auf eine ganze Reihe von Posten wirtschaftlich-administrativer Bedeutung dadurch auszudehnen, dass diesen Posten gleichzeitig ein bestimmter Einfluss innerhalb der Produktionsorganisation gegeben wird.

23. Die Arbeiterdemokratie muss sich bewusst dem Produktionskriterium unterordnen. Es ist ganz augenscheinlich, dass Sitzungen, Vorschläge, Erörterungen, Kritik, Propaganda und Wahlen notwendig und zulässig sind, soweit sie nicht den Gang der Produktion verletzen. Wie und in welchem Umfange demokratische Methoden angewendet werden können, muss in Abhängigkeit von den objektiven Verhältnissen bestimmt werden. Alle Fragen unter dem Gesichtswinkel der abstrakten, d. h. inhaltslosen Losungen der Arbeiterdemorate zu lösen, ist von Grund auf verkehrt.

Eine lebendige Illustration formal-demokratischen Verhaltens gegenüber wirtschaftlichen Fragen bilden die erbitterten Angriffe, denen die Tätigkeit des Politischen Hauptkomitees der Verkehrswege auf dem Gebiete des Transports von Seiten eines Teils der Gewerkschaftler ausgesetzt war. Ungeachtet dessen, dass die Partei das Politische Hauptkomitee der Verkehrswege als ein provisorisches Organ angesichts der außerordentlich schwierigen Lage der Eisenbahnen geschaffen hat, ungeachtet dessen, dass das Politische Hauptkomitee der Verkehrswege die ihm gestellte Aufgabe gelöst, d. h. dazu beigetragen hat, den Transport aus dem das ganze Land mit Verderben bedrohenden Zustand herauszubringen, – ignorieren einige Gewerkschaftler völlig die Bedeutung dieser Frage für die Produktion, behandeln sie unter einem formal-demokratischen Kriterium und verurteilen das Politische Hauptkomitee der Verkehrswege, ohne sich zu fragen, ob es unter den gegebenen Bedingungen möglich gewesen wäre, die erforderlichen Resultate mit Hilfe von Methoden der gewerkschaftlichen Demokratie zu erreichen. Der Standpunkt der Arbeiterdemokratie wird hier formal und darum vulgär. Die Arbeiterdemokratie kennt keine Fetische. Sie kennt nur die revolutionäre Zweckmäßigkeit.

24. Zwischen dem Prinzip der Produktionsdemokratie (Selbsttätigkeit der Werktätigen, möglichst ausgedehnte Anwendung der Wählbarkeit usw.) und dem Prinzip der Militarisierung der Arbeit und dem System der wirtschaftlichen Stoßgruppen (im Sinn der Resolution des IX. Parteitages) besteht durchaus kein Gegensatz. Die Methode der Militarisierung der Arbeit ist unumgänglich beim Übergang von dem vernichteten und zerstörten Arbeitsmarkt zur planmäßigen allgemeinen Arbeitspflicht – in den allerschwierigsten wirtschaftlichen Verhältnissen des Landes. Diese Militarisierung aber kann, wie der 9. Parteitag auseinandersetzte, nur unter Leitung der Gewerkschaften verwirklicht werden, wobei die in der Übergangsepoche unumgänglichen Zwangsmaßnahmen sich auf die immer ausgedehntere Arbeit stützen müssen, die die Heranziehung und Organisierung ungezählter Millionen von Arbeitern und Bauern und die Entwicklung ihrer Initiative bezweckt und ihr Produktionsniveau und ihr allgemein-kulturelles Niveau heben will .

Den militärischen Methoden und der Militarisierung der Arbeit wurde noch vor gar nicht langer Zeit auch von Seiten des konservativen Flügels der Gewerkschaftsorganisation Anerkennung zuteil.

Die Militarisierung der Arbeit während der Diktatur des Proletariats, – schrieb im Oktober 1920 Genosse Tomski, – ist nichts anderes, als die Verteilung der Arbeitskraft nach allgemein-staatlichem Plan und nach den laufenden Wirtschaftsbedürfnissen, die selbst gegen den Willen einzelner Arbeitergruppen stattfindet, welche in dem einen oder andern Augenblick von dieser Maßnahme betroffen werden. Man muss endlich verstehen und sich einprägen, dass an der Arbeitsfront ein genau so schwerer Kampf stattfindet, wie an der Front des Krieges. Jede Fahrlässigkeit, jede Liederlichkeit, jede Gleichgültigkeit gegenüber der wirtschaftlichen Tätigkeit haben Not, Kälte und Hunger für Hunderttausende Werktätiger mit ihren unausbleiblichen Begleiterscheinungen – Epidemien und Sterblichkeit im Gefolge. Hier ist die gleiche Energie und Entschlossenheit wie im Kriege erforderlich. Weinerliche Klagen über das „Zwangssystem" können die Arbeiterklasse und ihre Organisation nicht davon abhalten, unverzüglich Maßnahmen zu treffen, die den Interessen der Arbeiterklasse und ihrer Befreiung von Niederlage, Not und Krankheiten dienen.

Mögen auch die Vertreter des kleinbürgerlichen Sozialismus, die im gegenwärtigen Augenblick Ideologen der alten egoistischen Schichten in der Arbeiterklasse darstellen, noch so schreien, die Gewerkschaften werden, gestützt auf die Interessen der Arbeiterklasse als eines Ganzen, die Militarisierung der Arbeit durchführen und sind dazu verpflichtet, weil sie eine der notwendigsten Voraussetzungen für den Sieg des russischen Proletariats an der Wirtschaftsfront ist." (M. Tomski: „Der Arbeitsbote". Monatliches Organ des Allrussischen Zentralrats der Gewerkschaften. Oktober 1920, S. 24).

Die Wirtschaftsfront“, – schrieb Genosse Losowski, – „ist die wichtigste Front der russischen Revolution, und jeder Bürger ist arbeitspflichtig. Arbeitsdeserteuren wird keine Schonung werden. Das ist der Sinn der Arbeitspflicht, das ist der Sinn der Militarisierung der Arbeit. Wer kann in der Periode der Vernichtung des Privateigentums an Produktionsmitteln und an Mitteln des Tausches dem proletarischen Staat dies Recht absprechen? Wer kann ihm die Pflicht absprechen, von jedem einzelnen eine bestimmte Summe Arbeit zum Nutzen der Gesellschaft zu fordern? Niemand außer elenden Philistern, vollendeten Dummköpfen oder ehrlosen Demagogen." (A. Losowski: „Die Gewerkschaften in Sowjetrussland". 1920.)

25. „Militärisch arbeiten" bedeutet für uns nicht etwa: nur oder hauptsächlich mittels Einschüchterung und nicht mittels Überzeugung, zu arbeiten. Die militärische Arbeit des Kommunisten erfordert höchste Hingabe und heroisches Pflichtbewusstsein. Die zugewiesene Arbeit ausführen und wenn es das Leben kostet. Dazu müssen sich Pünktlichkeit, Genauigkeit und Verantwortungsgefühl gesellen. Wir werden die gigantischen Aufgaben, die jetzt vor uns erstehen, nur unter der Bedingung lösen, dass wir unsern wirtschaftlichen Arbeiten den gleichen heroischen Charakter verleihen, den unsere Arbeit an der Front trägt. In diesem Sinne ist die Arbeit auf militärische Art das gerade Gegenteil einer äußerlichen Disziplin und eines staatlichen Bürokratismus. Sie bedeutet nicht eine Ablehnung der Arbeiterdemokratie, sondern im Gegenteil ihren höchsten heroischen Ausdruck.

25. Die Produktionsdemokratie bedeutet Überwindung des Bürokratismus. Unser Parteiprogramm spricht mit hervorragendem Scharfsinn davon, dass gerade „die Teilnahme der Gewerkschaften, und durch sie auch der breiten Massen, an der Wirtschaftsführung das beste Kampfmittel ist gegen den Bürokratismus des ökonomischen Apparates" ... Der Kampf mit dem Bürokratismus ist also vom Standpunkt unseres Programms nicht eine besondere Aufgabe an sich, die mit Hilfe einzelner Organisationsmethoden gelöst werden kann, sondern ist vor allem der Hauptbestandteil der gewerkschaftlichen Arbeit auf dem Gebiete der Produktionserziehung der Massen und der tatsächlichen Verfügung über die Produktion.

Hieraus eben ergibt sich, dass auf dem Gebiete des Kampfes gegen den Bürokratismus der Arbeiterstaat seine Kräfte nicht so sehr darauf verwenden muss, die Kontrollorgane zu überlasten, – als vielmehr auf die Ausgestaltung und Verbesserung der bestehenden Wirtschaftsapparate, die zu diesem Zweck mit den Produktions-Massenverbänden vereinigt werden müssen.

Soweit die Gewerkschaften sich nicht auf den Boden der schöpferischen Produktionsarbeit stellen, kommen sie nicht vom Flecke, verknöchern und weisen selbst alle Nachteile des Bürokratismus auf.

27. Die sogenannte Proletarisierung der Sowjetorgane – nicht im Sinne eines mechanischen Hinausdrängens der Spezialisten und ihrer Ablösung durch nicht kompetente Arbeitskräfte, sondern in dem Sinne, dass das organisierte Proletariat alle Zweige staatlicher Tätigkeit systematisch lenkt, – kann in vollem Umfange nur auf der Grundlage der Produktionsdemokratie verwirklicht werden. Nur durch Erziehung, Auswahl und Verwertung von Volkswirtschaftlern und Organisatoren, nur dadurch, dass in den Gewerkschaften und im ganzen Lande eine Produktionsatmosphäre geschaffen wird, können Partei und Gewerkschaften bereits in der nächsten Periode den notwendigen Zufluss frischer schöpferischer Kräfte von unten erzielen. Der Aufschwung der Wirtschaft garantiert nicht nur den geistigen Aufschwung des Proletariats im Ganzen, sondern schafft auch Bedingungen für die schöpferische Entwicklung seiner begabtesten Söhne.

28. Man kann einwenden, dass man das Ineinanderwachsen der gewerkschaftlichen und wirtschaftlichen Organe nicht außerordentlich beschleunigen kann, dass man dem Bewusstseinsgrad der Massen Rechnung tragen muss, dass die Verstaatlichung der Gewerkschaften dem menschewistischen, dem Arbeiterstaat feindlichen Trade-Unionismus den Boden ebnet usw. usw. Aber diese Einwände sind nicht stichhaltig. Das Tempo der Entwicklung kann verschieden sein, je nachdem sich die Grundbedingungen gestalten, unter denen unsere Entwicklung im Ganzen während der nächsten Periode verlaufen wird. Aber es ist erforderlich, dass die Entwicklungstendenz der Gewerkschaften allen Gewerkschaftlern klar wird und jeden Schritt vorwärts bestimmt, so bescheiden er auch sein mag.

Keinesfalls ist es zulässig, die Verstaatlichung der Gewerkschaften auf den Sankt-Nimmerleinstag zu verschieben und zu einem „Endziel" zu machen, das ohne jeden Einfluss auf die heutige Praxis bleibt, in deren Bereich deswegen gerade trade-unionistische Tendenzen geboren wurden. Die Verstaatlichung ist ein schöpferischer Prozess, der sich in Etappen vollzieht. Man muss aufmerksam und sorgfältig diese Etappen festsetzen, indem man das allgemeine Niveau der Massen und die Sonderheiten einzelner Industriezweige in Betracht zieht; aber man muss auch klar die Richtung innehalten, um nicht Schritte rückwärts zu tun, wenn die Verhältnisse entschieden Schritte nach vorwärts verlangen.

29. Jedenfalls ist die Erwägung von Grund auf verkehrt, als ob die Arbeitermasse die Verwandlung der Gewerkschaften in Produktionsverbände nicht verstünde und sich davon abwenden würde. Die trade-unionistische Politik, nämlich der Druck auf den Staat von außen, eröffnet jetzt den Massen nicht die geringsten Perspektiven. Dagegen verbessert die Produktionspolitik die Wirtschaft und bezwingt die Not der Massen. Die Werktätigen wollen vor allem wirtschaftliche Erfolge; sie werden jede ernste und vernunftgemäße Anstrengung in dieser Richtung unterstützen. Sie werden den gewaltigsten Produktionsenthusiasmus entfalten, sobald nur die ersten, den Massen greifbaren wirtschaftlichen Erfolge erzielt sind. Wenn jemand sich dem neuen Produktionskurs in den Gewerkschaften entgegen stemmt, so sind es auf keinen Fall die Massen, sondern der mehr konservativ gesinnte Teil der Gewerkschaftsbürokratie.

VI. Praktische Folgerungen.

30. Ausgehend von den oben angestellten Betrachtungen sind unverzüglich eine Reihe von organisatorischen Maßnahmen zu treffen, die den trägen, beharrlichen Charakter der Gewerkschaften beseitigen; sie müssen praktisch in das Gebiet ihrer neuen Aufgaben eingeführt werden, und ihre Arbeit muss mit der Arbeit der Wirtschaftsorgane in Einklang gebracht werden. Der Allrussische Zentralrat der Gewerkschaften und das Präsidium des Obersten Rates für Volkswirtschaft muss schon jetzt zu einem Drittel oder zur Hälfte gemeinsame Mitglieder aufweisen. Das macht die einseitige Spezialisierung der beiden wichtigsten Produktionskollegien unmöglich. In jedem von ihnen wird sich ein Teil von Mitarbeitern befinden, die unmittelbar an sich selbst die Einwirkung der administrativen und technischen Bedürfnisse der Produktion erfahren und gleichzeitig in der Atmosphäre der gewerkschaftlichen Organisation leben. Gleichzeitig wird sich in jedem Kollegium ein Halb bis zwei Drittel „reiner" Administratoren und „reiner" Gewerkschaftler befinden; das garantiert in genügendem Maße für die Übergangsperiode sowohl die notwendige Spezialisierung der Arbeit, als auch eine hinreichende Elastizität in den Wechselbeziehungen der wirtschaftlichen und gewerkschaftlichen Organisationen.

Beide Kollegien, der Allrussische Zentralrat der Gewerkschaften und der Oberste Volkswirtschaftsrat erstatten auf gemeinsamen Plenarsitzungen periodisch Bericht über ihre Tätigkeit und erörtern und entscheiden alle prinzipiellen Fragen der Organisation der Wirtschaft und hierbei auch der Organisation der Arbeit.

Die gleiche Ordnung organisatorischer Wechselbeziehungen und die Regel, dass von einem Drittel bis zur Hälfte gemeinsame Mitglieder vorhanden sind, die in beiden Organen ordnungsmäßig zur Arbeit verpflichtet sind, erhält auch für die wirtschaftlichen Kommissariate, Hauptkomitees und Zentralkomitees der entsprechenden Produktionsverbände Geltung.

Das gleiche organisatorische Prinzip wird auch gegenüber den unteren Gliedern der wirtschaftlichen und gewerkschaftlichen Organisationen angewandt (in Gauen und Kreisen, Gouvernements, Wirtschaftsbezirken und Industriezweigen, in Werkstätten und Fabriken usw.).

Unter den Bedingungen, unter denen das administrativ-wirtschaftliche Organ auf dem Prinzip der persönlichen Leitung aufgebaut ist, ist es erforderlich, den verantwortlichen Administrator in die entsprechende gewerkschaftliche Organisation zumindest mit beratender Stimme einzureihen.

Soweit es sich um eine Arbeitskraft handelt, die das volle Vertrauen der Gewerkschaft genießt, ist es wünschenswert, diesen Administrator mit Stimmrecht in die Gewerkschaft aufzunehmen, worüber die Mitglieder von Fall zu Fall entscheiden.

Wenn es sich um einen Spezialisten handelt, den der Verband aus diesen oder jenen Gründen als Mitglied aufzunehmen für unmöglich hält, auch nicht mit beratender Stimme, dann bestimmt die Mitgliedschaft des Verbands einen Bevollmächtigten (Kommissar), der im Namen der Gewerkschaft die Kontrolle über den Spezialisten (Fabrikleiter) ausübt.

Anmerkung. Die Ernennung von Bevollmächtigten (mit Rechten von Kommissaren) bildet das ausschließliche Recht der Produktionsverbände und ist ein Mittel der Verwirklichung des proletarischen Regimes im Apparat der Wirtschaft.

In den einzelnen Werken, Gruben usw. wird die organisatorische Verschmelzung der administrativen und gewerkschaftlichen Organe und die Verschmelzung ihrer leitenden Körperschaften um so leichter, je entschlossener die Gewerkschaften den Produktionskurs einschlagen, je tiefer das Produktionskriterium bei jeder Art von Wahlen in das Bewusstsein der Massen eindringt.

Es ist durchaus zweckmäßig, ein Mitglied des Betriebsrates als Fabrikleiter zu bestimmen, vorausgesetzt, dass er die geeignete Person ist. Wenn dagegen der Fabrikdirektor von außerhalb ernannt ist und durch seine Arbeit das Vertrauen der Arbeiter erworben hat, muss die Gewerkschaftsorganisation alle Anstrengungen machen, um ihn in ihre Mitgliedschaft aufzunehmen.

31. Die Wirtschaftsabteilungen der Gewerkschaften, verstärkt durch die besten administrativen und technischen Funktionäre der entsprechenden wirtschaftlichen Organe, müssen die machtvollsten Waffen werden zur Verbesserung der ganzen Wirtschaftsorganisation, zur wissenschaftlichen Einrichtung der Produktion, zur Mechanisierung, zur Einführung des Taylor-Systems usw.

Die entsprechenden Betriebsorganisationen müssen in ein bestimmtes Verhältnis zur Werksleitung treten, welche verpflichtet ist, aufmerksam alle technischen und organisatorischen Vorschläge zu prüfen, die durch die Unterstützungsgruppen und andere Organisationen gehen, und müssen in bestimmten Zeiträumen, nach Möglichkeit vor einer allgemeinen Betriebsversammlung, über die Ausführung der eingebrachten Vorschläge Rechenschaft ablegen.

32. Die Verteilung der Arbeitskraft and die Regulierung der Tarife wird den Gewerkschaftsorganen übergeben.

33. Konflikte zwischen Arbeitern und den Wirtschaftsorganen im Produktionsprozess werden ausschließlich durch die Gewerkschaften beigelegt, wofür diese sich vor der Arbeiter- und Bauernregierung zu verantworten haben.

34. Gewisse Schwierigkeiten stellt vom Gesichtspunkt der Betriebsdemokratie die Frage der Spezialisten dar, d. h. das Problem, ihre Stellung in der Produktion in Einklang zu bringen mit ihrer Stellung in den Gewerkschaften Aber auch dieser Punkt kann mit vollkommenem Erfolg gelöst werden bei einer standhaften und festen Politik der Produktionsverbände.

Alle Spezialisten müssen ohne Ausnahme durch den Filter der Gewerkschaftsverbände gelassen werden. In Anbetracht der ganzen Vergangenheit und des eben erst beendeten Bürgerkrieges müssen die Spezialisten ungefähr in drei Kategorien eingeteilt werden: 1. solche, die geprüft werden müssen (gestrige Koltschak- und Wrangelleute); 2. Kandidaten; 3. voll berechtigte Gewerkschaftsmitglieder.

Nur die Spezialisten der. letzten Kategorie können ohne Kommissare auf verantwortliche Posten gestellt werden. Die Spezialisten der 2. Kategorie können nur unter der Kontrolle von Kommissaren der Produktionsverbände verantwortliche Posten einnehmen. Die Spezialisten der 1. Kategorie können nur Gehilfen oder Ratgeber bei Administratoren sein, die Mitglieder des Verbandes sind. Auf diese Weise bekommt der Titel „Mitglied des Verbandes" ein großes Gewicht in der Produktion, das sich in gleicher Weise wohltuend, auf das Bewusstsein der Arbeiter sowohl als auch der Spezialisten überträgt.

35. Die Leitung der Industrieunternehmen durch Einzelpersonen bleibt ein unantastbares Gesetz für die ganze Übergangszeit, trotzdem bis zu einem gewissen Grade parallel nebeneinander Produktionsverbände und Wirtschaftsorgane bestehen. Die Verfügungsgewalt gehört der Verwaltung, die in der entsprechenden Form eingesetzt worden ist. Aber der ganze Weg der Ernennung der Verwaltung, die Vorbereitung der Kandidaten dafür, ihre Beziehung zum Verband als Ziel und die Produktionsatmosphäre, unter welcher die Verwaltung arbeitet, muss sich immer mehr und mehr in Funktion von Wirtschaftsverwaltungsorganen verwandeln, die zu diesem Zweck von den Produktionsverbänden gebildet werden. Unter diesen Bedingungen fällt die ganze Frage der Einmischung und Nichteinmischung der Verbände in die Produktionsverwaltung fort, da es vollkommen natürlich ist, dass die Abteilung für die Produktionspropaganda oder die Abteilung für die Verbesserung des Arbeiterdaseins sich nicht in die Verwaltungsarbeit mischen kann, die speziell von der dazu geschaffenen Abteilung erledigt wird.

36. Um ein vollständiges Einverständnis in der Arbeit der Produktionsverbände und Wirtschaftsorgane zu erreichen, müssen die einen wie die andern in jeder Beziehung nach demselben Muster errichtet werden, in Übereinstimmung mit der Struktur und dem Erfordernis des betreffenden Produktionszweiges.

Bei der Umgestaltung und Reorganisation der Gewerkschaften, ihrer Abteilungen usw., darf man sich nicht von eigennützigen Bedürfnissen und Notwendigkeiten des Verbandsapparates leiten lassen, sondern von den tieferen Notwendigkeiten der Wirtschaft selbst.

37. Es gibt kein fertiges Organisationsrezept und kann es auch nicht geben, das alle Fälle von Wechselbeziehungen zwischen wirtschaftlichen und Verbands-Organisationen umfasst In dieser Beziehung bedarf es der Schöpfergabe, der Initiative, der persönlichen organisatorischen Kombinationsgabe, die den konkreten Bedingungen entspricht. Aber all diese Erfahrungen müssen von der einen Aufgabe beleuchtet werden:

aus der Mitte der gewerkschaftlichen Volkswirtschaftler Produktionsfunktionäre und Administratoren zu erziehen und hervorgehen zu lassen;

die Arbeit der Verbände und der Wirtschaftsapparate einander zu nähern und miteinander zu verschmelzen:

den gemeinsamen Teil ihrer Arbeit herauszukristallisieren und gemeinsam zu erledigen;

systematisch dahin zu streben, dass dieser gemeinsame Teil der Arbeit sich immer mehr und mehr verbreitert und am Schluss die ganze Arbeit umfasst, d. h. dass gewerkschaftliche und wirtschaftliche Organe endgültig ineinander übergehen.

38. Wenn wir dieses System nach allen Seiten entwickeln, das Prinzip der Wählbarkeit allmählich mehr und mehr zur Anwendung bringen und die verantwortliche Rolle im Verbande mit der in der Produktion immer enger verbinden, kommen wir früher oder später in die Lage, in der der Verband, der den ganzen Produktionszweig vollkommen und von allen Seiten umfasst, auf dem Wege der kombinierten Methode von Wahl und Abberufung aus seiner Mitte den ganzen Verwaltungs- und Wirtschaftsapparat absondern wird – unter der allgemeinen Kontrolle und Führung des Arbeiterstaates, der die Arbeit aller Wirtschaftszweige in Einklang miteinander bringt.

39. Die Frage des Tempos der Entwicklung in der gezeigten Linie kann im Voraus nicht genau gelöst werden, da sie zum großen Teil von der internationalen Lage und der Entwicklung der Weltrevolution abhängig ist, d. h. davon, in welchem Maße wir die Möglichkeit haben werden, alle unsere Kräfte und Mittel auf die wirtschaftliche Arbeit zu konzentrieren. Es ist jedoch selbstverständlich, dass sowohl unter günstigen als auch unter ungünstigen Bedingungen das Tempo der Entwicklung in den verschiedenen Wirtschaftszweigen verschieden sein wird, je nach den technischen Besonderheiten des betreffenden Industriezweiges und nach dem Niveau der in ihm beschäftigten Arbeiter.

Zweifelsohne wird die Frage der gegenseitigen Beziehungen der wirtschaftlichen und gewerkschaftlichen Organe auf dem Gebiete des Transports, und hierbei besonders der Eisenbahnen, und auf dem Gebiete der Metallindustrie viel schneller gelöst werden können, als auf dem Gebiete der Textil- und Holzindustrie oder gar auf dem Gebiete der Landwirtschaft, wo die Frage noch nicht einmal in nennenswertem Umfange aufgerollt ist.

Die Politik des Allrussischen Zentralrats der Gewerkschaften und der Wirtschaftsorgane muss in dieser Beziehung biegsam sein, muss sich von einer genauen Einschätzung der Eigentümlichkeiten jedes besonderen Wirtschaftszweiges leiten lassen und soll sich keinesfalls eine mechanische Verschmelzung aller Verbände und Wirtschaftszweige nach einer bestimmten mittleren Organisationsschablone, welche sich für die einen als zu eng und für die andern als zu weit erweisen würde, zum Ziel setzen.

Es würde durchaus kein Verlust für die Einigkeit und Solidarität der Arbeiterklasse, sondern ein großer Gewinn für alle ihre Arbeit sein, wenn die vorgeschrittenen Industrien in ihrer sozialistischen Struktur die rückständigen überholten, ihnen ein Vorbild, gäben und damit die Entwicklung beschleunigten,

40. Aus all dem Gesagten geht hervor, dass die Reorganisation der Verbände darin bestehen muss, erstens, ihnen ein weites Produktionsziel zu geben (die Leitung der Produktion), das auf der Basis der Agitation, der Propaganda, Organisation und Auswahl des Personals bestehen mag; zweitens sofort die Verbände durch eine bedeutende Zahl von Funktionären zu stärken, deren wirtschaftliche und allgemeine organisatorische Fähigkeiten auf verschiedenen Gebieten erprobt sind; drittens dem Verband den notwendigen Apparat zu geben, der imstande ist, in der Tat alle vor ihm stehenden Aufgaben zu erfassen.

41. Die allgemeine Lage des Landes schließt die Möglichkeit eines gleichzeitigen und gleichmäßigen Aufschwungs der Wirtschaft aus und macht daher die gleichzeitige und gleichmäßige Stärkung aller Gewerkschaftsverbände unmöglich: hierzu fehlen die Kraft und die Mittel.

Auf dem Gebiet des Konsums, d. h. der persönlichen Existenzbedingungen der Arbeitenden muss man unbedingt eine Linie der Gleichmäßigkeit einführen. Auf dem Gebiete der Produktion muss das Stoßgruppensystem noch lange Zeit hindurch maßgebend sein: erst wenn wir das Stadium der Stoßgruppenwirtschaft durchschritten haben, werden wir die erforderlichen proportionellen Verhältnisse in den Hauptzweigen der Wirtschaft schaffen.

Wie tief diese Gedanken in die Reihen der Gewerkschaftler eingedrungen sind, geht daraus hervor, dass auf der letzten (V.) Konferenz der Gewerkschaftsverbände mit überwiegender Mehrheit die Resolution zum Bericht des Allrussischen Zentralrats der Gewerkschaften angenommen wurde, in der dem führenden gewerkschaftlichen Organ der Vorwurf gemacht wird, nicht genügend energische Maßnahmen zur Durchführung der Stoßgruppenmethoden unternommen zu haben.

42. Im gegenwärtigen Moment stehen im Einklang mit den allgemeinen Bedürfnissen der Wirtschaft im Vordergrund der Bergarbeiter- und der Metallarbeiterverband. Sie mit allen Mitteln zu stärken, muss der Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit der Partei und des Allrussischen Zentralrats der Gewerkschaften sein.

43. Die Produktionserziehung findet nicht ihre Grenzen nur in den Mauern der Betriebe und der Klubs. Die Fragen des persönlichen Seins und Lebens der Arbeiter müssen Gegenstand der besonderen Aufmerksamkeit jedes einzelnen Produktionsverbandes sein. Trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten unseres Landes, gibt es genügend breite Möglichkeiten, die Wohnungs-, Bekleidungs- und Verpflegungsverhältnisse der Arbeiter zu bessern, unter Beihilfe der örtlichen Sowjetorgane, unter tatkräftiger Initiative der Arbeiter und Arbeiterinnen selbst und unter Ausnutzung der Elemente des Kollektivismus für die Alltagsnöte (Hauskommunen, Volksküchen, Krippen, genossenschaftliche Reparaturwerkstätten usw.).

Jeder verantwortliche Gewerkschaftsfunktionär ist verpflichtet, Mittel und Wege zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter ausfindig zu machen und periodisch über die von ihm getroffenen Maßnahmen und erzielten Resultate den oberen Verbandsorganen und der Verbandspresse Mitteilung zu machen.

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