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Leo Trotzki 19201202 Zur Frage der Organisation der Arbeit

Leo Trotzki: Zur Frage der Organisation der Arbeit.

(Rede auf der Allrussischen Konferenz des Zentralen Transportkomitees.)

[Nach Russische Korrespondenz, II. Jahrgang, Heft 1/2, Januar-Februar 1921, S. 109-113]

Den gegenwärtigen Zeitabschnitt können wir im Allgemeinen als einen Übergang aus der Zeit der militärischen in eine Zeit der wirtschaftlichen Kämpfe charakterisieren. Dieses Übergangsstadium spiegelt sich im Leben aller Organe Sowjetrusslands wider, aller Sowjet-, Partei-, Berufs-, und anderer Organisationen. Ebendeshalb sprechen wir jetzt von einer gewissen Krisis, die von verschiedenen Organisationen erlebt wird, von einer inneren Krisis, die ihrem Wesen nach nichts anderes ist, als eine innere Umgruppierung von Elementen, Menschen und Kräften. Die Elemente der Krisis (die nichts Bedrohendes für die Arbeitsstruktur des zukünftigen Russland darstellen) sind uns im Großen und Ganzen von der früheren kapitalistischen Ordnung als Erbschaft hinterlassen worden. Der Krieg ist ein grausamer Zerstörer, und die Arbeit während des Krieges – alle Kräfte und Mittel des Landes zu erhalten – ist eine schwere Arbeit. Und wenn der Krieg zu Ende geht, macht sie sich noch mehr fühlbar; aber es ist gut so, denn es zeugt von der Lebensfähigkeit des ganzen Organismus. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass der tiefste Grund der Unzufriedenheit die Not und die Armut sind, die wir geerbt hatten und die durch den furchtbaren Krieg verstärkt worden sind. Wie diese Ursache sich im Allgemeinen im ganzen Organismus Sowjetrusslands findet, so auch auf dem Gebiete der gewerkschaftlichen Bewegung im Besonderen.

Die gewerkschaftlichen Verbände haben wir von der kapitalistischen Ordnung übernommen als eine alle Lohnarbeiter umfassende Organisation. Die Aufgabe des gewerkschaftlichen Verbandes war die Verbesserung der Arbeitsverhältnisse. In der bürgerlichen Gesellschaft waren diese Verhältnisse von besonderer Struktur. Außerdem arbeiteten die Verbände in unserm Lande in der Richtung der proletarischen Machtergreifung. Die Umgestaltung der Verbände entsprechend den neuen Forderungen ist eine Aufgabe, die wir bis jetzt nicht gelöst haben, und der Platz, den der gewerkschaftliche Verband in der ganzen Struktur der Sowjetmacht und ihres Apparates einnehmen soll, ist praktisch nicht fest umrissen, obschon theoretisch in vollem Einklange mit unserem Programm klar festgelegt. Im Text unseres Programms kann man unter „ökonomische Fragen" lesen: der organisatorische Apparat der vergesellschaftlichten Industrie muss sich vor allen Dingen auf die gewerkschaftlichen Verbände stützen, sich des weiteren immer mehr vom engen Zunftwesen befreien und in eine Vereinigung umwandeln, die alle Arbeitenden dieses Gebietes umfasst. Der gewerkschaftliche Verband muss dazu übergehen, die Verwaltung der ganzen Volkswirtschaft in seinen Händen zu konzentrieren, und die Heranziehung breiter Massen seitens der gewerkschaftlichen Verbände ist zugleich das wichtigste Kampfmittel gegen den bürokratischen Apparat.

Obgleich dieses Programm vor jener Erfahrung, die wir vor anderthalb Jahren gehabt hatten, ausgearbeitet worden ist, noch vor jenem inneren Kampfe, so umfasst es dennoch die ganze uns interessierende Frage. Die gewerkschaftlichen Verbände müssen die Leitung des wirtschaftlichen Lebens in ihren Händen vereinigen. Sie haben die Produktion nicht nur zu unterstützen, sondern sie müssen die Produktion organisieren und sich in Alles beherrschende Leiter dieser Organisation verwandeln. Der Kampf mit dem Bürokratismus muss auf dem Boden der praktischen Organisation der Produktion geführt werden, und die arbeitenden Massen müssen in diese organisatorische Arbeit hineingezogen werden.

Wenn wir die die gewerkschaftliche Frage betreffenden Beschlüsse des IX. Kongresses unserer Partei betrachten, so sehen wir, dass sie in ihrem prinzipiellen Teil unser Parteiprogramm bestätigen, in ihrem praktischen Teil stellen sie einige Etappen, einige Übergangsstufen fest. Somit geht eine Koordination der Arbeit der gewerkschaftlichen Verbände mit derjenigen der wirtschaftlichen Organe, wie wir sie heute haben, vor sich. Wenn es notwendig ist, dass die Verbände immer mehr zu Leitern unseres Wirtschaftsapparates werden, so muss man jedoch feststellen, dass dies bisher durchaus nicht der Fall ist, und der Versuch einer mechanischen Übergabe der Wirtschaft in die Hände des entsprechenden gewerkschaftlichen Verbandes würde unbedingt zur Katastrophe führen.

Das haben wir gesehen auf dem Gebiete des Eisenbahntransportes. Ein solcher Versuch war durch den „Allrussischen Vollzugsausschuss der Eisenbahner" gemacht. Und dieser gewerkschaftliche Verband ist mit dieser Aufgabe nicht fertig geworden, denn er ist aus der alten Epoche hervorgegangen unter Beibehaltung des alten Organisationssystems, der alten Arbeitsmethoden und des alten Arbeiterbestandes. Das alte Verkehrswesen hatte drei Gliederungen, wie die ganze frühere Industrie: einen Oberbau, bestehend aus Leitern, ein schwaches technisches Personal und die Masse der Arbeiter. Die Revolution fegte die kapitalistischen Besitzer hinweg, sie zerstörte den administrativ-technischen Apparat; des weiteren wechselte sie selbst die Arbeiterklasse aus; Schicht um Schicht wurden die besten Elemente abgehoben, um an die Front des Bürgerkrieges oder in verschiedene Gebiete der Sowjetarbeit geschickt zu werden. So waren die Reste des Eisenbahnwesens in bedeutendem Maße entkräftet, um Tausende alter Organisatoren mit guter Erfahrung beraubt, die die Revolution aus ihrer Tätigkeit heraus riss. Später hätte sie sie an die alten Stellen zurückgeben können, aber sie musste den alten administrativen Apparat zerstören, sie griff auch nach den Spitzen des geistigen Apparates und zerstreute sie in die verschiedensten Behörden. Daher konnte die Sowjet-Regierung dem geschwächten gewerkschaftlichen Verband das Verkehrswesen nicht übergeben.

Indem der Verband Arbeiter aller Kategorien in seine Reihen stellte, erfasste er allmählich den Produktionsapparat: aber dazu musste er vor allem Kräfte sammeln. Da der alte gewerkschaftliche Verband nicht vor dieser Aufgabe gestanden hat, so muss jetzt der Bestand der alten Arbeiter und Leiter gesichtet werden. Diese Prüfung ist notwendig vom Standpunkte der Produktion, nicht von demjenigen der gewerkschaftlichen Bewegung. Dies Ist die eine Seite der Aufgabe, die andere ist: die Entlehnung derjenigen Arbeiter, die auf dem Gebiete des Verkehrswesens und aller einschlägigen Betriebe organisatorische Fähigkeiten bewiesen haben und den gewerkschaftlichen Verband in einen Produktionsverband verwandeln können, aus anderen Behörden und der Armee.

Wir treten an jene Fragen heran, die den zurückgebliebenen Elementen in unserer Mitte zum Kampfmittel gegen das sogenannte „Ernennungsprinzip" dienen. Dieser erbitterte Kampf kann ein prinzipieller Kampf werden, der die Frage darüber, wer die Ernennung bestimmt und von wo sie ausgeht, belanglos erscheinen lässt

Die Ablehnung des Prinzips der Ernennung, als einer praktischen Methode, den Apparat des Verkehrswesens und des gewerkschaftlichen Verbandes selbst zu stärken, bedeutet ein Bestreben, das Verkehrswesen in den engen Rahmen der zünftigen Beschränktheit Jener zu zwingen, die uns von der Vergangenheit hinterlassen worden sind. Das ist eine absolut falsche Tendenz, die es uns zur Unmöglichkeit macht, den gewerkschaftlichen Verband in einen Produktionsverband umzugestalten. Wenn wir, von der Mitarbeit der leitenden kommunistischen Partei ausgehend, bei der Bildung des neuen Verbandes eine Weiterentwicklung des Staates erstreben, so wird die erste unaufschiebbare Aufgabe auf diesem Wege die Auffindung solcher Arbeiter aus anderen Arbeitsgebieten sein, die die Arbeit im Verkehrswesen steigern können. Daher das „Ernennungsprinzip", d. h. die Verteilung von Arbeitskräften auf verschiedenen wichtigen Posten. Diese Methode verneinen, gegen das Ernennungsprinzip kämpfen, indem man ihm das Wahlprinzip entgegenstellt – heißt den Klassencharakter des Staates vergessen, heißt das wiederholen, was einem Staate gegenüber angebracht war, der ein Staat unserer Klassengegner war, z. B. in der Epoche Kerenskis. Dies ist unrichtig in einer Epoche, in der die Arbeiterklasse selbst herrscht.

Es finden sich Elemente, die die ernannten Beamten zu bekämpfen suchen. Das ist Abklatsch vom Trade-Unionismus. Die alten gewerkschaftlichen Verbände kämpften um den Anteil der Arbeiter am nationalen Gewinn, der ja vom Arbeiter geschaffen wurde. Die jetzigen Gewerkschaften können nur um die Steigerung der Produktivität der Arbeit kämpfen, denn nur auf dieser Grundlage ist eine Besserung der Lage der Arbeitermassen möglich.

Wir kehren wieder zu der Frage des sogenannten Bürokratismus zurück, der im Leben aller Produktionsorganisationen eine so große Rolle spielt. Genossen, ich erkläre in Paranthese, dass ich den Bürokratismus in unsern Sowjetorganisationen als etwas tatsächlich Vorhandenes anerkenne und sogar der Erfinder des jetzt vielfach angewendeten neuen Terminus „Hauptstellen-Autokratie" bin. Aber jener Kampf, der gegen den Bürokratismus geführt wird, ist auf dem trade-unionistischen Vorurteil, auf dem Nichtverstehen der Aufgabe eines Arbeiterstaates aufgebaut. Ich bekam gelegentlich von einigen Gewerkschaftlern Äußerungen zu hören, dass das „Zentralkomitee des Transportes" jetzt in mancher Hinsicht vielleicht besser arbeite, aber es herrsche dort ein solches Kanzleisystem, dass der Arbeiter, der dort hinkommt, ganz irre wird. Wenn wir uns zur Aufgabe machen, die Produktion als Ganzes zu beherrschen, Arbeits- und Befähigungslisten zu führen, eine Änderung des leitenden gewerkschaftlichen Verbandes vorzunehmen, so ist es klar, dass der Verband auf neuen, wissenschaftlich organisierten Grundlagen aufgebaut werden muss. Er muss mit dem Umbau seines leitenden Zentralapparates beginnen, und man darf den Durchschnittsarbeiter nicht dadurch vor den Kopf stoßen, dass wir eine große Kanzlei haben, sondern man muss ihm diese Einrichtungen verständlich machen. Es ist für uns eine Frage des Lebens, denn der Dilettantismus herrscht bei uns auf allen Gebieten, darunter auch in den gewerkschaftlichen Verbänden, und Abneigung und Vorurteil gegen präzise Organisation finden sich unbewusst bei manchem Arbeiter und sogar bei manchem Kommunisten. Ich halte es für eine große Errungenschaft, dass das Zentralkomitee des Transportes sich einen guten Apparat im Zentrum geschaffen hat. Es ist der Anfang zur notwendigen Registration aller Kräfte und Mittel.

Bürokratismus liegt nicht darin. Unter Bürokratismus versteht man das, was ich „Hauptstellen-Autokratie" genannt habe. Diese Art Autokratie hat sehr viele negative Seiten, aber sie ist ein Übergangsmoment im Aufbau der sozialistischen Wirtschaft. Metalle, Lebensmittel, Transport – alles ist registriert, nationalisiert, vereinigt worden. Man errichtete vertikal aufstrebende Hauptstellen, zwischen welchen es keine genügende Anzahl von Übergängen gibt, derart, dass alle Produkte, Menschen, Mittel, Ideen nicht nach kürzesten Verbindungslinien von einer Hauptstelle zur andern wandern können und der Stoffwechsel im wirtschaftlichen Prozess Hemmungen erleidet. Das ist eine Aufgabe. Haben wir sie gelöst oder nicht? Wir sind gerade dabei. Die wichtigste Frage ist die materielle Not, die Armut. Hier treten wir an den Kern der Meinungsverschiedenheiten heran. So unglaublich es klingen mag, aber man sieht in der allgemeinen Not eine Folgeerscheinung des Sowjet-Bürokratismus. Wenn man in einem Betriebe oder Werke 2000 Paar Stiefel zu bekommen hat und sie nicht immer bekommt, und die Arbeiter die Verwaltung, das Werkkomitee, das Fabrikkomitee oder den Kommissar mit Forderungen bestürmen und mit Fäusten bedrohen, wenn sie das Geforderte nicht erhalten – was antwortet ihnen dann das Werk- oder das Fabrikkomitee? Es antwortet ihnen, dass der Krieg im Lande sei und alles für die Rote Armee verwendet werden müsse. Sie hören die Argumente an und fordern trotzdem Stiefel oder Lebensmittel. Wenn die Hauptstelle über zehntausend Paar Stiefel verfügt und auf diese zehntausend Paar eine Million Forderungen vorliegen, so wird die Hauptstelle einen Monat lang nachdenken, wem sie die Stiefel geben soll, und wenn sie sich dann endlich entschließt, so wird sie doch nur ein Hundertstel der Not befriedigen können. Die andern, wissend, dass etwas verteilt worden ist, werden die Hauptstelle des Bürokratismus beschuldigen. Daran sind die gewerkschaftlichen Verbände schuld. Ich lenke die Aufmerksamkeit auf die Unzulässigkeit einer solchen Fragestellung. Natürlich, wenn man mich über den Bürokratismus befragen würde, so würde ich sagen: es fehlen Euch 2000 Paar Stiefel; wenn es keinen Bürokratismus geben würde, .so würdet Ihr vielleicht 50 Paar Stiefel bekommen, aber die andern 1950 Paar würdet Ihr nicht bekommen. Und die Vertreter unseres Verbandes und der übrigen, die der hungrigen bedürftigen Masse gegenüberstehen, können zwei Wege einschlagen: den Weg der trade-unionistischen Agitation und den der Produktionsagitation. Die grundlegende Aufgabe besteht darin, dass die Produktivität der Arbeit gesteigert werden muss, also – der rationelle Gewinn der Massen muss größer werden. Der trade-unionistische Gesichtspunkt, der zu Hetzereien des einen gegen den andern führt, bedeutet den Zerfall des gewerkschaftlichen Verbandes, seinen Tod. Der andere Gesichtspunkt, der produktive, richtet sich darauf, dass die Gewerkschaft die Produktion ergreift und die Produktivität der Arbeit steigert. Und wir sehen diese Art Gruppierungen in den Verbänden. Auch bei der gegenwärtigen Gesamtlage können die gewerkschaftlichen Verbände zu einem leistungsfähigen Apparat werden, der gegen Opportunismus und Vorurteile weniger entwickelter Massen ankämpfen kann, um zum wichtigsten Organ zu werden. Ein Drittes gibt es nicht. Ein Zwischenstadium des gewerkschaftlichen Verbandes zerstört diesen.

Das Zentralkomitee des Transportes hat die beste Richtung eingeschlagen, die ein Produktionsverband einschlagen kann. Die alten Arbeitsmethoden hatten viele bürokratische Elemente, von denen sich unsere Mitarbeiter, die die alte Schule mit ihren Mängeln, aber auch Vorzügen passiert haben, befreien müssen. Ich schrieb es kürzlich nieder und kann es jederzeit bekräftigen, dass wir oft genug nicht so sehr unter den schlechten Seiten des Bürokratismus leiden, als darunter, dass wir uns seine guten Seiten nicht angeeignet haben. Bürokratismus ist nicht eine Erfindung des russischen Zarismus. Es gibt eine deutsche, eine amerikanische Bürokratie, die gewisse Arbeitsmethoden ausgearbeitet hat: Nationalisierung, Taylorismus, Verantwortungsformen, Versorgungsformen u. a. m. Gleichzeitig bin ich bereit, anzuerkennen, dass jene Methoden, die das Zentralkomitee angenommen, von einer Anschauung ausgehen, die sich in einer Reihe von Handlungen, Urteilen und organisatorischen Rücksprachen ausdrückt und als die einzige Methode unseres Verbandes gelten kann. Der Verband musste von der gewerkschaftlichen Einstellung auf die der Produktion übergehen. Es gibt Elemente unter den Leitern des Verbandes, oben wie unten, die nicht begriffen haben, dass das Kriterium der Produktion das entscheidende Kriterium ist. Man muss in jedem Verband zwei Fraktionen gründen – die Fraktion der Produktion und die Fraktion der Gewerkschaftler vom alten Typus. Ich zweifle nicht, dass wir mit diesen zwei Gruppen einen großen Sieg erringen werden; aber der Kampf dieser beiden Gruppen miteinander bedeutet eine große Vergeudung von Kräften der Arbeiterklasse. Es geht nicht an, dass die eine Fraktion die andere vom Posten verdrängt. Hier mische ich mich ein und befehle: statt einer sind zwei Fraktionen notwendig. Diese Periode des Kampfes zweier Gruppen suche ich einzuengen, zu ökonomisieren, zu verkürzen, ich mische mich ein, ich befehle. Dieses Prinzip verneinen, heißt den normalen Arbeiterstaat verneinen. Die Einmischung staatlich-leitender Parteien in den inneren Kampf der gewerkschaftlichen Verbände, der Eisenbahner, der Arbeiter des Seetransports, hat nicht nur ihre historische Berechtigung, sie wird von der Notwendigkeit des Lebens vorgeschrieben.

Es gibt keinen Menschen von gesundem Verstande, der nicht begreifen würde, dass wir bei geringster Besserung der Verhältnisse die entbehrlichen Kräfte aus der Armee nehmen und an die Transportarbeit geben werden, dass wir den Rahmen der Organisation sofort erweitern werden, um tüchtige Arbeiter in alle Gebiete des Transports einsetzen zu können.

Hier treten wir an die Frage der Arbeiterdemokratie heran, die im gewerkschaftlichen Verbande eine ungeheure Rolle spielt, viel mehr als in der Partei und die nur durch den gewerkschaftlichen Verband gelöst werden kann. Die Frage der Arbeiterdemokratie und ihre Lösung hängt von den Verhältnissen ab.

Ich sagte in Arbeiterversammlungen in Moskau, dass es, als die 30. und 51. Division vor Perekop standen, keine Zeit zu Diskussionen darüber gab, ob man weiter gehen oder stehen bleiben solle, da musste man eben durchbrechen. Aber wenn wir die 30. Division ins Hinterland verlegen werden, so werden die Soldaten ihre Vorgesetzten kritisieren, und wir müssen ihnen das alles erklären und aufklärende Arbeit tun. Die Arbeiter- und Bauernarmee ist nicht Material im militaristischen Sinne des Wortes. Immer weniger brauchen wir in unserer Armee repressive Maßnahmen anzuwenden, immer mehr genügt die innere psychologische Bindung zur Beeinflussung der Massen, um so mehr, als die Militarisierung des Transportes, die auch eine Militarisierung des gewerkschaftlichen Verbandes ist, von der drohenden Not des Landes vorgeschrieben wird. Im vorigen Herbst, im Winter und dieses Frühjahr standen wir vor dem Perekop des Verkehrswesens, wir diskutierten da nicht, sondern dekretierten den Kriegszustand des Transportes. Können wir sagen, dass die Gefahr vorüber ist? Sie ist nicht mehr so scharf fühlbar. Was sollen wir tun? Derselbe heroische Aufwand, dieselbe Hingebung an die Sache des Transportes, müssen diesmal aufgebracht werden, wie sie die Genossen an der Perekopfront in schwerster Stunde bewiesen haben.

Wenn wir von Militarisierung des Transports sprechen, so bedeutet es, dass alle Arbeiter dieses Gebietes sich der Sache hingeben müssen. Vom Erfolg hängt das Leben des Landes ab.

Ich sprach davon, dass in der nächsten Periode dank der Auflösung eines Teils der Armee eine Besserung in der Lage der arbeitenden Massen zu hoffen ist. Jede Arbeitergruppe, muss ihre Vertreter von diesem Gesichtspunkte aus bewerten – was haben sie mit ihren örtlichen Mitteln zur Besserung der Lage zu tun vermocht, was haben sie zur Steigerung der Produktion getan? Nur wenn der Arbeiterverband administrative, technische Elemente aus anderen Gebieten heranziehen, wenn er den wirtschaftlichen Apparat mit dem gewerkschaftlichen zusammenschweißen und sich selbst umformen kann, wird er eine Arbeiterdemokratie schaffen, nur auf diese Weise wird der Parallelismus von Verbandsinstitutionen und Sowjet-Organen verschwinden. Dass der Verband jetzt einzelne Produktionsabteilungen organisiert, ist eine vorübergehende Maßnahme. Sie sind nur Fühler, die sich vom Verbande zu den wirtschaftlichen Sowjetorganen strecken, um den Verschmelzungsprozess zu erleichtern. Aber in jeder dieser Zellen muss der entsprechende Vertreter der wirtschaftlichen Abteilung sein; alle diese Fragen müssen gemeinsam besprochen werden. Die leistungsfähigen Arbeiter müssen nicht aus den Verbänden heraus-, sondern in die Verbinde hineingezogen werden. Auf diese Weise wird der Abgrund verschwinden zwischen jenen, die spezielle Kenntnisse erhalten haben, und denen, die administriert wurden – das ist die wesentliche Aufgabe des zentralen Transportkomitees. Der Kampf aber, der in gewerkschaftlichen Verbänden geführt wird, – er weist viele zufällige Elemente auf, die nicht ernst zu nehmen sind.

Wenn wir mit diesen Anschauungen zu den Massen gehen werden, so bangen wir nicht um den Erfolg. Wir werden der Masse das Wesentliche verstehen lehren. Das Wesentliche besteht darin, dass wir zu einer neuen Epoche, der wirtschaftlichen, gekommen sind, zu der Produktionsepoche. Daher sagen wir zu den Arbeitermassen: Kontrolliert uns, aber eignet Euch das neue Kriterium an. Früher mussten Eure Führer gute Streikleiter sein. Das ist auch jetzt nötig; aber das allein genügt nicht, sie müssen aufbauende Agitatoren, wirtschaftliche Organisatoren sein, die die Produktivität steigern. Wer die Anzahl der Stiefel, die Menge des Brotes, der Kohle vergrößern wird, der wird der rechte Führer der Arbeiterklasse sein, und jenes Banner, das wir über dem Vaterlande entrollen, ist das Banner der wirtschaftlichen Wiedergeburt. Die Arbeiterklasse wird nicht den trade-unionistischen Kurs einschlagen, sondern den wirtschaftlichen und den Mann zu ihrem Mann machen, der ein Schöpfer ist, der der Masse den Ausweg aus der wirtschaftlichen Not sichern kann.


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