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Leo Trotzki 19230321 Eine notwendige Auseinandersetzung mit den syndikalistischen Kommunisten

Leo Trotzki: Eine notwendige Auseinandersetzung mit den syndikalistischen Kommunisten

[Nach Internationale Presse-Korrespondenz, 3. Jahrgang Nr. 66 und 67 (18. und 20. April 1923), S. 529 f. und 538 f.]

Dieser Artikel wurde als Antwort auf die Ausführungen des Genossen Louzon, gleich nach dem IV. Weltkongress der Kommunistischen Internationale geschrieben. Damals lenkte aber der; Kampf gegen die sozialistische Rechte, gegen die Dissidenten zweiter Garnitur, Verfeuil, Frossard usw., die Aufmerksamkeit auf sich. In diesem Kampf gingen wir mit den syndikalistischen Kommunisten zusammen, und ich zog es vor, die Veröffentlichung dieses Artikels hinauszuschieben. Wir sind fest überzeugt, dass unser gutes Einvernehmen mit den revolutionären Syndikalisten nicht aufhören wird. Der Beitritt unseres alten Freundes Monatte zur Kommunistischen Partei war für uns eine große Freude; Die Revolution braucht Männer dieser Art. Aber es wäre falsch, eine Annäherung mit einer Verwirrung der Gedanken zu bezahlen. Im Laufe der letzten Monate hat sich die Kommunistische Partei Frankreichs gereinigt und gefestigt; deshalb können wir uns ruhig und freundschaftlich mit den syndikalistischen Genossen auseinandersetzen, mit denen zusammen wir noch lange gemeinsame Kämpfe zu führen haben werden.

Der Genosse Louzon hat in einer Reihe von Artikeln und persönlichen Erklärungen in Bezug auf die Grundfrage des Verhältnisses zwischen Partei und Gewerkschaften Anschauungen vertreten, die radikal verschieden von den Meinungen der Kommunistischen Internationale und des Marxismus sind. Französische Genossen, deren Meinung ich zu respektieren gewohnt bin, sprechen vom Genossen Louzon und seiner Ergebenheit für das Proletariat mit einer großen Achtung. Um so notwendiger ist es, seine Irrtümer in einer so wichtigen Frage zu bekämpfen. Genosse Louzon verteidigt die vollständige und bedingungslose Unabhängigkeit der Gewerkschaften. Gegen wen? Offenbar gegen gewisse Anschläge. Wessen? Gegen Anschläge, die man der Partei zuschreibt. Der Gewerkschaftsautonomie, deren Notwendigkeit unbestreitbar ist, gibt Louzon eine gewisse absolute, geradezu mystische Bedeutung. Und unser Genosse beruft sich dabei, sehr mit Unrecht, auf Marx. Die Gewerkschaften, sagt Louzon, vertreten die „Arbeiterklasse als Ganzes". Die Partei aber ist nur die Partei. Die Arbeiterklasse als Ganzes kann der Partei nicht untergeordnet sein. Es kann nicht einmal eine Gleichheit zwischen beiden geben. Die Arbeiterklasse hat ihr Ziel in sich selbst, die Partei kann nur entweder ihr dienen, oder sich selbst dienen. Die Partei kann nicht die Arbeiterklasse annektieren. Die Moskauer Kongresse und die gegenseitige Vertretung der Kommunistischen Internationale und der Roten Gewerkschafts-Internationale, beieinander bedeuteten nach Louzon. die tatsächliche Gleichstellung der Partei und der Klasse. Diese gegenseitige Vertretung ist nun aufgehoben. Die Partei kehrt damit in ihre dienende .Rolle zurück. Genosse Louzon billigt das. Das ist nach seiner Meinung auch der Standpunkt von Marx. Das Ende der gegenseitigen Vertretung der politischen und der gewerkschaftlichen Internationale beieinander ist für Louzon die Verwerfung der Irrtümer Lassalles (!) und der Sozialdemokraten (!) und die Rückkehr zu den Grundsätzen von Marx.

Das ist der wesentliche Inhalt eines Artikels, der in der „Vie Ouvrière" vom 15. Dezember erschien. Das Erstaunlichste in diesem Artikel und in anderen entsprechenden Artikeln ist, dass der Verfasser offenbar ganz bewusst und fest seine Augen für das verschließt, was in Frankreich vorgeht. Man konnte meinen, dass der Artikel auf dem Sirius geschrieben ist. Wie könnte man sonst die Behauptung verstehen, dass die Gewerkschaften die Arbeiterklasse als Ganzes vertreten? Von welchem Lande spricht denn Louzon? Wenn er Frankreich meint, so sind dort die Gewerkschaften, soweit unsere Informationen reichen, leider nicht einmal die Hälfte der Arbeiterklasse. Die verbrecherischen Manöver der reformistischen Gewerkschafter, die links von einigen Anarchisten unterstützt wurden, haben die französische Gewerkschaftsorganisation gespalten Jeder der beiden Gewerkschaftsbünde umfasst nicht mehr als 300.000 Arbeiter. Weder der eine noch der andere, noch beide zusammen sind berechtigt, sich mit dem gesamten französischen Proletariat zu identifizieren, von dem sie nur einen bescheidenen Teil darstellen. Überdies haben die beiden Gewerkschaftsorganisationen eine verschiedene Politik. Der reformistische Gewerkschaftsbund arbeitet mit der Bourgeoisie zusammen; der Einheitsgewerkschaftsbund [CGT unitaire] ist erfreulicherweise revolutionär. In diesem Einheitsgewerkschaftsbund vertritt Louzon eine Richtung. Was soll also seine Behauptung, dass die Arbeiterklasse, die er offenbar mit der Gewerkschaftsorganisation gleich setzt, ihr Ziel in sich selbst trage. Mit wessen Hilfe und wie druckt die französische Arbeiterklasse dieses Ziel aus? Mit Hilfe der Organisation von Jouhaux? Sicher nicht. Mit Hilfe des Einheitsgewerkschaftsbundes? Dieser hat bereits seine großen Verdienste. Aber er ist leider noch nicht die ganze Arbeiterklasse. Der Einheitsgewerkschaftsbund wurde ursprünglich von den anarchistischen Syndikalisten des „Paktes" geführt. Gegenwärtig wird er von den syndikalistischen Kommunisten geleitet. In welcher der beiden Perioden hat der Einheitsgewerkschaftsbund am besten die Interessen der Arbeiterklasse vertreten? Wer will das abwägen? Wenn wir nun versuchen, mit Hilfe der internationalen Erfahrungen unserer Partei diese Frage zu beantworten, so kommen wir damit, nach Louzon, in eine gefährliche Klemme, denn wir verlangen von der Partei, dass sie über die für die Arbeiterklasse nützliche Politik urteilen soll. Und wir stellen damit die Partei über die Arbeiterklasse. Wenn wir uns aber an die Arbeiterklasse im Ganzen wenden sollen, so würden wir sie leider zersplittert, ohnmächtig und stumm finden. Die verschiedenen Gewerkschaftsbünde, ihre einzelnen Gewerkschaften, und die einzelnen Gruppen innerhalb der Gewerkschaften würden uns verschiedene Antworten geben. Aber die erdrückende Mehrheit des Proletariats, die außerhalb beider Gewerkschaftsbunde steht, würde uns gegenwärtig überhaupt nicht antworten.

In keinem Land umfasst die Gewerkschaftsorganisation die ganze Arbeiterklasse. Aber in einigen Ländern umfasst sie wenigstens einen sehr großen Teil von ihr. In Frankreich ist das nicht der Fall. Wenn die Partei, nach Louzon, die Arbeiterklasse nicht „annektieren" darf (aber was soll der Ausdruck eigentlich bedeuten?), aus welchem Grund gibt Genosse Louzon dieses Recht dem Syndikalismus? Er kann uns antworten: „Unsere Gewerkschaftsorganisation ist noch schwach. Aber wir zweifeln nicht an ihrer Zukunft und an ihrem endgültigen Sieg." Darauf würden wir antworten: „Sicherlich; auch wir teilen diese Überzeugung. Aber wir zweifeln ebenso wenig daran, dass die Partei das unbedingte Vertrauen der großen Mehrheit der Arbeiterklasse gewinnen wird." Es handelt sich für die Partei wie für die Gewerkschaften nicht darum, das Proletariat zu „annektieren" – mit Unrecht gebraucht Louzon den Ausdruck, dessen sich unsere Gegner im Kampf gegen die Revolution bedienen –, sondern sein Vertrauen zu gewinnen. Das kann man nur mit einer richtigen, durch die Erfahrung erprobten Taktik. Wo und durch wen wird diese Taktik bewusst, überlegt und kritisch vorbereitet? Wer schlägt sie der Arbeiterklasse vor? Sie fällt wahrlich nicht vom Himmel. Und die Arbeiterklasse als Ganzes, als Ding an sich, lehrt sie uns auch nicht. Genosse Louzon hat, wie uns scheint, diese Frage nicht gestellt. „Das Proletariat hat sein Ziel in sich selbst." Wenn wir diesen Satz seiner mystischen Umhüllung entkleiden, so will er offenkundig sagen, dass die historischen Aufgaben des Proletariats durch die soziale Lage der Klasse und durch ihre Rolle in der Produktion, in der Gesellschaft und im Staat bestimmt sind. Das ist ganz unbestreitbar. Aber diese Wahrheit hilft uns nicht die Frage beantworten, die uns interessiert. Nämlich: wie kommt das Proletariat zu der subjektiven Einsicht über die historische Aufgabe, die ihm durch seine objektive Lage gestellt ist? Würde das Proletariat als Ganzes seine historische Aufgabe erfassen können, s« brauchte es weder Partei noch Gewerkschaft. Die Revolution würde zusammen mit dem Proletariat geboren werden. In Wahrheit ist der Prozess, der das Proletariat zur Einsicht über seine historische Mission bringt, sehr lang und schmerzlich und voll innerer Widersprüche.

Erst im Verlauf langer Kämpfe, schwerer Prüfungen, vieler Schwankungen und großer Erfahrungen bricht sich die Einsicht über die richtigen Wege und Methoden in die Köpfe der besten Elemente der Arbeiterklasse, die ihre Vorhut darstellen, Bahn. Das trifft auf die Partei genau so zu wie auf die Gewerkschaften. Auch die letzteren beginnen als kleine Gruppen aktiver Arbeiter und wachsen allmählich, indem sie durch die Erfahrung das Vertrauen der Massen gewinnen. Während aber die revolutionären Organisationen kämpfen, um den Einfluss auf die Arbeiterklasse zu gewinnen, treten ihnen die bürgerlichen Ideologen entgegen und stellen die „Arbeiterklasse als Ganzes" der Partei und den Gewerkschaften entgegen und schuldigen diese an, dass sie die Arbeiterklasse „annektieren". Der „Temps" schreibt das bei jedem Streik. Mit anderen Worten, die bürgerlichen Ideologen setzen die Arbeiterklasse als Objekt der Arbeiterklasse als bewusstes Subjekt entgegen. Denn nur durch ihre klassenbewusste Minderheit wird die Arbeiterklasse allmählich zu einem Faktor der Geschichte. So sehen wir, dass die Kritik des Genossen Louzon gegen die „unberechtigten Ansprüche" der Partei ganz ebenso die unberechtigten Ansprüche der Gewerkschaften trifft. Vor allem in Frankreich; denn der französische Syndikalismus – das müssen wir wiederholen – war und ist in seiner Organisation und Theorie ebenfalls eine Partei. Deshalb ist er auch in seiner klassischen Periode, 1905 bis 1907, zu der Theorie der aktiven Minderheit und nicht zu der Theorie des „gesamten Proletariats gekommen. Denn was ist eine aktive Minderheit, die durch die Einheit der Auffassung zusammengehalten wird, anderes als eine Partei? Und auf der anderen Seite: wäre nicht eine gewerkschaftliche Massenorganisation, ohne klassenbewusste Minderheit in ihr, eine rein formale inhaltslose Organisation?

Die Tatsache, dass der französische Syndikalismus eine Partei war, fand seine völlige Bestätigung in der Spaltung, die eintrat, als sich die Abweichungen im politischen Standpunkt in seinen Reihen zeigten. Aber die Partei des revolutionären Syndikalismus hat Furcht vor der Abneigung, die die Parteien als solche den französischen Arbeitermassen einflößen. So hat sie den Namen Partei nicht angenommen und ist, was die Organisation betrifft, unvollendet geblieben. Die Partei versuchte, ihre eigene Mitgliedschaft mit der der Gewerkschaften zusammenfallen zu lassen oder doch mindestens in den Gewerkschaften eine Deckung zu finden. So erklärt sich die tatsächliche Unterordnung der Gewerkschaften unter gewisse Richtungen, Fraktionen oder selbst Cliquen des Syndikalismus. So erklärt sich der „Pakt" mit seinem karikierten Freimaurertum, der eine Parteiorganisation im Schoße der Gewerkschaftsorganisation zusammenhalten sollte. Ebenso umgekehrt: Die Kommunistische Internationale hat tatsächlich aus allen Kräften die Spaltung der Gewerkschaftsbewegung in Frankreich, d. h. ihre tatsächliche Umwandlung in eine syndikalistische Partei, bekämpft. Die Kommunistische Internationale hat in erster Linie die historische Aufgabe der Arbeiterklasse als Ganzes und die enorme selbständige Bedeutung der Gewerkschaftsorganisationen für die Lösung der Aufgaben des Proletariats berücksichtigt. In dieser Beziehung hat die Kommunistische Internationale seit ihrem Bestehen die wirkliche, lebendige Selbständigkeit der Gewerkschaften im Geiste des Marxismus verteidigt.

Der revolutionäre Syndikalismus, der in Frankreich in vieler, Beziehung der Vorläufer des gegenwärtigen Kommunismus war, hat sich zu der Theorie der aktiven Minderheit, d. h. der Partei, bekannt, ohne offen eine Partei zu werden. Dadurch hat er zugleich die Gewerkschaften gehindert, wenn nicht eine Organisation der Arbeiterklasse im ganzen (was im kapitalistischen System nicht möglich sein wird), so doch wenigstens ihrer großen Massen zu werden. Die Kommunisten haben vor dem Wort „Partei" keine Angst, weil ihre Partei nichts gemein hat und nichts gemein haben wird mit den anderen Parteien. Denn ihre Partei ist keine der politischen Parteien des bürgerlichen Systems, sondern es ist die aktive, klassenbewusste Minderheit des Proletariats und seine revolutionäre Vorhut. Darum brauchen die Kommunisten sich weder in ihrer Ideologie, noch in ihrer Organisation hinter den Gewerkschaften zu verstecken. Sie missbrauchen die Gewerkschaften nicht zu Kulissenschiebungen. Sie spalten sie nicht, wenn sie dort in der Minderheit sind. Sie stören in keiner Weise die selbständige Entwicklung der Gewerkschaften und stützen sie in jeder Weise in der Aktion. Aber die Kommunistische Partei behält sich zugleich das Recht vor, über alle Fragen der Arbeiterbewegung, einschließlich der Gewerkschaftsfrage, ihre Meinung zu sagen, die Gewerkschaftstaktik zu kritisieren und den Gewerkschaften bestimmte Vorschläge zu machen, wobei es den Gewerkschaften zusteht, diese Vorschläge anzunehmen oder abzulehnen. Die Partei bemüht sich, das Vertrauen der Arbeiterklasse und vor allem ihrer in den Gewerkschaften organisierten Teile zu gewinnen.

Was bedeuten die Marx-Zitate, die Genosse Louzon angeführt hat? Marx schrieb tatsächlich 1868, dass die Arbeiterpartei aus den Gewerkschaften hervorgehen wird. Er hatte dabei vor allem England im Auge, das einzige entwickelte kapitalistische Land der damaligen Zeit, wo bereits große Arbeiterorganisationen bestanden. Seitdem ist ein halbes Jahrhundert vergangen. Die historische Erfahrung hat im allgemeinen die Prophezeiung von Marx, was England betrifft, bestätigt. Die englische Arbeiterpartei hat sich tatsächlich auf der Grundlage der Gewerkschaften gebildet. Aber denkt Genosse Louzon wirklich, dass die englische Arbeiterpartei, wie sie heute ist, geführt von den Henderson und Clynes, als Vertreterin der Interessen des Proletariats im Ganzen angesehen werden kann? Sicher nicht. Die englische Arbeiterpartei übt Verrat an den Interessen des Proletariats, ebenso wie die Gewerkschaftsbürokratie, obwohl die Gewerkschaften in England näher als irgendwo sonst daran sind, die Arbeiterklasse als Ganzes zu umfassen. Auf der anderen Seite kann man nicht daran zweifeln, dass unser kommunistischer Einfluss in der englischen Arbeiterpartei, die aus den Gewerkschaften hervorging, wachsen wird, dass dies dazu beitragen wird, innerhalb der Gewerkschaften den Kampf der Massen und der Spitzen zu verschärfen, bis am Ende die verräterische Bürokratie davon gejagt wird, und die Partei sich so vollkommen umgestaltet und erneuert. Und wir gehören ebenso wie der Genosse Louzon einer Internationale an, die die kleine Kommunistische Partei Englands umfasst, aber die 2. Internationale bekämpft, die sich auf die englische, aus den Gewerkschaften hervorgegangene Arbeiterpartei stützt.

In Russland – und Russland ist im Rahmen der Gesetze der kapitalistischen Entwicklung das gerade Gegenteil von England ist die Kommunistische Partei, die frühere Sozialdemokratische Partei, älter als die Gewerkschaften und hat die Gewerkschaften erst geschaffen. Heute stehen in Russland die Gewerkschaften und der Arbeiterstaat vollkommen unter dem Einfluss der Kommunistischen Partei, die durchaus nicht aus den Gewerkschaften hervorging, sondern sie ja im Gegenteil geschaffen und erzogen hat. Will Genosse Louzon behaupten, dass Russland sich im Gegensatz zu Marx entwickelt hat? ist es nicht einfacher, zu sagen, dass das Urteil von Marx über den Ursprung der Partei aus der Gewerkschaft, wie die Erfahrung lehrt, auf England, und auch da nicht vollkommen, zutrifft? Aber dass Marx durchaus nicht das aufstellen wollte, was er selbst einmal verächtlich „ein überhistorisches Gesetz" nannte? Alle anderen Länder Europas, Frankreich eingeschlossen, stehen in dieser Frage zwischen England und Russland. In einigen Ländern waren die Gewerkschaften älter als die Partei, in anderen war das Gegenteil der Fall, aber nirgends, außer in England und zum Teil in Belgien, ist die Partei des Proletariats aus den Gewerkschaften hervorgegangen. Auf jeden Fall hat sich keine Kommunistische Partei organisch aus den Gewerkschaften entwickelt. Soll man aber deshalb erklären, dass die Kommunistische Internationale zu Unrecht entstanden ist? Als die englischen Gewerkschaften abwechselnd sie Konservativen und Liberalen unterstützten und gewissermaßen ein Arbeiteranhängsel dieser Parteien darstellten, und als die politische Organisation der deutschen Arbeiter noch weiter nichts war als der linke Flüge! der Demokratischen Partei, während die Lassalleaner und Eisenacher sich stritten, da forderte Marx die Unabhängigkeit der Gewerkschaften von allen Parteien. Diese Formel war von dem Wunsch diktiert, die Arbeiterorganisationen allen bürgerlichen Parteien entgegenzustellen und sie nicht zu eng mit den sozialistischen Sekten zu verbinden. Aber Genosse Louzon erinnert sich vielleicht daran, dass Marx auch die I. Internationale gegründet hat, deren Ziel es war, die Arbeiterbewegung aller Länder in jeder Hinsicht zu leiten und zu befruchten. Das war 1864, und die Internationale, die Marx schuf, war eine Partei. Marx wollte nicht so lange warten, bis sich irgendwie von selbst aus den Gewerkschaften die Internationale Partei der Arbeiterklasse bildete. Er tat alles, um in den Gewerkschaften den Einfluss des wissenschaftlichen Sozialismus zu stärken, wie er zum ersten Male 1847 im Manifest der Kommunistischen Partei dargelegt worden war. Wenn Marx für die Gewerkschaften eine vollständige Unabhängigkeit von den Parteien und Sekten des Bürgertums und Kleinbürgertums forderte, so tat er das, um es dem wissenschaftlichen Sozialismus um so leichter zu machen, die Herrschaft in den Gewerkschaften zu erringen. Marx hat niemals in der Partei des wissenschaftlichen Sozialismus eine von den gewöhnlichen, parlamentarischen, demokratischen politischen Parteien gesehen. Die Internationale war für Marx die klassenbewusste Arbeiterschaft, vertreten durch ihre damals freilich recht kleine Vorhut.

Wenn Genosse Louzon in seiner Gewerkschaftsmetaphysik und in seiner Marx-Auslegung konsequent sein wollte, so müsste er sagen: „Verzichten wir auf die Kommunistische Partei und warten wir ab, bis diese Partei aus den Gewerkschaften entsteht." Aber eine solche Konsequenz wäre tödlich für die Partei und die Gewerkschaften zugleich. Denn die gegenwärtigen französischen Gewerkschaften können nur dann ihre Einheit wieder gewinnen und entscheidenden Einfluss auf die Massen erringen, wenn ihre besten Elemente sich in der klassenbewussten revolutionären Vorhut des Proletariats, d. h. in einer Kommunistischen Partei, befinden. Marx hat die Frage nach den Beziehungen zwischen Partei und Gewerkschaft nicht endgültig beantwortet, und er konnte das auch gar nicht. Denn diese Beziehungen hängen jederzeit von den verschiedensten Umständen ab. Ob die Partei und der Gewerkschaftsbund gegenseitig in ihren Zentralen vertreten sind oder ob sie im Fall der Not gemeinsame Aktionsausschüsse bilden, das ist keine Frage von entscheidender Bedeutung. Die Organisationsformen können sich ändern, aber die entscheidende Rolle der Partei bleibt unveränderlich. Die Partei, wenn sie diesen Namen verdient umfasst die Vorhut der Arbeiterklasse und befruchtet durch ihren ideologischen Einfluss alle Teile der Arbeiterbewegung und vor allem die Gewerkschaftsbewegung. Die Gewerkschaften aber, wenn sie ihren Namen verdienen, umfassen eine stets wachsende Masse von Arbeitern, darunter auch rückständige Elemente. Aber sie können ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn sie bewusst nach festen Grundsätzen geführt werden. Und diese Führung können sie nur dann haben, wenn ihre besten Elemente in der Partei der proletarischen Revolution vereinigt sind.

Die Reinigung der Kommunistischen Partei Frankreichs, die sie von weinerlichen Kleinbürgern, von Salonphrasenhelden, von politischen Hamlets und widerlichen Karrieremachern befreite auf der einen Seite, die Annäherung der Kommunisten und der revolutionären Syndikalisten auf der anderen Seite, bedeuten zusammen einen großen Schritt vorwärts zur Schaffung angemessener Beziehungen zwischen den Gewerkschaftsorganisationen und der politischen Organisation und infolgedessen einen großen Fortschritt für die Revolution.

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