Die Auseinanderjagung der Konstituierenden Versammlung

Die Auseinanderjagung der Konstituierenden Versammlung.

Gleich in den ersten Tagen, wenn nicht in den ersten Stunden nach dem Umsturz, stellte Lenin die Frage der Konstituierenden Versammlung zur Debatte.

Man muss die Wahlen aufschieben," schlug er vor, „man muss sie aufschieben. Das Wahlrecht muss erweitert werden unter Einbeziehung der Achtzehnjährigen. Man muss Zeit gewähren, die Wahllisten zu erneuern. Unsere eigenen Listen sind ganz untauglich. Es sind eine Menge hergelaufener Intellektueller darin, während wir Arbeiter und Bauern brauchen. Die Kornilow-Leute, die ,Kadetten' 1 müssen wir als außerhalb des Geseges stehend erklären." Ihm wurde darauf erwidert:

Eine Aufschiebung wäre zur Zeit ungünstig. Sie würde als eine Liquidierung der Konstituierenden Versammlung aufgefasst werden, um so mehr, als wir selber die provisorische Regierung einer Verschleppung der Konstituierenden Versammlung beschuldigt haben."

Das sind Nichtigkeiten!" meinte Lenin. „Von Belang sind nur Tatsachen, nicht Worte. Der Provisorischen Regierung gegenüber bedeutete die Konstituierende Versammlung einen Schritt vorwärts, oder besser, sie hätte ihn bedeuten können; der Sowjetmacht gegenüber, besonders bei den bestehenden Wahllisten, würde sie aber unweigerlich einen Schritt rückwärts bedeuten. Weshalb sollte eine Verlegung des Wahltermins ungünstig sein? Und wenn die Konstituierende Versammlung sich als kadettisch-menschewistisch-sozialrevolutionär erweisen wird, – wird das günstig sein?"

Bis dahin werden wir aber stärker sein," wandten die anderen ein, „während wir jetzt noch zu schwach sind. Von der Sowjetmacht weiß man in der Provinz so gut wie nichts. Und wenn auf dem Lande jetzt schon die Nachricht verbreitet wird, dass wir die Konstituierende Versammlung aufgeschoben hätten, dann würde uns das noch mehr schwächen." Gegen eine Aufschiebung der Wahlen trat besonders Swerdlow energisch auf, da er mehr als wir anderen mit der Provinz Fühlung hatte.

Lenin blieb mit seinem Standpunkt allein. Er schüttelte unzufrieden den Kopf und meinte wiederholt:

Ein Fehler, ein offenkundiger Fehler, der uns sehr teuer zu stehen kommen kann! Wenn dieser Fehler nur nicht der Revolution den Kopf kostet. …"

Als aber der Beschluss gefasst war: Keine Aufschiebung! konzentrierte Lenin seine ganze Aufmerksamkeit auf die organisatorischen Maßnahmen, die zur Verwirklichung der Konstituierenden Versammlung nötig waren. Inzwischen hatte es sich herausgestellt, dass wir in der Minderheit bleiben würden, selbst wenn wir die linken Sozialrevolutionäre mitrechneten, die mit ihren rechten Parteigenossen gemeinsame Listen hatten und gründlich hinters Licht geführt worden waren.

Man muss die Konstituierende Versammlung natürlich auseinander jagen", meinte Lenin. „Wie würden sich aber die linken Sozialrevolutionäre dazu verhalten?"

Wir wurden von dem alten Natanson beruhigt. Er machte uns einen Besuch, um „sich Rat zu holen", und seine ersten Worte waren:

Man wird wohl die Konstituierende Versammlung mit Gewalt nach Hause schicken müssen, was?"

Bravo!" rief Lenin, „was richtig ist, ist richtig! Werden aber die Euren mitmachen?"

Manche von uns schwanken noch, aber ich glaube, dass sie schließlich einverstanden sein werden", antwortete Natanson

Die linken Sozialrevolutionäre durchlebten damals den Honigmonat ihres äußersten Radikalismus: sie erklärten sich tatsächlich einverstanden.

Sollten wir es nicht so machen," schlug Natanson vor, dass Eure und unsere Fraktion in der Konstituierenden Versammlung dem Zentralen Exekutivkomitee des Sowjetkongresses angeschlossen werden und mit ihm zusammen einen Konvent bilden?"

Wozu?" antwortete Lenin mit sichtlicher Unzufriedenheit. „Zur Imitierung der französischen Revolution, was? Durch die Verjagung der Konstituierenden Versammlung befestigen wir das Sowjetsystem Bei Ihrem Plan aber würde alles durcheinander geraten: Weder das eine noch das andere."

Natanson versuchte zu beweisen, dass sein Plan dazu dienen würde, einen Teil der Autorität der Konstituierenden Versammlung auf uns zu übertragen. Er gab aber bald seinen Standpunkt auf.

Lenin widmete sich der Frage der Konstituierenden Versammlung mit allem Nachdruck.

Ein offensichtlicher Fehler", meinte er. „Wir haben bereits die Macht erobert und uns trotzdem in eine solche Lage gebracht, dass wir gezwungen sind, zu militärischen Maßnahmen zu greifen, um sie wieder zu erobern." Die Vorbereitung führte er mit größter Sorgfalt durch. Sich alle Einzelheiten genau überlegend, unterzog er Uritzki, der zu seinem Leidwesen zum Kommissar der Konstituierenden Versammlung bestellt war, einem eingehenden Verhör. Lenin traf unter anderem die Verfügung, dass eines der lettischen Regimenter mit einem besonders starken proletarischen Einschlag nach Petrograd gebracht wurde.

Der Bauer könnte eventuell noch schwankend werden", meinte er. „Da ist proletarische Entschlossenheit von Nöten"

Das Ende der Demokratie.

Die aus allen Ecken und Enden Russlands eingetroffenen bolschewistischen Abgeordneten der Konstituierenden Versammlung wurden auf das Drängen Lenins und unter der Leitung von Swerdlow auf die Fabriken, Betriebe und Truppenteile verteilt. Sie bildeten ein wichtiges Glied in dem organisatorischen Apparat der „ergänzenden Revolution" vom 5. Januar. Was die sozialrevolutionären Abgeordneten betrifft, so hielten sie es für unvereinbar mit der hohen Würde eines Volksvertreters, sich am Kampf zu beteiligen: „Das Volk hat uns gewählt, das Volk möge uns verteidigen."

Im Grunde genommen hatten diese Provinz-Philister keine Ahnung, was sie anfangen sollten, und die meisten hatten es einfach mit der Angst zu tun bekommen. Dafür aber hatten sie das Zeremoniell der ersten Sitzung sorgsam ausgearbeitet. Sie brachten Kerzen mit, für den Fall, dass die Bolschewiken das elektrische Licht auslöschten, und eine große Menge von Butterbroten, für den Fall, dass man sie ohne Nahrung lassen würde. Auf diese Weise bewaffnet, stellte sich die Demokratie zum Kampf mit der Diktatur – in voller Ausrüstung: mit Butterbroten und Kerzen. Das Volk dachte gar nicht daran, die zu unterstützen, die sich als seine Vertreter wähnten und in Wirklichkeit doch nur die Gespenster einer bereits erledigten Periode der Revolution darstellten.

Während der Liquidierung der Konstituierenden Versammlung war ich in Brest-Litowsk. Am Tage meiner Rückkehr nach Petersburg sagte mir Lenin über die Verjagung der Konstituierenden Versammlung: „Es war gewiss sehr riskant unsererseits, dass wir die Einberufung nicht auf einen späteren Termin verlegt hatten, – es war sehr, sehr unvorsichtig. Aber letzten Endes war es besser so. Die Verjagung der Konstituierenden Versammlung durch die Sowjetmacht bedeutet die offene und vollständige Liquidierung der formalen Demokratie im Namen der revolutionären Diktatur. Das wird eine nachhaltige Lektion sein." So ging die theoretische Beweisführung Hand in Hand mit der Verwendung des lettischen Schützenregimentes. Ohne Zweifel hatten jene Gedankengänge, die Lenin später, zur Zeit der ersten Komintern-Tagung in den bemerkenswerten Thesen über die Demokratie formuliert hat, bereits damals in seinem Bewusstsein endgültige Gestalt angenommen.

Die Kritik der formalen Demokratie hat bekanntlich ihre eigene lange Geschichte. Den zwiespältigen Charakter der Revolution von 1848 erklärten sowohl wir als auch unsere Vorgänger mit dem Schiffbruch der politischen Demokratie. An ihre Stelle sollte die „soziale" Demokratie treten. Die bürgerliche Gesellschaft verstand es aber, diese auf den Platz zu stellen, den die reine Demokratie bereits nicht mehr zu halten imstande war.

Die politische Geschichte machte eine längere Periode durch, in der die soziale Demokratie, von der Kritik der reinen Demokratie lebend, deren Funktion erfüllte und durch und durch von deren Lastern durchdrungen wurde. Es geschah, was in der Geschichte bereits mehrfach der Fall war: die Opposition zeigte sich dazu berufen, die Aufgaben, denen die kompromittierten Kräfte des gestrigen Tages nicht mehr gewachsen waren, auf eine konservative Art zu erfüllen.

Aus einer zeitlich bedingten Voraussetzung, bestimmt, der Vorbereitung der proletarischen Diktatur zu dienen, wurde die Demokratie zum obersten Kriterium, zur letzten Kontrollinstanz, zum unantastbaren Heiligtum, das heißt: zur größten Heuchelei der bürgerlichen Gesellschaft. So war es auch bei uns. Nachdem ihr der materielle Todesstoß im Oktober versetzt worden war, versuchte die Bourgeoisie im Januar, in der spukhaft-heiligen Gestalt der Konstituierenden Versammlung wieder aufzuerstehen. Die weitere siegreiche Entwicklung der proletarischen Revolution nach der offenen, handgreiflichen, derben Verjagung der Konstituierenden Versammlung versetzte der formalen Demokratie jenen Gnadenstoß, von dem sie niemals mehr auferstehen wird. Lenin war deshalb im Recht, als er sagte: „Es ist legten Endes besser, dass es so geschah."

Tschernows Iegter Auftritt.

In der Gestalt der Konstituierenden Versammlung erhielt die Februarrevolution die Gelegenheit, zum zweiten Mal zu sterben.

Auf dem Hintergrund meines Gesamteindrucks von dem offiziellen Februar-Russland, von dem damaligen menschewistisch-sozialrevolutionären Petersburger Sowjet, erhebt sich noch jetzt grell, als ob es erst gestern gewesen wäre, das Gesicht eines sozialrevolutionären Delegierten. Wer er war und woher er kam, das wusste ich nicht, noch weiß ich es heute. Dem Äußeren nach sah er aus wie ein Lehrer, der einmal ein braver Seminarzögling war. Ein stülpnasiges, fast schnurrbartloses, bebrilltes Gesicht, mit derben Backenknochen. Es war in jener Sitzung, als die sozialistischen Minister sich zum ersten Mal dem Sowjet vorstellten.

Tschernow setzte weitläufig, salbungsvoll, kokettierend und ekelerregend auseinander, weshalb gerade er und seine Genossen in die Regierung eingetreten waren und welche glücklichen Folgen sich daraus ergeben sollten. Ich entsinne mich besonders einer Phrase, die er bis zum Überdruss wiederholte: „Ihr habt uns in die Regierung hinein geholt, Ihr könnt uns auch wieder hinaussetzen." Der Seminarist folgte dem Redner mit einem Blick, in dem konzentrierte Anbetung zu lesen war. So ungefähr musste ein gläubiger Pilger empfinden und dreinschauen, der in ein berühmtes Kloster gerät und der Glückseligkeit teilhaftig wird, der Belehrung des heiligen Mönches lauschen zu dürfen. Die Rede floss endlos dahin, die Zuhörerschaft wurde zeitweise müde, ein leichtes Säuseln ging durch den Saal. Bei dem Seminaristen aber schienen die Quellen seines ehrfurchtsvollen Entzückens unerschöpflich.

So sieht unsere – oder richtiger gesagt: ihre – Revolution aus!" dachte ich in dieser ersten Sowjetsitzung, die ich 1917 sah und hörte.

Als Tschernow seine Rede beendet hatte, antwortete der Saal mit stürmischem Applaus. Nur in einer kleinen Ecke unterhielten sich unzufrieden die wenigen Bolschewiki. Diese Gruppe stach sofort von dem Gesamtbilde ab, als sie meiner Kritik der kriegsfrommen Ministerreife der Menschewiken und Sozialrevolutionäre einmütigen Beifall zollte. Der ehrfurchtsvolle Seminarist war erschrocken und in höchstem Grade beunruhigt. Nicht etwa empört; in jenen Tagen wagte er es noch nicht, gegen einen in die Heimat zurückgekehrten politischen Emigranten empört zu sein. Es wollte ihm aber nicht in den Kopf, wie man gegen eine in jeder Beziehung erfreuliche und begrüßenswerte Tatsache, wie den Eintritt Tschernows in die Provisorische Regierung, Stellung nehmen konnte. Er saß nur wenige Schritte von mir entfernt, und in seinem Gesicht, das mir als Barometer der Versammlung diente, verband sich der Ausdruck des Schreckens und des Befremdens mit der noch nicht ganz verflüchtigten Ehrfurcht. Dieses Antlitz blieb für immer in meinem Gedächtnis haften als Symbol der Februarrevolution – als ihr bestes, simpel-naives, von unten kommendes, philisterhaft-seminaristisches Symbol, denn sie hatte noch ein anderes und ein schlimmeres, das durch die Dans und Tschernows verkörpert wurde.

Es war nicht umsonst und nicht von ungefähr, dass Tschernow als Vorsitzender der Konstituierenden Versammlung amtierte. Das träg-revolutionäre, halb-oblomowsche, republikanisch-manilowsche2 und – ach, einesteils wie simple! und andernteils ach, wie gaunerhafte! – Februar-Russland hatte ihn auf den Schild gehoben. Der halb verschlafene Bauer hob und drängte die Tschernows nach oben durch die Vermittlung der ehrfurchtsvollen Seminaristen. Und Tschernow nahm dieses Mandat nicht ohne die übliche russische Grazie entgegen, aber auch nicht ohne die übliche russische Spitzbüberei.

Denn Tschernowhier komme ich zum Zweck meiner Ausführungen – ist in seiner Art ebenfalls eine nationale Gestalt. Ich sage „ebenfalls", weil ich vor etwa vier Jahren Gelegenheit hatte, über das Nationale in Lenin zu schreiben. Die Gegenüberstellung und selbst das indirekte Vergleichen dieser beiden Persönlichkeiten mag als unangebracht empfunden werden. Und es wäre auch tatsächlich roh und unangebracht, wenn es sich um die Persönlichkeiten handeln würde. Es handelt sich aber hier um die „Elemente" des Nationalen, um ihre Verkörperung und Widerspiegelung. Tschernow repräsentiert das Epigonentum der alten revolutionären intellektuellen Tradition, Lenin aber ihren Abschluss und ihre vollkommene Überwindung.

In der alten Intelligenz waren verkörpert: der Adlige, der reumütig beichtend die Idee seiner Pflicht dem Volke gegenüber geschwätzig breit tritt; der ehrfurchtsvolle Seminarist, dem sich von seinem väterlichen, vom Gottesbildlämpchen belichteten Heim, ein Spältchen in die Welt der kritischen Gedanken öffnete; das aufgeklärte Bäuerlein, zwischen der Sozialisierung und seinem Erbgesinde schwankend; der vereinsamte Arbeiter, der sich an der Umgebung der Herren Studenten reibt, den Seinigen entfremdet ist, aber bei den „Fremden" keinen Anschluss findet. Das alles ist in der süßzüngigen, formlosen, durch und durch zwiespältigen Tschernowiade zu finden.

Von dem alten intelligenzlerischen Idealismus der Epoche einer Sophie Perowskaja blieb im Tschernowismus fast nichts übrig. Dagegen kam etwas Neues von dem kaufmännisch-industriellen Russland hinzu, das hauptsächlich in der Linie des kaufmännischen Grundsatzes lag: „Ohne Betrug – kein Verkauf."

Herzen3 war seiner Zeit eine riesengroße und prachtvolle Erscheinung in der Entwicklung des russischen soziologischen Denkens. Lasst aber Herzen ein halbes Jahrhundert auf der Stelle stehen, reißt ihm dazu noch das schimmernde Gefieder seines Talentes aus, verwandelt ihn in seinen Epigonen – auf dem Hintergrund der Jahre 1905 bis 1917 – dann habt ihr das Element des Tschernowismus.

Mit Tschernyschewski eine derartige Operation vorzunehmen, wäre schwieriger, aber im Tschernowismus ist auch das Element einer Karikatur auf Tschernyschewski zu finden. Die Verbundenheit mit Michailowski stellt sich als viel unmittelbarer dar, weil in Michailowski selber das Epigonentum bereits vorwiegt

Der Tschernowismus besitzt, wie unsere ganze revolutionäre Entwicklung, eine bäuerliche Unterlage, die aber durch das unreife, halb intelligente städtische und dörfliche Kleinbürgertum oder durch die überreife, stark durchsäuerte Intelligenz verfärbt und verfälscht wurde. Die Höchstentwicklung des Tschernowismus konnte notwendigerweise nur eine Augenblickserscheinung sein.

Während der Stoß, der von dem Februar-Erwachen der Soldaten, Arbeiter und Bauern ausging, sich über eine ganze Reihe von Zwischenstufen aus Kriegsfreiwilligen, Seminaristen, Studenten und Advokaten über die Kontakt-Kommissionen und sonstigen weisen Einrichtungen fortpflanzend, die Tschernows zu den höchsten Gipfeln der Demokratie emporheben konnte, fand ein entscheidender Ruck im Unterbau statt, und die demokratischen Gipfel blieben in der Luft hängen. Die ganze Tschernowiade konzentrierte sich deshalb – zwischen Februar und Oktober – auf die Beschwörung des Augenblicks: „Verweile doch! Du bist so schön!" Der Augenblick wollte aber nicht verweilen. Der Soldat wurde „satanisch", der Bauer stellte sich auf die Hinterfüße, sogar der Seminarist verlor zusehends seine Februar-Ehrfurcht. Schließlich musste der Tschernowismus mit flatternden Rockschößen, diesmal ganz ungraziös, von den eingebildeten Gipfeln herunter schweben und landete in dem durchaus realen Pfützendreck.

Einen bäuerlichen Unterbau besitzt auch der Leninismus, insofern als dieser Unterbau dem russischen Proletariat und unserer ganzen russischen Geschichte eigen ist. Unsere Geschichte besteht aber glücklicherweise nicht nur aus Passivität und Schwärmerei, sie hat auch ihre Dynamik. In dem Bauern selber ist nicht nur Aberglaube, sondern auch Mutterwitz verkörpert. Sämtliche Züge der Aktivität, des Mutes, des Hasses gegen Stillstand und Unterdrückung, der Verachtung für Schwachherzige, mit einem Wort: alle dynamischen Elemente, die sich durch den Gang der sozialen Bewegungen und die Dynamik des Klassenkampfes ansammeln konnten, fanden im Bolschewismus ihren Ausdruck.

Der bäuerliche Grundton fand hier seine Widerspiegelung im Proletariat, in der dynamischen Kraft unserer – und nicht nur unserer – Geschichte, und dieser Widerspiegelung hat Lenin ihre vollendete Ausprägung verliehen. In diesem Sinne eben ist Lenin der Kopf des nationalen Elementes. Der Tschernowismus aber spiegelt dieselbe nationale Unterlage wieder, aber nicht vom Kopfe her, sondern weit davon entfernt.

Die tragikomische Episode des 5. Januar 1918 (die Verjagung der Konstituierenden Versammlung) war die letzte prinzipielle Auseinandersetzung zwischen dem Leninismus und dem Tschernowismus. Aber nur eine „prinzipielle" Auseinandersetzung, denn praktisch gab es keine, sondern nur eine kleine und klägliche Nachzüglerdemonstration der von der Szene verschwindenden, mit Kerzen und Butterbroten gewappneten „Demokratie". Die aufgeblasenen Fiktionen plagten, die billigen Kulissen stürzten in sich zusammen, die groß tuende moralische Kraft entpuppte sich als tölpelhafte Kraftlosigkeit. Schluss!

1 Die konstitutionell-demokratische Partei der russischen Liberalen unter Führung von Miljukow.

2 Oblomow und Manilow sind unsterbliche Gestalten der russischen Literatur. Von Gontscharow, beziehungsweise gogol, geschaffen, verkörpert der eine unbezwingbare willenlose Trägheit, der andere impotente Schwärmerei und Empfindsamkeit.

3 Herzen, Tschernyschewski, Michailowski waren große Schriftsteller und Publizisten, von deren Gedankengut die russischen Volkstümler (einschließlich der sozialrevolutionären Bewegung) lebten. Michailowski war der eigentliche geistige Vater der Sozialrevolutionären Partei.

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