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Leo Trotzki 19270500 Erklärung der Genossen Trotzki und Wujowitsch

Leo Trotzki: Erklärung der Genossen Trotzki und Wujowitsch

(Abgegeben auf dem Plenum der Exekutive als Antwort auf die noch nicht geschriebene Schimpfresolution gegen die Opposition.)

[Nach dem Sammelband „Der Kampf um die Kommunistische Internationale. Dokumente der russischen Opposition, nicht veröffentlicht vom Stalinschen ZK, veröffentlicht vom Verlag der ,Fahne des Kommunismus'“, Berlin 1927, S. 134-137]

Die neue Resolution gegen die Opposition krönt die Linie, die eine unzweifelhafte und unbestreitbare rechte Abweichung von der marxistischen, Leninschen Linie ist.

Die objektiven Ursachen dieser Abweichung sind: die Niederlagen des internationalen Proletariats, die zeitweilige Stabilisierung des Kapitalismus und das verlangsamte Tempo der sozialistischen Entwicklung in der UdSSR. Als Ergebnis einer Reihe von Niederlagen – bei unrichtiger, im Schwanze der Bourgeoisie kriechender Leitung – ist die rechte Abweichung gewachsen, und stärker geworden. Diese Abweichung vertieft die Folgen der Niederlagen der Arbeiterklasse und erschwert die Vorbereitung ihrer Siege.

Die Niederlage des deutschen Proletariats 1923, die Niederlage in Bulgarien und Estland, die Niederlagen in den großen Streiks in England, endlich die Niederlage des chinesischen Proletariats haben nicht nur die Sozialdemokratie gestärkt auf Kosten der Komm. Partei, sondern sie haben auch innerhalb der Komm. Partei den rechten Flügel auf Kosten des linken gestärkt. Der rechte Flügel seinerseits nützt den mächtigen Apparat aus, schlägt ausschließlich gegen links und verschiebt mittels Repressionen, Verschickungen, Absägungen, Ausschlüssen noch mehr das Kräfteverhältnis zuungunsten des linken Flügels.

Das sind die allgemeinen Ursachen, aus denen wir, die linke Opposition, als Minderheit auftreten, während Kommunisten vom Typus der Martynow, Schmeral. Pepper, Thälmann usw. uns im Namen der Mehrheit verdonnern. In der Frage des anglorussischen Komitees hat das Plenum die unerhörte Berliner Kapitulation vor den Streikbrechern und Verrätern gebilligt. Ob ihr das wollt oder nicht – das ist die Linie auf Amsterdam zu. Noch mehr! Wenn diese Linie sich halten wird, so werden innerhalb der Komintern unvermeidlich Strömungen entstehen, dass man eine Brücke hinüber schlagen soll zur 2. Internationale. Wir sehen schon heute, wie diese Tendenzen sich bilden. Wir warnen in Bezug auf sie. Wir erklären ihnen rechtzeitig den unversöhnlichen Kampf.

Die Spekulationen auf die Hilfe der reformistischen Spitzen Englands gegen den Krieg haben sich als traurige Illusion erwiesen. Das Verhalten der Führer des Generalrats und der Arbeiterpartei vor dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen und während derselben war von Feigheit und Gemeinheit diktiert. Diese beiden Eigenschaften werden mit dem wirklichen Herannahen des Krieges nur wachsen.

In der Frage der chinesischen Revolution hat das Plenum einen Beschluss angenommen, der die falsche Linie der Vergangenheit billigt und neue Niederlagen in Zukunft vorbereitet. Die in Hankau führenden Kuomintangleute vom Typus Wan Tin-wei und Co. beginnen ein Spiel mit der Bourgeoisie, bremsen die Agrarbewegung und die Arbeiterbewegung, und wenn es ihnen nicht gelingen wird, sie zu bremsen, so werden sie sich mit Tschiang Kai-schek vereinigen, gegen die Arbeiter und Bauern. Wer unter diesen Bedingungen gegen die Räte und für die Unterwerfung unter die Kuomintang, d.h. unter Wan Tin-wei, ist, der bereitet eine neue, vielleicht noch schwerere Niederlage der chinesischen Revolution vor. Wir verpflichten uns mit allen Kräften innerhalb der Komintern für eine Änderung dieser grob-opportunistischen Politik zu kämpfen.

Ihr habt den Genossen Sinowjew hier nicht zugelassen, der sieben Jahre lang Vorsitzender der Komintern war. Unsere Reden und Artikel werden nicht gedruckt. Die Arbeiten der Exekutive selbst sind mit dichtem Schweigen umgeben. Bereitet man so die Arbeiterklasse auf Kriegsgefahren vor? Aber jetzt genügt es schon nicht mehr. Reden und Artikel der Opposition totzuschweigen. Täglich werden vor der Arbeiterklasse Telegramme aus China, aus England, von überall her verborgen gehalten, lediglich deshalb, weil der Gang der Ereignisse der falschen Linie der Führung entgegengeht.

Man muss immer öfter Tatsachen verschweigen. Auf solchem Wege wird die Partei entwaffnet, werden die Fehler angehäuft, und werden neue Niederlagen vorbereitet.

Der Versuch, den Kampf gegen die Opposition als einen Kampf gegen den Trotzkismus darzustellen, ist, insbesondere im Lichte der chinesischen Ereignisse gesehen, eine feige, traurige Maskierung der rechten Abweichung. Ihr bemüht euch, künstlich die Differenzen Trotzkis mit dem Bolschewismus zu beleben, die Trotzki lange vordem liquidiert hat, früher als die Mehrzahl der hier Anwesenden sich dem Bolschewismus angeschlossen hat. Vergeblich! Den vollendetsten Ausdruck der offiziellen Linie in der chinesischen Frage hat hier Martynow gegeben, der in drei Revolutionen einen aktiven gegenrevolutionären Standpunkt eingenommen hat. Er wiederholt hier in Anwendung auf China alles das, was er 1905 und 1917 gesagt hat. Der Führer des Menschewismus, Dan, anerkennt den Standpunkt Martynows als richtig und echt menschewistisch. Die grundsätzlichen Anschauungen Lenins über die Revolution nennt ihr „Trotzkismus", um den Martynowschen Kampf gegen sie zu rechtfertigen. Bei dem ideologischen Versumpfen ist eine solche Maskierung unvermeidlich. Aber sie wird nichts helfen. Die Anschauungen, die wir vertreten, sind die durch die ganze Geschichte unserer Partei geprüften und erprobten Anschauungen des Bolschewismus.

Ungefähr hundert alte Bolschewiken, Grundpfeiler beim Aufbau unserer Partei, haben vor einigen Tagen beim ZK eine Erklärung über ihre Solidarität mit den Grundanschauungen der Opposition abgegeben. Diese Tatsache zerschlägt endgültig die falschen Berufungen auf den „Trotzkismus". Unter denen, die unterschrieben haben, bilden solche, die aus anderen Parteien kommen, einen viel geringeren Prozentsatz, als in der Leitung der Komintern oder der KPdSU.

Der Anschlag, die Genossen Trotzki und Wujowitsch aus der Exekutive der Komintern auszuschließen, ist eine ebenso schreiende Verletzung des Statuts der Komm. Internationale, wie die Nichtzulassung des Gen. Sinowjew zur Sitzung der Exekutive. Beides ist der Ausdruck der ideologischen Schwäche und der bürokratischen Willkür. Beides drückt am deutlichsten die Linie Stalins aus, vor deren Gefahren Lenin in seinem Testament gewarnt hat. Anstatt die offenkundigen Fehler der Führung zu korrigieren, die der Partei schon so teuer zu stehen gekommen sind, will Stalin diejenigen loswerden, welche diese vorhersehen und vor ihnen warnen. Der unmittelbare Zweck der Nichtzulassung Sinowjews und des Versuchs, Trotzki und Wujowitsch auszuschließen, ist, den VI. Weltkongress vor Kritik zu bewahren. Darauf soll der Ausschluss der Oppositionellen aus dem ZK der KPdSU erfolgen, damit auf dem entsprechend vorbereiteten 15. Parteitag keine einzige Stimme der Kritik erschallen kann. Durch derlei unwürdige Maßnahmen kann man nur die Autorität des VI. Kongresses der Komintern untergraben. Inzwischen ist die Einberufung des VI. Kongresses unerwarteterweise durch einen Beschluss der Exekutive von gestern, ohne Diskussion, noch um ein ganzes Jahr verschoben worden (auf vier Jahre nach dem V. Kongress). Der Zweck dieser Verschiebung ist, die Internationale vor vollendete Tatsachen zu stellen, insbesondere in Bezug auf die Opposition, und vom Kongress lediglich noch die nachträgliche Sanktionierung des Geschehenen zu fordern. Das ist jene, nach einem Ausdruck von Lenin, grobe und illoyale Methode, mit deren Hilfe man es der Partei unmöglich machen will, auf normalen Parteiwegen zu berichtigen. Aber das wird nichts helfen. Die Linie wird verbessert werden. Nur werden die Komintern und das internationale Proletariat für diese Verbesserung viel teurer bezahlen müssen.

In Erwartung unserer Resolution wird eine Arbeit zur Vorbereitung neuer und noch gröberer Repressionen gemacht. Eure Resolution soll diese heiligsprechen. Aber das wird die Sache nicht um einen Schritt vorwärts bringen. Die Wahrheit und das Recht sind auf unserer Seite. Die Periode der internationalen Erschütterungen, in die wir jetzt eintreten, wird die Richtigkeit unseres Standpunktes mit jedem Tage bestätigen und dabei jede Heuchelei und Doppelzüngigkeit zerstören. In den durch uns eingebrachten Dokumenten haben wir unseren Standpunkt niedergelegt. Ihr habt uns verurteilt. Aber die internationale Arbeiterklasse hat ein Recht, zu wissen, weshalb ihr uns verurteilt habt. Unsere Dokumente verheimlichen, das kann man nur bei offenkundigem Bewusstsein der eigenen Impotenz. Man kann Artikel verstecken. Aber Tatsachen kann man nicht verstecken. Ihr werdet eure Beschlüsse revidieren müssen. Wir bereiten das Morgen vor. Wir umgrenzen die Kontinuität des revolutionären Bolschewismus. Nach diesem Plenum sind wir mehr als je davon überzeugt, dass der revolutionäre Bolschewismus siegen wird; denn außerhalb desselben gibt es nur Verwirrung, Schwankungen, Rückfälle in den Menschewismus und Niederlagen.

Es lebe die III. Internationale! Es lebe der revolutionäre Bolschewismus!

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