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Leo Trotzki 19270528 Hankau und Moskau

Leo Trotzki: Hankau und Moskau

[Nach dem Sammelband „Der Kampf um die Kommunistische Internationale. Dokumente der russischen Opposition, nicht veröffentlicht vom Stalinschen ZK, veröffentlicht vom Verlag der ,Fahne des Kommunismus'“, Berlin 1927, S. 147 f.]

Was jetzt in Hankau vorgeht, darüber können wir urteilen nach den Telegrammsplittern, welche die Telegrafenagentur der Sowjet-Union nicht für die Presse durchlässt.

Die linke Kuomintang kaut nach wie vor die Theorie der Solidarität der Arbeiter, Bauern und der Bourgeoisie in der „nationalen Revolution" wieder und befiehlt daher den Arbeitern und Bauern, Disziplin einzuhalten – der Bourgeoisie gegenüber.

Das ZK der kommunistischen Partei (oder das Exekutiv-Komitee der Kuomintang?) fordert die Gewerkschaften auf, sich „mit ihren Angelegenheiten" zu beschäftigen und den Kampf gegen die Konterrevolution den Behörden der Kuomintang zu überlassen.

Der Führer der kommunistischen Partei, Tschen Du-hsiu, beschwört die Bauern, mit dem Lande abzuwarten, bis der äußere Feind besiegt ist.

Von Moskau aus warnt man gegen die „vorzeitige" Schaffung von Sowjets.

Inzwischen drückt der Imperialismus auf Tschiang Kai-schek und Tschiang Kai-schek durch die Bourgeoisie von Hankau auf die linke Kuomintang. Die linke Kuomintang fordert von den Arbeitern und Bauern Disziplin und Geduld.

Das ist das allgemeine Bild. Sein Sinn ist vollkommen klar!

Was tut in diesen Tagen die Moskauer Führung? Wir wissen das nicht. Aber man braucht nicht zu zweifeln, dass unter dem Einfluss der letzten überaus beunruhigenden Telegramme aus Hankau, aus Moskau dorthin Ratschläge ungefähr folgenden Inhalts geschickt werden: „so viel Agrarrevolution wie möglich", „soviel Massen wie möglich in die Kuomintang" usw, Die kommunistischen Minister übergeben diese Ratschläge der Regierung und dem Zentral-Exekutiv-Komitee der Kuomintang.

Auf diese Weise wird die Arbeit der kommunistischen Partei in zwei Teile gespalten: laut fleht sie die Arbeiter und Bauern an abzuwarten: leise aber, flüsternd beschwört sie die bürgerliche Regierung, sich zu beeilen. Aber die Revolution Ist eben deshalb eine Revolution, weil die Massen nicht warten wollen. Die bürgerlichen „Radikalen" sind eben deshalb bürgerliche Radikale, weil sie Angst haben, sich zu beeilen. Die Kommunistische Partei dagegen, anstatt die Massen auf die Beine zu bringen, anstatt Land zu besetzen, Sowjets aufzubauen, verliert ihre Zeit mit der fruchtlosen Beschwörung beider Seiten, nach dem heiligen Rezept von Martynow vom Block der vier Klassen und von der Ersetzung der Revolution durch Schlichtungsausschüsse.

Der Zusammenbruch dieser Politik ist absolut unvermeidlich. Wenn wir sie nicht schroff, plötzlich und kühn verbessern werden, so wird der Zusammenbruch sich schon in der nächsten Zukunft zeigen. Dann wird man uns hintennach die Papierchen mit den Moskauer Ratschlägen vorweisen: „soviel Agrar-Revolution wie möglich, soviel Massen wie möglich in die Kuomintang." Aber wir werden auch dann dasselbe wiederholen, was wir jetzt sagen: solcherlei Ratschläge sind leere Worte. Man kann nicht die ganze Revolution abhängig davon machen, ob die spießbürgerlich-feige Führung der Kuomintang unsere wohlmeinenden Ratschläge annehmen wird oder nicht. Sie kann sie nicht annehmen. Die Agrarrevolution kann nicht mit Zustimmung von Wan Tin-wei vor sich gehen, sondern trotz Wan Tin-wei und im Kampfe gegen ihn.

Daher ist die erste Aufgabe, sich die Hände freizumachen, die kommunistischen Minister aus der Regierung zu ziehen, die Massen aufzufordern, sofort Land zu besetzen und Sowjets aufzubauen.

Hierfür aber braucht man eine wirklich selbständige kommunistische Partei, die nicht die Spitzen beschwört, sondern kühn die Massen führt. Einen anderen Weg gibt es nicht und kann es nicht geben.

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