Die Agrarfrage und ihre sozialistische Auslegung

Die Agrarfrage und ihre sozialistische Auslegung

Produktion im kleinen Maßstab erzeugt, wie Lenin sagt, fortwährend, täglich, stündlich, unwiderstehlich und in riesigem Umfang Kapitalismus und Bourgeoisie. Entweder gelingt es dem proletarischen Staat, gestützt auf eine hohe Entwicklung und auf die Elektrisierung der Industrie, die technische Rückständigkeit von Millionen kleiner und winziger Industrien zu überwinden und sie auf der Grundlage ausgedehnter Verbände und des Kollektivismus aufzubauen, oder der aus dem Lande seine Kraft schöpfende Kapitalismus wird die Grundlage des Sozialismus in den Städten unterminieren.

Vom Gesichtspunkte des Leninismus aus ist das Bauerntum – das heißt die große bäuerliche Masse, die keine Arbeit ausbeutet – jener Verbündete, der, wenn er richtig mit uns zusammenarbeitet, die Sicherheit der proletarischen Diktatur und so das Schicksal der sozialistischen Revolution gewährleistet. Für die Etappe, die wir jetzt durchleben, hat Lenin ganz genau unsere Aufgaben gegenüber den Bauern mit folgenden Worten formuliert : „Es muss uns gelingen, ein Bündnis mit den Mittelbauern einzugehen, ohne nur einen Augenblick dem Kampfe gegen den Kulak zu entsagen, und ohne dabei die feste Stütze durch den armen Bauern zu verlieren."

Die Abweichung von Lenins Standpunkt in der Bauernfrage, wie sie die Stalin-Bucharingruppe durchgeführt hat, kann in den folgenden acht Hauptpunkten gekennzeichnet werden:

1. Vernachlässigung des Hauptgrundsatzes des Marxismus, dass nur eine starke, sozialisierte Industrie den Bauern helfen kann, die Landwirtschaft in eine kollektivistische Form zu überführen.

2. Unterschätzung der Lohnarbeiter und der armen Bauern als sozialer Grundlage in den ländlichen Bezirken des proletarischen Staates.

3. Hoffnung auf den wohlhabenden Bauern in der Frage der landwirtschaftlichen Industrie, das heißt, in allem Wesentlichen Hoffnung auf den Kulak.

4. Ignorieren oder offenes Ableugnen des kleinbürgerlichen Charakters des bäuerlichen Eigentums und der bäuerlichen Tätigkeit – ein Hinübergehen vom marxistischen Standpunkt zu den Theorien der Sozialrevolutionäre.

5. Unterschätzung der kapitalistischen Elemente in der gegenwärtigen Entwicklung des Landes und Vertuschung der bäuerlichen Klassenunterschiede.

6. Erzeugung von zersetzenden Theorien, die, um ein Wort Bucharins zu zitieren, die Ansicht verfechten: „Der Kulak und die Kulakorganisationen haben überhaupt keine Aussicht, weil der Rahmen der allgemeinen Entwicklung in unserem Lande durch die Struktur der proletarischen Diktatur bestimmt wird.

7. Ermutigung der „Überführung erster Anfänge von Kulakengenossenschaften in unser System." „Das Problem kann so formuliert werden, dass es notwendig ist, den wirtschaftlichen Möglichkeiten des wohlhabenden Bauern, den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Kulak freien Weg zu geben."

8. Der Versuch, Lenins „genossenschaftlichen Plan" seinem Plan der Elektrisierung entgegenzustellen. Nach Lenins eigener Ansicht könnte nur eine Verbindung dieser beiden Pläne die Durchführung des Sozialismus garantieren.

Gestützt auf diese revisionistischen Tendenzen der regierenden Gruppe haben die Repräsentanten der neuen Bourgeoisie sich mit gewissen Gliedern unseres staatlichen Betriebes verbunden und versuchen offen, unsere ganze Politik auf dem Lande auf die kapitalistischen Geleise hinüberzulenken. Dabei verstecken natürlich die Kulaken und ihre ideologischen Verteidiger ihre Bestrebungen unter dem Vorwande einer Besorgnis um die Entwicklung der Produktivkräfte, um das Anwachsen der Warenproduktion „im allgemeinen" usw. In Wirklichkeit unterdrückt und hemmt eine Kulakenentwicklung die Entwicklung der Produktivkräfte der gesamten übrigen Masse der bäuerlichen Wirtschaft.

Trotz unseres verhältnismäßig schnellen Wiederaufbauprozesses in der Landwirtschaft ist die Warenproduktion der bäuerlichen Wirtschaft sehr gering. 1925-1926 war die Gesamtmenge der auf den Markt gebrachten Güter 64 Prozent des Vorkriegsstandes, die exportierte Menge nur 24 Prozent des Exports von 1913. Die Ursache davon liegt, abgesehen von der Zunahme des allgemeinen Verbrauchs im Dorfe selbst, in der Verschiedenheit der landwirtschaftlichen und industriellen Preise und in der rapiden Anhäufung von Nahrungsstoffen durch die Kulaken. Selbst der Fünfjahresplan muss zugeben, dass „der Mangel an Industrieprodukten im allgemeinen dem Austausch von gleichwertigen Gütern zwischen Stadt und Land eine bestimmte Grenze setzt und die Menge der landwirtschaftlichen Produkte, die auf den Markt gebracht werden könnte, vermindert." So hemmt die Rückständigkeit der Industrie das Anwachsen des Ackerbaues und besonders das Anwachsen der ländlichen Warenproduktion. Sie untergräbt das Zusammenwirken von Stadt und Land und führt zu einer schnellen Klassendifferenzierung unter den Bauern.

Die Ansichten der Opposition in den Debatten über die Fragen der Bauernpolitik sind voll und ganz bestätigt worden. Die einzelnen Verbesserungen in unserem allgemeinen Vorgehen, die unter dem Druck der scharfen Oppositionskritik erfolgt sind, haben das fortgesetzte Abweichen der regierenden Gruppe nach der Seite der wohlhabenden Bauern nicht gehemmt. Als Beweis dafür genügt es, sich daran zu erinnern, dass der vierzehnte Kongress der Sowjets nach dem Bericht Kalinins nicht ein einziges Wort über die Klassendifferenzierung auf dem Lande oder das Anwachsen des Kulak zu sagen hatte.

Eine solche Politik kann nur zu einem einzigen Resultat führen: wir werden die armen Bauern verlieren und die mittleren nicht gewinnen.

Klassendifferenzierung unter den Bauern

In den letzten Jahren hat in den ländlichen Bezirken eine starke kapitalistische Klassenentwicklung stattgefunden.

Die landlosen und landarmen Gruppen haben sich während der letzten vier Jahre um 35-45 Prozent vermindert. Die 6-10 Desjatinen (7-11 Hektar) besitzende Gruppe vermehrte sich in der gleichen Zeit um 100 bis 120 Prozent. Die Gruppe mit 10 Desjatinen und mehr vermehrte sich um 150-200 Prozent. Der abnehmende Prozentsatz der landlosen und landarmen Gruppen ist in weitem Maße auf ihren Ruin und ihre Auflösung zurückzuführen. So haben sich in Sibirien im Verlaufe eines Jahres 15,8 Prozent der landlosen Familien und 3,8 derjenigen mit weniger als 2 Desjatinen aufgelöst und sind verschwunden. Im nördlichen Kaukasus lösten sich 14,1 Prozent der landlosen und 3,8 Prozent derjenigen mit weniger als 2 Desjatinen auf.

Das Aufrücken der Besitzer von pferdelosen und gerätelosen Landgrundstücken zur Klasse der unteren Mittelbauern geht außerordentlich langsam vor sich. Im jetzigen Augenblick gibt es in der ganzen Union 30-40 Prozent von pferde- und gerätelosen Besitzungen, und die große Masse davon fällt unter die Gruppe der Landarmen.

Die Verteilung der wichtigen Produktionsmittel ist im nördlichen Kaukasus folgende: 15 Prozent der Produktionsmittel gehören etwa 50 Prozent der schwächsten Besitzer. Zu der Mittelgruppe, die sich aus 35 Prozent der Besitzer zusammensetzt, gehören 35 Prozent der wichtigen Produktionsmittel. Und zu der höchsten Gruppe, die aus 15 Prozent der Besitzer besteht, gehören 50 Prozent der Produktionsmittel. Dasselbe Bild der Verteilung der Produktionsmittel zeigt sich in andern Provinzen (in Sibirien, in der Ukraine usw.).

Dieser Rekord einer ungleichen Verteilung von Land und Produktionsmitteln wird verstärkt durch eine ungleiche Verteilung der Getreidereserven unter den verschiedenen Gruppen der bäuerlichen Besitzer. Am 1. April 1926 befanden sich 58 Prozent von allem überflüssigen Getreide des Landes in den Händen von 6 Prozent der bäuerlichen Besitzer.

Das Verpachten von Land nimmt mit jedem Jahr eine größere Ausdehnung an. Die verpachtenden Eigentümer sind meist große Landbesitzer, die die Produktionsmittel in den Händen haben. In der ungeheuren Mehrzahl aller Fälle wird die Tatsache, dass das Land verpachtet ist, verheimlicht, um die Bezahlung der Steuer zu vermeiden. Der Landarme Besitzer, der weder Werkzeuge noch Tiere hat, bearbeitet das Land gewöhnlich mit gemieteten Werkzeugen und gemieteten Tieren. Die Verhältnisse, sowohl beim Landverpachten wie beim Vermieten von Werkzeugen und Tieren laufen fast auf Sklaverei hinaus. Mit dieser materiellen Sklaverei geht ein finanzieller Wucher Hand in Hand.

Die übliche Zerteilung von Bauerngütern schwächt den Prozess der Klassendifferenzierung nicht, sondern befördert ihn. Die Maschinen und Kredithilfen fallen, anstatt der Sozialisierung des Ackerbaues zu dienen, dem Kulak und dem Wohlhabenden in die Hände und helfen so zur Ausbeutung der Landarbeiter, der armen Bauern und der schwächeren Mittelbauern.

Abgesehen davon, dass diese höchsten Gruppen das Land und die Instrumente in ihren Händen konzentrieren, beschäftigen sie auch in einem ständig anwachsenden Maße gemietete Arbeiter.

Auf der andern Seite vermehren die unteren und zum Teil die mittleren Gruppen der bäuerlichen Besitzer, entweder infolge von vollständigem Ruin und Auflösung oder auch durch Abgeben einzelner Familienmitglieder, fortwährend die Zahl der ländlichen Arbeiter. Diese überzähligen Arbeiter geraten in die Knechtschaft des Kulak oder des wohlhabenden Mittelbauern, oder sie gehen auch wohl in die Städte, oder finden in zahlreichen Fällen überhaupt keine Beschäftigung.

Trotz dieser Prozesse, die schon sehr weit gegangen sind und zu einer Verminderung der relativen wirtschaftlichen Bedeutung des Mittelbauern führen, bildet dieser Mittelbauer der Zahl nach noch immer die größte ländliche Gruppe. Diesen Mittelbauern nun auf die Seite der sozialistischen Agrarpolitik zu bringen, ist eines der Hauptprobleme der proletarischen Diktatur. Wenn man aber seine Hoffnung auf den wohlhabenden Bauern setzt, verlässt man sich auf eine weitere Zersetzung dieser Mittelschicht.

Nur eine richtige Beachtung der Landarbeiter, nur eine Politik, die sich auf den armen Bauern und seine Union mit dem Mittelbauern stützt, nur ein entschiedener Kampf gegen den Kulak, nur eine Politik der Industrialisierung, nur eine Politik der Klassengenossenschaften und des Klassenkreditsystems auf dem Lande wird es ermöglichen, den Mittelbauern zur Arbeit an einem sozialistischen Aufbau der Landwirtschaft zu bewegen.

Praktische Vorschläge

In dem Klassenkampf, der jetzt in diesem Lande vor sich geht, muss die Partei, nicht in Worten, sondern in Taten, auf der Seite der Landarbeiter, der armen Bauern und der großen Masse der Mittelbauern stehen und sie gegen die ausbeutenden Bestrebungen des Kulaken schützen.

Um die Klassenposition des ländlichen Proletariats – das einen Teil der Arbeiterklasse bildet – zu stärken und wiederherzustellen, ist jene Reihe von Maßnahmen notwendig, die wir in dem Kapitel über die Lage der Arbeiterklasse aufgeführt haben.

Ländliche Kredite müssen aufhören, in den meisten Fällen ein Privileg der wohlhabenden Kreise des Dorfes zu sein. Wir müssen ein Ende machen mit den augenblicklichen Verhältnissen, die es ermöglichen, die schon so sehr gesunkenen Ersparnisse der Armen, nicht für den beabsichtigten Zweck, sondern zum Besten der wohlhabenden und mittleren Gruppen zu verwenden.

Das Anwachsen des Privateigentums auf dem Lande muss durch eine schnellere Entwicklung der kollektiven Landwirtschaft wettgemacht werden. Es ist notwendig, die Bemühungen der armen Bauern, sich in Genossenschaften zu organisieren, planmäßig zu unterstützen.

Zur gleichen Zeit müssen wir den armen Eigentümern, die nicht zu den Kollektivbetrieben gehören, durch vollständige Befreiung von Steuern, durch eine entsprechende Landpolitik, durch Kredite für Ackerbaugeräte und durch Eingliederung in die bäuerlichen Genossenschaften in überlegterer Weise helfen. Anstatt des Programms, „Schafft außerhalb der Partei aktive Bauernzentren durch Neubelebung des Rätesystems", also eines Programms ohne jeden Klasseninhalt, das in Wirklichkeit nur die beherrschende Rolle der oberen Schichten in den Dörfern stärken wird, müssen wir das folgende Programm annehmen: Schafft außerhalb der Partei aktive Zentren, die sich aus Lohnarbeitern, armen Bauern und ihnen nahestehenden Mittelbauern zusammensetzen.

Wir müssen eine wirklich planvolle, allgemeine und dauerhafte Organisation der Armen haben, die sich auf die augenblicklichen politischen und wirtschaftlichen Probleme des Lebens stützt, wie es Wahlen, Steuerkämpfe, Einfluss auf die Verteilung von Kredit, Maschinen usw., Landverteilung und Landbenutzung, Begründung von Genossenschaftsbetrieben, Bargeldanlegung des armen Mannes durch die Genossenschaftsbetriebe usw. sind.

Die Partei müsste unter allen Umständen die wirtschaftliche Entwicklung der mittleren Bauern fördern – durch eine kluge Preispolitik für Getreide, durch Krediterweiterung und Ausbau aller ihm zugänglichen Genossenschaften, durch eine wohlüberlegte und allmähliche Überführung dieser zahlreichsten Gruppe zu den Vorteilen des maschinellen und kollektiven Großbetriebes.

Die Aufgabe der Partei gegenüber dem Anwachsen der Kulakenklasse müsste in einer allseitigen Begrenzung ihrer Ausbeutungsbestrebungen bestehen. Wir dürfen keine weiteren Abweichungen von dem Artikel unserer Verfassung, der den ausbeutenden Klassen alle Wahlrechte in den Sowjets versagt, dulden. Folgende Maßregeln sind notwendig: Ein scharf progressives Steuersystem ; staatliche Gesetzesmaßnahmen zum Schutze der Lohnarbeit und zur Regelung der Löhne der Landarbeiter; eine richtige Klassenpolitik in der Angelegenheit der Landverteilung und Landbenutzung, und ebenso in der Angelegenheit der Belieferung des Landes mit Traktoren und andern Betriebsgeräten.

Das wachsende System der Landverpachtung unter den Bauern, die bestehende Art der Landbenutzung durch ländliche Gemeinden, die abseits von jeder Führerschaft und Kontrolle der Sowjets stehen und immer mehr unter den Einfluss des Kulak fallen, alles dieses untergräbt die Grundlagen der Verstaatlichung des Landes.

Eine der wichtigsten Maßnahmen zur Stärkung der Verstaatlichung des Landes ist die Unterordnung dieser ländlichen Gemeinden unter die örtlichen Staatsorgane und eine feste Kontrolle der von allen Kulakenelementen gereinigten Ortssowjets in allen Fragen der Verteilung und Benutzung des Landes. Der Zweck dieser Kontrolle sollte ein möglichst großer Schutz der Interessen der armen und schwachen Kleinbauern gegen die viel zu große Schar der Kulaken sein. Es ist notwendig, auf der Grundlage unserer gegenwärtigen Erfahrungen eine Reihe von Ergänzungsmaßnahmen auszuarbeiten, um ein übergroßes Verhältnis der Kulaken in den ländlichen Gemeinden zu verhindern. Es ist im besonderen notwendig, dass der Kulak als Landverpächter durchaus und in jeder Hinsicht, nicht nur in Worten, sondern tatsächlich, der Aufsicht und Kontrolle durch die Organe der ländlichen Sowjetmacht unterworfen sein sollte.

Die Partei müsste allen Tendenzen auf Aufhebung oder Untergrabung der ländlichen Verstaatlichung, die einer der Grundpfeiler der Diktatur des Proletariats sind, einen vernichtenden Widerstand entgegensetzen.

Das bestehende System einer allgemeinen ländlichen Steuer sollte dahin geändert werden, dass 40-50 Prozent der ärmsten Bauernfamilien ganz von der Steuer befreit werden, ohne dass aber dieser Ausfall durch eine höhere Besteuerung der großen Masse der Mittelbauern ausgeglichen wird. Die Daten der Steuereinsammlung sollten den Interessen der unteren Gruppen der Steuerzahler angepasst werden.

Eine viel größere Summe sollte für die Schaffung von Sowjets und Kollektivgütern bewilligt werden. Höchste Schonung müsste den neugeschaffenen Kollektivgütern und andern Formen des Kollektivismus gewährt werden. Leute, die der Wahlrechte beraubt sind, können nicht Mitglieder von Kollektivgütern sein. Die ganze genossenschaftliche Arbeit müsste erfüllt sein von einem Verständnis für das Problem, das System des Kleinbetriebs in das eines kollektivistischen Großbetriebs umzuwandeln. Eine feste Klassenpolitik müsste auf dem Gebiete der Maschinenbelieferung Platz greifen, und ein besonderer Kampf gegen die betrügerischen Maschinengesellschaften geführt werden.

Die Arbeit der Landverteilung muss ganz auf Kosten des Staates geschehen, und in erster Linie sollte man dabei auf die Kollektivländereien und auf die Ländereien der Armen durch eine möglichst große Berücksichtigung ihrer Interessen achten.

Die Preise für Getreide und andere landwirtschaftliche Produkte sollten den armen Bauern und der Hauptmasse der Mittelbauern zum allermindesten die Möglichkeit gewähren, ihre wirtschaftliche Lage auf dem gegenwärtigen Stande zu erhalten und sie allmählich zu verbessern. Maßnahmen sollten getroffen werden, um die Ungleichheit zwischen den Herbst- und Frühjahrspreisen in Getreide zu beseitigen. Denn diese Ungleichheit drückt schwer auf die ländlichen Armen und gibt allen Vorteil den oberen Schichten.

Es ist notwendig, nicht nur die ausgesetzten Summen für die Armen beträchtlich zu vermehren, sondern auch die ganze Richtung unseres ländlichen Kreditwesens dahin zu verändern, dass den armen Bauern und den schwachen Mittelbauern billige und langfristige Kredite gesichert werden und dass das gegenwärtige System der Bürgschaften und Sicherheitsleistungen aufhört.

Genossenschaftswesen

Das Problem des sozialistischen Aufbaus auf dem Lande ist die Reform der Landwirtschaft auf der Grundlage des maschinellen, genossenschaftlichen Großbetriebs. Für die breite Masse der Bauern besteht der einfachste Weg dahin in Genossenschaftsbildung, wie es Lenin in seinem Werk „Über Genossenschaftsbildung" beschrieben hat. Dies ist der enorme Vorteil, den die proletarische Diktatur und das Sowjetsystem dem Bauern geben. Nur eine wachsende Industrialisierung des Ackerbaus kann die breite Grundlage für dieses sozialistische Genossenschaftswesen, für diesen Kollektivismus geben. Ohne eine technische Revolution in der ganzen Art der Produktion – das heißt, ohne landwirtschaftliche Maschinen, ohne Wechselwirtschaft der Fruchtarten, ohne künstliche Düngung usw. – ist kein erfolgreiches und umfassendes Arbeiten in der Richtung auf ein wirkliches Genossenschaftswesen im Ackerbau möglich.

Genossenschaftliches Einkaufen und Verkaufen wird aber nur dann ein Weg zum Sozialismus sein, wenn 1. dieser Vorgang unter dem unmittelbaren wirtschaftlichen und politischen Einfluss der sozialistischen Elemente, besonders der Großindustrien und der Gewerkschaften, Platz greift, und wenn 2. dieser Vorgang des genossenschaftlichen Kaufens und Verkaufens in der Landwirtschaft allmählich auch zu einem genossenschaftlichen Wirtschaften selbst führt. Der Klassencharakter der ländlichen Genossenschaften wird nicht nur durch das numerische Gewicht der verschiedenen Gruppen der zusammenarbeitenden Bauernschaft, sondern viel stärker durch das relative ökonomische Gewicht derselben bestimmt. Es ist die Aufgabe der Partei, darauf zu achten, dass ackerbauliches Genossenschaftswesen eine wirkliche Union der armen und der mittleren Bauerngruppen darstellt, und eine Waffe in dem Kampf dieser Elemente gegen die wachsende wirtschaftliche Macht des Kulaken ist. Wir müssen planvoll und beharrlich das ländliche Proletariat auf den Weg des Aufbaus der Genossenschaften hin drängen.

Ein erfolgreicher genossenschaftlicher Aufbau lässt sich überhaupt nur auf der Grundlage einer möglichst großen Unabhängigkeit der zusammenarbeitenden Bevölkerung denken. Eine wirkliche Union der Genossenschaften mit den großen Industrien und dem proletarischen Staat verlangt eine geregelte Leitung der genossenschaftlichen Organisationen unter Ausschluss aller bürokratischen Regierungsmethoden.

Durch das unverkennbare Abweichen der Parteileitung von dem echten bolschewistischen Kurs auf dem Lande und ihr Bestreben, den wohlhabenden Bauern und den Kulak zu unterstützen, ist es mehr als jemals notwendig geworden, an die Worte unseres Parteiprogramms zu erinnern. Nach einer unzweideutigen Betonung der Wichtigkeit, die eine Union mit dem Mittelbauern für uns hat, stellt unser Programm klar und deutlich fest: „In ihrem ganzen Arbeiten auf dem Lande stützt sich die russische kommunistische Partei wie früher auf die proletarischen und halbproletarischen Bauernkräfte. Sie organisiert sie vor allem zu unabhängigen Kräften, indem sie Parteikerne in den Dörfern schafft, Organisationen der Armen, eine besondere Art von Gewerkschaften für die proletarischen und die halbproletarischen bürgerlichen Elemente usw.; indem sie sie durch alle nur möglichen Mittel mit dem städtischen Proletariat verbindet und sie dem Einfluss der bäuerlichen Bourgeoisie und der Kleinbesitzerinteressen entzieht."

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