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E. Preobraschenski 19280300 Antwort an Trotzki

E. Preobraschenski: Antwort an Trotzki

[Nach Leo Trotzki: China, Band 2, Berlin 1975, S. 13-17]

Ich halte es für unangebracht, dass Sie die China-Frage aufwerfen. Warum? Weil allem Anschein nach die chinesische Revolution sich in einem Stadium der Ebbe befindet. Vor einem neuen Aufschwung haben wir noch viel Zeit. Während dieser Zeit werden wir ausreichend Gelegenheit für eine grundlegende Untersuchung der Geschichte Chinas, seines heutigen Wirtschaftslebens, der Klassenverhältnisse und der Entwicklungsdynamik des gesamten Landes haben. Wie Sie wissen, bestand in Bezug auf die chinesische Frage niemals Einigkeit unter uns. Weder Radek, Smilga noch ich sind in einem Alter, in dem man seine Ansichten unter dem Einfluss neuer Argumente in der Politik ändert, (um so mehr, unter dem Einfluss der Wiederholung von alten Argumenten). Unsere Ansichten können nur durch Tatsachen entscheidender Bedeutung beeinflusst werden. Wenn der Kanton-Aufstand ein Abenteuer war, – und das war er zweifellos, d.h. er war kein Unternehmen, das sich aus der Massenbewegung entwickelte – wie kann dann ein derartiges Unternehmen eine neue Situation schaffen, den Ausgangspunkt für eine neue Erfahrung und die Neubewertung aller früheren Auffassungen? Man kann den Kanton-Aufstand unmöglich als ein Abenteuer betrachten und gleichzeitig versuchen diesem Ochsen eine weitere Haut abzuziehen,um eine derartige Neubewertung zu erreichen.

Ich gestehe aufrichtig, dass ich allem äußeren Anschein nach aus meiner Kontroverse mit Ihnen über die chinesische Frage geschlagen hervorging (ich glaube, sie fand entweder Anfang oder Mitte November 1927 statt), aber ich wurde nicht überzeugt. Ich habe diese Themen in der Folgezeit mehr als einmal überdacht, aber mein Schluss ist immer noch derselbe: Sie haben nicht recht. Hier kurz meine Anschauungen.

Ihre Position ist nur in ihrer äußerlichen Eindrücklichkeit stark, nur in ihrer schematischen Einfachheit und Klarheit,aber sie ist nicht lebensfähig. Die Analogie mit dem Verlauf unserer Revolution spricht nicht für , sondern gegen Sie. Wir hatten 1905 eine erfolglose bürgerliche Revolution. Trotz der Tatsache, dass die Bourgeoisie sich bereits damals als eine konterrevolutionäre Kraft herausgestellt hatte (während des Dezember-Aufstandes),leitete unsere Partei des Proletariat auf eine neue bürgerlich-demokratische Revolution zu, als einem notwendigen Stadium im künftigen Kampf für den Sozialismus, bei einem veränderten Kräfteverhältnis. Hatte Lenin Recht oder Unrecht, als er es bereits 1915-16, d.h. nachdem die Losung ausgegeben war, den imperialistischen Krieg zu einem Bürgerkrieg zu machen, in Russland für notwendig hielt, sich während des ersten Stadiums zur bürgerlich- demokratischen Revolution hin zu orientieren, und nicht zur Diktatur des Proletariats; während er die Position von Bucharin und Pjatakow für pueril hielt (die davon sprachen, die Losung einer direkt sozialistischen Revolution auszugeben). Ich glaube, dass Lenin Recht hatte. Und erst nachdem die bürgerlich-demokratische Revolution vollzogen aber nicht vollendet war, gab Lenin im Februar die Losung der Diktatur des Proletariats aus, die Losung der Revolution, die auf ihrem Weg die bürgerlich-demokratische Revolution vollenden und zum sozialistischen Aufbau der Gesellschaft übergehen muss. Dagegen haben beide chinesische Revolutionen uns bisher noch nicht gegeben, was wir vom Februar allein erhielten, weder in Bezug auf materielle Eroberungen, noch – was weit bedeutender ist – in Bezug auf die Schaffung von Voraussetzungen für die Organisation von Arbeiter- und Bauernsowjets auf Massenbasis, etwas, was wir unmittelbar nach dem Sturz des Zarismus erhielten. Andererseits glaube ich nicht, dass im heutigen China irgendeine Art Bewegung in der bürgerlichen Richtung auf evolutionärem Weg gesichert ist, wie das in Deutschland durch das friedliche Verfallen der feudalen Überreste nach der erfolglosen Revolution von 1848 der Fall war. Meine Zusammenfassung: China befindet sich noch immer in einem ungeheuren, bitteren und verzögerten Kampf um so elementare Dinge wie die nationale Einigung Chinas, ganz zu schweigen von den ungeheuren Problem der bürgerlich-demokratischen Agrarrevolution. Man kann nicht sagen, ob die chinesische Kleinbourgeoisie im Stande sein wird, irgendwelche Parteien zu schaffen, die unseren Sozialrevolutionären gleichen, oder ob derartige Parteien von den Kommunisten des rechten Flügels geschaffen werden, die sich abspalten usw. Nur eins ist klar. Die Hegemonie der künftigen Bewegung wird immer noch dem Proletariat zukommen, aber der soziale Inhalt des ersten Stadiums der künftigen dritten chinesischen Revolution kann nicht als ein sozialistischer Umsturz beschrieben werden. Sie werden kaum zeigen können, wenn wir schon immer zu Analogien greifen müssen, dass die augenblickliche Lage in China das Stadium zwischen Februar und Oktober ist, nur dass es sich über ein paar Jahre erstreckt. In China hat es keinen Februar gegeben, die Bewegung wurde an der Schwelle des Februar zerschlagen, obgleich die Sache in einigen Beziehungen sogar über den Februar hinausging ( der konterrevolutionäre Geist der gesamten Groß- und Mittelbourgeoisie, der Kulaken und des Handelskapitals). Ihr fundamentaler Irrtum liegt darin, dass Sie den Charakter einer Revolution auf Grund davon entschieden, wer sie macht, welche Klasse, d. h. durch das tatsächliche Subjekt, während Sie dem objektiven sozialen Inhalt des Vorgangs eine zweitrangige Bedeutung zu geben scheinen. Die Novemberrevolution in Deutschland wurde nicht von der Bourgeoisie gemacht, aber niemand hält diese Revolution für proletarisch. Die Revolution von 1789 wurde von der Kleinbourgeoisie vollendet, aber niemand hat die Große Französische Revolution als eine kleinbürgerliche Revolution charakterisiert. Die chinesische Revolution wird von Anfang an vom Proletariat geführt werden und sie wird gleich von Anfang an Zahlungen hierfür verlangen, aber dennoch wird das erste Stadium dieser Revolution ein Stadium des bürgerlich-demokratischen Umsturzes sein, während die Zusammenstellung der funktionierenden und staatlich organisierten Kräfte die der – proletarischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft bleiben wird.

Ein Wort zu Ihrer Bemerkung über das Ignorieren der „viele Millionen zählenden Bauernschaft und der Agrarrevolution".

Sie beziehen sich darauf als einen „erbärmlichen Einwand" und fügen in Klammern hinzu „Sinowjew". Sie haben wohl kaum vergessen, dass Radek und ich diesen Einwand gegen Sie erhoben haben. Ich habe nichts gegen scharfe Angriffe in prinzipiellen Polemiken, zwischen Freunden einzuwenden, aber ich habe etwas dagegen, mit Radek zusammen unter dem Pseudonym Sinowjew aus dem Hinterhalt überfallen zu werden. Wir sind durchaus im Stande, unter unseren eigenen ehrenhaft erworbenen Namen in den Kampf zu gehen.

Ich habe eine sehr dringende Bitte an Sie, Leo Dawidowitsch, wenn Sie zur Widerlegung eine Antwort schreiben und an unsere gesamte Exil-Kommune schicken, dann tippen Sie auch meinen Brief ab und legen ihn dazu. Im Allgemeinen aber bin ich, wie ich bereits bemerkte, augenblicklich nicht für eine Diskussion über diese Frage. Auch betrachte ich unsere Differenzen nicht als wesentlich, d.h. wir waren immer darüber einig, was die chinesische Kommunistische Partei in der Praxis tun sollte, und zwar sowohl heute, als auch wenn ein neuer Aufschwung der Revolution stattfindet.

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