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Leo Trotzki 19291113 Die österreichische Krise, die Sozialdemokratie und der Kommunismus

Leo Trotzki: Die österreichische Krise, die Sozialdemokratie und der Kommunismus

[Nach der in Wien 1929 erschienenen Broschüre, die nicht identisch mit der der Version im MIA zugrundeliegenden Übersetzung war]

Die österreichische Krise ist eine Teilerscheinung der Krise der Demokratie, als der grundlegenden Form der kapitalistischen Herrschaft. Eine zu hohe Intensität des internationalen und des Klassenkampfes führt zur Diktatur, wobei eine Demokratie nach der anderen gesprengt wird.

Der Prozess begann an der europäischen Peripherie, in den rückschrittlichsten Ländern, in den schwächsten Gliedern des kapitalistischen Organismus. Aber er schreitet unausgesetzt fort. Was als Krise des Parlamentarismus bezeichnet wird, ist der politische Ausdruck der Krise des ganzen Systems der bürgerlichen Gesellschaft. Die Demokratie steht und fällt mit dem Kapitalismus. Indem die Sozialdemokratie die überlebte Demokratie verteidigt, jagt sie die gesellschaftliche Entwicklung in die Sackgasse des Faschismus hinein.

Die außerordentliche Schwäche der österreichischen Bourgeoisie nach dem Kriege und nach der Revolution und in Verbindung damit die ökonomische und politische Unselbständigkeit Österreichs wurden zur wichtigsten Quelle für die Kraft der Sozialdemokratie. Indem die österreichische Sozialdemokratie die Funktion der Rettung und die Festigung des bürgerlichen Regimes erfüllte, hatte sie die Möglichkeit in ihrer Agitation bald die nationale, bald die internationale Bourgeoise auszuspielen. In der ersten Periode der Stabilisierung des bürgerlichen Regimes nach der Revolution war die Sozialdemokratie eine regelrechte Agentur des ausländischen Kapitals. Das erlaubte ihr die Verantwortung für alles Ungemach auf die nationale Bourgeoisie abzuwälzen, außerdem konnte sie ihr gegenüber – wenigstens dem Anschein nach – eine unabhängigere, eine kritischere Position einnehmen, als es der Sozialdemokratie in anderen Ländern, Deutschland nicht ausgenommen, möglich war. Als das bürgerliche Regime sich immer mehr festigte, beschuldigte die Sozialdemokratie die nationale Bourgeoise immer mehr, dass sie nur die Befehle des anglosächsischen Kapitals erfüllt. Für die Arbeiter aber hatte sie eine fertige Beweisführung zugunsten der Unantastbarkeit des Privateigentums: „Natürlich könnten wir mit unserer Bourgeoisie fertig werden, aber es geht nicht um sie, sondern um die amerikanische und englische Bourgeoise".

Die bürgerlichen Parteien Österreichs haben ihre Eigenheiten umso leichter verloren, als sie alle an den Lippen des anglosächsischen Herrn hängen. Trotzdem die Sozialdemokratie in Wirklichkeit dieselbe Rolle spielt, ist sie gezwungen dem Block der bürgerlichen Parteien gegenüber eine oppositionelle Haltung einzunehmen, da sie sich auf die Arbeiter stützt. Nur diese „oppositionelle Haltung" erlaubt es ihr die Bourgeoisie zu retten. Gleichartige Prozesse und Erscheinungen gab es auch in Deutschland. Sie begünstigten außerordentlich die Erhaltung der Selbständigkeit der deutschen Sozialdemokratie. Aber im Zusammenhang mit der viel größeren Macht und Selbständigkeit der deutschen Bourgeoisie, musste sich die deutsche Sozialdemokratie ihrer Bourgeoisie viel offener und sichtbarer anpassen, mit ihr Blocks schließen und die unmittelbare Verantwortung für sie vor den Arbeitermassen übernehmen. Dieser Umstand schuf für die Kommunistische Partei Entwicklungsmöglichkeiten.

Österreich stellt einen kleinen Körper mit einem großen Kopf dar. Die Hauptstadt befindet sich in den Händen der Sozialdemokratie, die indes im Parlament weniger als die Hälfte der Mandate inne hat (43%). Dieses labile Gleichgewicht, das sich nur dank der konservativen, versöhnlichen Politik der Sozialdemokratie behauptet, erleichtert die Stellung des Austromarxismus ungemein, Was er im Gemeinderat macht, genügt, um ihn von den bürgerlichen Parteien zu unterscheiden. Und, was er unterlässt, – das heißt das allerwichtigste, – kann er immer als Schuld eben dieser bürgerlichen Parteien hinstellen. Während der Austromarxismus die Bourgeoisie in Artikeln und Reden bloßstellt, benützt er, wie schon gesagt, sehr geschickt die internationale Abhängigkeit Österreichs, um zu verhindern, dass die Arbeiter sich gegen ihre Klassenfeinde erheben. „In Wien sind wir stark, aber im Lande sind wir noch schwach. Außerdem gibt es noch Herren über uns. Wir müssen innerhalb der Demokratie unsere Positionen aufrechterhalten und … warten." Das ist die wichtigste Idee der austromarxistischen Politik. Dies alles gab dem Austromarxismus bis jetzt die Möglichkeit, den „linken" Flügel in der zweiten Internationale zu spielen und seine Position gegenüber der kommunistischen Partei, die dazu noch Fehler auf Fehler häufte, zu behaupten.

Die österreichische Sozialdemokratie hat der Entente geholfen, mit der ungarischen Revolution fertig zu werden, sie hat ihrer eigenen Bourgeoisie geholfen, die Krise nach dem Kriege zu überwinden und sie schuf für das wankende Privateigentum ein demokratisches Asyl. Auf diese Weise war sie in der ganzen Nachkriegsperiode die wichtigste Waffe für die Herrschaft der Bourgeoisie über die Arbeiterklasse.

Aber diese Waffe ist eine selbständige Organisation, mit einer zahlreichen Bürokratie und Arbeiteraristokratie, die ihre eigenen Interessen und eigene Ansprüche haben. Diese Bürokratie, deren Ideen, Gewohnheiten und Lebensweise ganz und gar kleinbürgerlich sind, stützen sich dessen ungeachtet auf die Arbeiterklasse und befindet sich unter ständiger Drohung ihrer Unzufriedenheit. Dieser Umstand ist die wichtigste Quelle für Konflikte und Reibungen zwischen der Bourgeoisie und der Sozialdemokratie, das heißt zwischen dem Herrn und dem Kommis.

Aber, wie gut es die Sozialdemokratie auch verstanden hat, die Arbeiterklasse mit einem Netz von politischen, gewerkschaftlichen, städtischen, kulturellen und sportlichen Einrichtungen zu umfassen, haben es anderseits die Julitage 1927 zu schroff gezeigt, dass reformistisch-pazifistische Methoden allein der Bourgeoisie nicht alle ihr notwendigen Garantien bieten.

So ist die soziale Funktion des Faschismus zu erklären. Das ist der zweite Kommis der Bourgeoisie, der sich vom ersten sehr unterscheidet und sich ihm entgegenstellt.

Die unteren Schichten der Sozialdemokratie stoßen nach vorwärts mit ihrem, wenn auch verfälschten, so doch proletarischen  Instinkt. Die unteren Schichten des Faschismus nähren sich von der Aussichtslosigkeit der Kleinbourgeoisie und der deklassierten Elemente, die es in Österreich so zahlreich gibt. Die oberen Schichten der Sozialdemokratie zähmen den Klassencharakter mit Hilfe demokratischer Parolen und Einrichtungen. Die oberen Schichten des Faschismus öffnen ein Ventil für die Verzweiflung der in Fäulnis übergegangenen Kleinbourgeoisie in der Perspektive eines rettenden Umsturzes, nach dem die „Marxisten" nicht mehr in der Lage sein werden, der Prosperität der Landwirtschaft, des Gewerbes und des Handels Hindernisse in den Weg zu legen.

Auf diese Weise haben wir in Österreich eine klassische Widerlegung der philiströsen Theorie, als ob der Faschismus die Folge des revolutionären Bolschewismus sei. Der Faschismus spielt in einem Lande eine um so größere Rolle, je sichtbarer, schreiender, unerträglicher die Widersprüche zwischen der Politik der Sozialdemokratie als einer Massenpartei und den unaufschiebbaren Forderungen der historischen Entwicklung sind. In Österreich, so wie in allen anderen Ländern, ist der Faschismus eine notwendige Ergänzung der Sozialdemokratie, er nährt sich von ihr und kommt mit ihrer Hilfe zur Macht.

Der Faschismus ist ein gesetzlicher Erbe der formellen Demokratie der Niedergangsepoche. Die Prinzipien der Demokratie in Österreich sind besonders schroff ad absurdum geführt. Der Sozialdemokratie fehlen nur einige Prozente zur Majorität. Trotzdem kann man sagen, – und es ist kein Paradoxon, sondern die nackte Wahrheit, – dass das politische Gleichgewicht der Sozialdemokratie sich nicht auf die 43% stützt, über die sie verfügt, sondern auf die 7%, die ihr fehlen, um die Macht zu übernehmen. Die Pfeiler des Kapitalismus würden nicht wanken, wenn die Sozialdemokratie auch die Mehrheit bekommen würde. Aber eine solche Eroberung ist gar nicht garantiert. Es ist ein Idiotismus zu glauben, dass alle Fragen durch Propaganda gelöst werden können. Wenn man davon ausgeht, dass das Leben in Österreich sich auch weiter im Rahmen der Demokratie bewegen wird, so gibt es gar keine Gründe anzunehmen, dass die österreichische Sozialdemokratie in den folgenden 25 oder 50 Jahren unbedingt die Mehrheit bekommen wird. Das wirtschaftliche Leben aller kapitalistischen, europäischen Staaten ist gewaltig bedroht durch die Vereinigten Staaten und andere überseeische Länder. Die wirtschaftliche Fäulnis Österreichs, die gerade bei der Perspektive einer friedlichen Entwicklung unausbleiblich ist, würde der Sozialdemokratie eher ein Minus als ein Plus an Stimmen bringen. Es ergibt sich also nach der Logik der Demokratie, dass, obwohl die weitere Herrschaft der Bourgeoisie die Bevölkerung zur Fäulnis und kulturellen Zersetzung verurteilt, obwohl die erdrückende Mehrheit des Proletariats, dieses Rückgrates der Nation, bereit ist den Übergang zum Sozialismus zu vollziehen, ist dieser Übergang unzulässig, weil einige Prozente der Wähler, die rückschrittlichsten, die zurückgebliebensten, oder die am meisten zersetzten Elemente sich abseits vom Kampfe halten, in völliger Finsternis vegetieren und im entscheidenden Augenblicke bereit sind, ihre Stimmen und Fäuste dem Faschismus anzubieten.

Die Demokratie hat jeden Sinn verloren. In der Epoche des planmäßigen und organischen Wachstums des Kapitalismus, das mit der systematischen Klassendifferenzierung der Nation verbunden war, hat die Demokratie eine große historische Rolle gespielt, unter anderem auch in der Erziehung des Proletariats. Die größte Rolle zu spielen wurde ihr in Europa beschieden. Aber in der Epoche des Imperialismus, die vor allem zur Epoche des in Verwesung übergehenden Kapitalismus wurde, geriet die Demokratie in eine Sackgasse. Das ist der Grund, warum in Österreich, wo die Konstitution von den Sozialdemokraten fabriziert ist, wo der Sozialdemokratie ein ungewöhnlich großer Platz eingeräumt ist, da sie Wien beherrscht, und wo wir folglich die demokratischen Formen des Überganges von der Demokratie zum Sozialismus in ihrer vollendetsten Form beobachten sollten, in Wirklichkeit die Politik sich einerseits nach den vorrückenden faschistischen Banden richtet; anderseits – nach den weichenden halb bewaffneten sozialdemokratischen Arbeitern. Und als autoritativer Dirigent der Demokratie tritt ein alter Polizist der Habsburgischen Schule auf.

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Der Faschismus erscheint als der zweite Bevollmächtigte der Bourgeoisie. Ebenso wie die Sozialdemokratie, ja sogar noch mehr als diese, hat der Faschismus seine Armee, seine Interessen und seine Logik der Bewegung. Wir wissen, dass der Faschismus in Italien, um die bürgerliche Gesellschaft zu retten und zu befestigen, in schärfsten Widerspruch nicht nur zur Sozialdemokratie, sondern auch zu den traditionellen bürgerlichen Parteien geraten musste. Dasselbe kann man in Polen beobachten. Man muss sich die Sache nicht so vorstellen, als ob alle politischen Organe der Bourgeoisie ganz einheitlich und gemeinschaftlich wirkten. Glücklicherweise verhält es sich nicht so. Die wirtschaftliche Anarchie wird durch die politische ergänzt. Der Faschismus, der von der Sozialdemokratie genährt wird, muss ihr den Schädel einhauen, um zur Macht zu gelangen. Die österreichische Sozialdemokratie tut, was sie kann, um ihm diese chirurgische Operation zu erleichtern.

Man kann sich schwerlich konzentriertere Plattheiten ausdenken, als Otto Bauers Erörterungen über die Zulässigkeit der Gewalt nur zum Schutze der bestehenden Demokratie. Wenn man diese Auslassung in die Klassensprache übersetzt, so bedeutet sie: Gewalt ist zulässig bei der Verteidigung der Bourgeoisie, die im Staate organisiert ist, aber sie ist unzulässig bei der Errichtung eines proletarischen Staates.

Dieser Theorie wird eine juristische Formulierung beigegeben. Bauer kaut die alten Formeln Lassalles über Recht und Revolution wieder. Aber Lassalle sprach vor einem Gericht. Dort waren seine Beweggründe am Platze. Aber der Versuch, den juristischen Zweikampf mit dem Staatsanwalt in eine Philosophie der historischen Entwicklung zu verwandeln, ist ein feiger Kniff. Bei Bauer kommt es so heraus, dass die Gewalt nur als Antwort auf den schon vollzogenen Umsturz, zulässig ist, wenn kein „Rechtsboden" mehr da ist, aber nicht zulässig 24 Stunden früher, um den Umsturz zu vereiteln. Auf dieser Linie baut Bauer eine Wasserscheide zwischen dem Austromarxismus und Bolschewismus auf, als ob es sich um zwei Schulen des Kriminalrechtes handelte. In Wirklichkeit besteht der Unterschied darin, dass der Bolschewismus bestrebt ist, die Herrschaft der Bourgeoisie niederzuwerfen, die Sozialdemokratische Partei sie aber verewigen will. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass Bauer im Falle des Umsturzes erklären würde: Wir vermochten nicht die Arbeiter gegen die Faschisten, diese antikonstitutionellen Banden, die die gesetzliche Ordnung angriffen in Bewegung zu setzen, als wir über mächtige Organisationen, über eine freie Presse, über 43% von Abgeordneten, über den Wiener Gemeinderat verfügten; wie sollen wir es jetzt, wo die Faschisten den Staatsapparat in Händen haben, sich auf das neue, von ihnen aufgestellte Staatsrecht stützen, wir aber weder Feuer noch Wasser haben, außerhalb des Gesetzes stehen, keine legale Verbindungen zu den Massen haben, die dazu noch enttäuscht, niedergedrückt sind, und zahlreich zu den Faschisten übergehen, – jetzt einen bewaffneten Aufstand vorschlagen – das können nur verbrecherische Abenteurer oder die Bolschewiki. Indem die Sozialdemokratische Partei auf diese Weise ihrer Philosophie eine Wendung um 180° geben würde, bliebe sie doch sich selbst völlig treu.

Die Parole der inneren Abrüstung übersteigt in ihrer reaktionären Gemeinheit alles, was wir von den Sozialdemokraten bisher gehört haben. Angesichts des bewaffneten bürgerlichen Staates flehen diese Herren die Regierung an, die Arbeiter zu entwaffnen.

Die faschistischen Banden sind jedoch nur Hilfsorgane der Bourgeoisie: heute aufgelassen, können sie zu einem beliebigen Zeitpunkt wieder gesammelt und bewaffnet werden, in noch stärkerem Maße als jetzt. Die Arbeiter aber können von niemandem bewaffnet werden, wenn sie die sozialdemokratische Partei durch den bürgerlichen Staat entwaffnen lässt. Natürlich fürchtet die sozialdemokratische Partei die Waffen der Faschisten. Aber vielleicht noch mehr fürchtet sie die Waffen in den Händen der Arbeiter. Heute fürchtet die Bourgeoisie den Bürgerkrieg, erstens, weil sie über seinen Ausgang nicht sicher ist, zweitens, weil sie keine wirtschaftlichen Erschütterungen wünscht. Die Entwaffnung der Arbeiter sichert die Bourgeoisie vor dem Bürgerkrieg: das steigert bis zum Maximum die Chancen des faschistischen Umsturzes.

Die Forderung nach der inneren Abrüstung Österreichs ist eine Forderung der Ententeländer, vor allem Frankreichs, dann Englands. Der französische offiziöse „Temps" erklärt streng dem Bundeskanzler Schober, dass die innere Abrüstung notwendig sei sowohl im Interesse des äußeren Friedens, als auch im Interesse des Privateigentums. Hendersons Rede im Parlament entwickelte denselben Gedanken. Indem Henderson die österreichische Demokratie verteidigte, verteidigte er den Versailler Vertrag. Die österreichische Sozialdemokratische Partei erscheint hier, wie überhaupt in allen wichtigen Fragen, nur als der Vermittlungsapparat der Bourgeoisie der Siegerländer.

Die Sozialdemokratische Partei ist nicht fähig, die Macht zu übernehmen und sie will es auch nicht. Aber die Bourgeoisie findet, dass die Disziplinierung der Arbeiter durch die Sozialdemokratie ihr erhöhte Ausgaben auferlegt. Die Bourgeoisie als solche braucht den Faschismus, um die Sozialdemokratische Partei im Zaume zu halten und, um sie, wenn notwendig, zur Seite zu schleudern. Der Faschismus will die Macht erobern und ist auch fähig es zu tun. Nach Ergreifung der Macht wird der Faschismus sich dem Finanzkapital ausliefern. Aber das ist der Weg der Erschütterungen, der der Bourgeoisie auch erhöhte Auslagen bringt. So erklären sich die Schwankungen der Bourgeoisie, der innere Kampf in ihren Reihen; und damit wird auch die Politik, die sie wahrscheinlich für die nächste Zeit einschlagen wird, bestimmt: die Sozialdemokratische Partei mit Hilfe des Faschismus zu zwingen, dass sie mithilft, die Verfassung so umzubauen, dass die Bourgeoisie die Vorteile des Faschismus und der Demokratie verbinden kann, den Faschismus dem Wesen, die Demokratie der Form nach; dabei hoffen sie von den erhöhten Auslagen für die demokratischen Reformen und womöglich auch von neuen erhöhten Auslagen des faschistischen Umsturzes befreit zu sein.

Wird die Bourgeoisie diesen Weg gehen können? Ganz, bis zum Ende und für eine längere Periode gewiss nicht. Mit anderen Worten, die Bourgeoisie kann kein Regime aufbauen, das es ihr erlauben würde, sich friedlich sowohl auf die Arbeiter, als auch auf die zugrunde gerichtete Kleinbourgeoisie zu stützen, ohne die Kosten für die sozialen Reformen und solche für die Erschütterungen durch den Bürgerkrieg zu tragen. Die Widersprüche sind zu groß. Sie werden in der oder jener Richtung durchbrochen werden.

So oder so – die österreichische „Demokratie" ist dem Tode geweiht. Nach dem jetzigen Schlaganfall kann sie sich natürlich, erholen und sich eine Zeit lang halten, ihre Füße nachschleppend und ihre Zunge kaum bewegend. Möglicherweise wird noch ein Schlag nötig sein, um sie ganz zu zermürben. Aber ihr Schicksal ist vorausbestimmt.

Der Austromarxismus tritt in eine Periode der endgültigen Abrechnung für seine historischen Verbrechen. Die Sozialdemokratische Partei, die die Bourgeoisie vom Bolschewismus befreit hat, hilft ihr jetzt, sich von der Sozialdemokratischen Partei selbst zu befreien. Es wäre ganz unsinnig, die Augen davor zu verschließen, dass es im Falle eines faschistischen Sieges nicht nur zur physischen Vernichtung der wenigen Kommunisten käme, sondern auch zur erbarmungslosen Zerstörung aller Organisationen und Stützpunkte der Sozialdemokratischen Partei. In dieser Hinsicht, so wie in manch anderer wiederholt die sozialdemokratische Partei die Geschichte des Liberalismus, als dessen verspätete Tochter sie erscheint. Aus der Geschichte sind mehrere Fälle bekannt, wo die Liberalen der feudalen Reaktion halfen mit den Volksmassen fertig zu werden, wonach die Reaktion die Liberalen selbst liquidierte.

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Es hat den Anschein, als ob sich die Geschichte eine besondere Aufgabe gestellt hätte: die Prognosen und Direktiven der Komintern vom Anbeginn des Jahres 1923 in schroffster Form zu widerlegen. Dies wiederfuhr der Wertung der revolutionären Situation in Deutschland im Jahre 1923, der internationalen Rolle Amerikas und des anglo-amerikanischen Konfliktes, dem Kurs auf die revolutionäre Steigerung in den Jahren 1924-25, der Bewertung der revolutionären Kräfte und Perspektiven der chinesischen Revolution (1925-27), der Wertung des britischen Trade-Unionismus (1925-27), der Industrialisierung und der Kulaken in der UdSSR usw., ohne Ende. Jetzt hat es dieselbe Bewandtnis mit der Bewertung der „dritten Periode" und des Sozial-Faschismus. Molotow hat die Entdeckung gemacht, dass der „revolutionäre" Geist gegenwärtig in Frankreich am stärksten entwickelt ist. Unterdessen ist es aber Österreich, wo die stärkste revolutionäre Situation vorhanden ist, dabei — und das ist das bemerkenswerteste — bildet den Ausgangspunkt für die mögliche revolutionäre Entwicklung nicht der Kampf des Kommunismus mit dem „Sozial-Faschismus", sondern der Zusammenstoß der Sozialdemokratie mit dem Faschismus. Angesichts dieser Tatsache ist die unglückselige kommunistische Partei ganz in die Sackgasse hineingetrieben.

Ja, der Zusammenstoß der Sozialdemokratie mit dem Faschismus ist jetzt die grundlegendste Tatsache der österreichischen Politik. Die Sozialdemokratische Partei weicht zurück und gibt nach, sie kriecht auf dem Bauch, fleht an und gibt eine Position nach der anderen auf. Aber dessen ungeachtet hat der Zusammenstoß einen ganz realen Charakter, es geht um Sein oder Nichtsein der sozialdemokratischen Partei. Ein weiteres Vorrücken der Faschisten kann – muss – die sozialdemokratischen Arbeiter und sogar einen Teil des sozialdemokratischen Apparates viel weiter stoßen als zu der Grenze, die die Bauer, Seitz und andere sich gestellt haben. Wie aus dem Konflikt des Liberalismus mit der Monarchie sich öfters eine revolutionäre Situation entwickelte, die später über beide Gegner hinauswuchs, so kann aus dem Zusammenstoß der sozialdemokratischen Partei mit dem Faschismus – zweier gegnerischen Bevollmächtigten der Bourgeoisie – eine revolutionäre Situation entstehen, die über beide hinauswächst.

Völlig untauglich wäre der proletarische Revolutionär, der in der Epoche der bürgerlichen Revolution es nicht vermochte, den Konflikt zwischen Liberalismus und Monarchie zu werten und zu verstehen und der, anstatt den Konflikt in revolutionärer Weise auszunützen, die Gegner zu einem Haufen zusammenwerfen würde. Völlig untauglich ist der Kommunist, der angesichts des Zusammenstoßes zwischen Faschismus und sozialdemokratischer Partei ihn einfach mit der leeren Formel des Sozialfaschismus, überkleidet, einer Formel, die jedes Inhaltes entbehrt.

Eine solche Stellungnahme – eine Politik des schreienden und leeren Linkstums – versperrt der kommunistischen Partei von vornherein den Weg zu den sozialdemokratischen Arbeitern und liefert den Rechten im kommunistischen Lager auskömmliche Nahrung. Eine der Ursachen für die Verstärkung der Rechten ist die, dass sie in ihrer Kritik die sichtbaren und unzweifelhaften Eiterbeulen des offiziellen Kommunismus bloßstellen. Inwieweit die Partei außerstande ist, sich den Weg zu den sozialdemokratischen Arbeitern zu bahnen, insoweit bahnt sich die rechte Opposition den Weg zum sozialdemokratischen Apparat. Das Ignorieren und Nichtverstehen der Natur der revolutionären Krisen, der politische Minimalismus, die Perspektive der ewigen Vorbereitung – das sind die charakteristischen Züge der Politik der Rechten. Sie müssen sich am stärksten fühlen, wenn die Leitung der Komintern es versucht, künstlich, auf administrativem Wege eine revolutionäre Situation zu schaffen. Die Kritik der Rechten bei solchen Anlässen hat den Anschein überzeugend zu sein. Sie hat aber mit der revolutionären Strategie nichts gemeinsam. Die Rechten unterstützten die opportunistische Politik zur Zeit der revolutionärsten Situation (Deutschland, China, England). Durch die Kritik des bürokratischen Abenteurertums verbessern sie ihre Reputation, um im entscheidenden Augenblicke eine hemmende Rolle zu spielen.

So fördern die Zentristen mit zusammengebissenen Zähnen mit ihrer Politik nicht nur die Rechten, sie gießen noch Wasser auf die Mühle des Austromarxismus. In der nächsten Periode kann nichts die Sozialdemokratische Partei retten, – nichts, es sei denn, die falsche Politik des offiziellen Kommunismus.

Was bedeutet eigentlich der Sozialfaschismus? Wie lange die unglückseligen „Theoretiker" auch klügeln würden, sie könnten dazu nichts anderes sagen, als dass die Sozialdemokratische Partei bereit ist, gegen die Arbeiter die Grundlagen des bürgerlichen Regimes und ihre eigenen Positionen in diesem mit Hilfe der bewaffneten Macht zu verteidigen. Aber ist denn dieser Zug nicht allen „demokratischen" Parteien gemeinsam? Haben wir denn je angenommen, dass die Demokratie ein Regime des sozialen Friedens ist? Haben denn Kerenski und Zereteli nicht in den Flitterwochen der demokratischen Revolution den Bauern und Arbeitern Schläge versetzt? Haben denn die französischen Radikalen vor, so wie nach dem Kriege, nicht die bewaffnete Macht gegen die Streikenden angewandt? Ist denn die Geschichte der Herrschaft der republikanischen und demokratischen Parteien in [den] USA nicht zugleich eine Geschichte der blutigen Gerichte über die Streikenden? Wenn das alles Faschismus ist, so ist die Geschichte der Klassengesellschaft eine Geschichte des Faschismus; dann gibt es auf der Welt so viele faschistische Parteien, als es bürgerliche Parteien gibt: Liberal-Faschisten, Radikal-Faschisten, National-Faschisten usw. Aber welchen Sinn hat dann diese Bezeichnung? Gar keinen. Sie ist nur ein herausforderndes Synonym für eine Klassengewaltanwendung.

Im August 1914 gaben wir dem demokratischen Sozialismus den Namen: Sozial-Imperialismus. Damit haben wir gesagt, dass die sozialdemokratische Partei eine besondere Form des Imperialismus ist, der an die Arbeiterklasse angepasst ist. Der Imperialismus vereinigt die sozialdemokratische Partei mit allen Parteien der Bourgeoisie ohne Ausnahme. Der „Sozialismus" ist eine Gegenüberstellung zu diesen Parteien. Der Ausdruck Sozial-Imperialismus definiert sie vollkommen.

Der Faschismus ist aber, wenn man nicht mit Worten spielt – gar nicht allen bürgerlichen Parteien gemeinsam; die faschistische Partei ist eine besondere bürgerliche Partei, die besonderen Bedingungen und Aufgaben angepasst ist, die anderen bürgerlichen Parteien und gerade der Sozialdemokratischen Partei besonders schroff gegenübersteht.

Es kann versucht werden darauf zu antworten, dass die Feindschaft der bürgerlichen Parteien untereinander sehr relativ sei. Das wäre nicht nur richtig, sondern es wäre eine Binsenwahrheit, die uns aber nicht einen Schritt weiter bringt. Der Umstand, dass alle bürgerlichen Parteien, vom Faschismus bis zur Sozialdemokratischen Partei den Schutz der bürgerlichen Herrschaft über ihre programmatischen Verschiedenheiten stellen, beseitigt trotzdem weder ihre Eigentümlichkeiten, noch ihren Kampf untereinander, noch unsere Pflicht, diesen Kampf auszunützen.

Die österreichische Sozialdemokratie kann mehr als irgendeine andere Partei der zweiten Internationale mit der Arbeiterklasse identifiziert werden. Schon aus diesem Grunde setzt die Entwicklung der revolutionären Bewegung im Lande vor allem eine Reihe von tiefen inneren Krisen in der Sozialdemokratischen Partei voraus. In Österreich, wo die Differenzierung sich verspätet hat, ist unter anderem die Abspaltung einer „Unabhängigen" Partei von der offiziellen Partei nicht ausgeschlossen. Diese kann, wie es in Deutschland der Fall war, sofort die Grundlage für eine kommunistische Massenpartei werden. Dieser Weg ist nicht zwingend, aber die Sachlage macht ihn möglich. Die Perspektive der möglichen Spaltung der Sozialdemokratischen Partei unter dem unmittelbaren Druck der revolutionären Krise kann in keinem Fall ein milderes Verhalten der Kommunistischen Partei zu den zukünftigen Unabhängigen oder Kandidaten der Unabhängigen nach sich ziehen. Die Notwendigkeit einer schonungslosen Bloßstellung der Linken vom Typus Max Adler, oder von einer frischeren Sorte, braucht nicht bewiesen werden. Aber es wäre verderblich, im Prozesse des Kampfes mit dem Faschismus die unvermeidliche Annäherung zwischen der Kommunistischen Partei und den breiten Arbeitermassen der Sozialdemokraten, die sich dabei noch immer für Sozialdemokraten halten und sich als solche fühlen, nicht vorausgesehen zu haben. Es ist eine unbedingte Pflicht der Kommunistischen Partei ihnen gegenüber den bürgerlichen Charakter der Sozialdemokratischen Partei aufzudecken und ihnen zu beweisen, dass die Politik der Sozialdemokratischen Partei eine Politik der Kapitulation vor dem Faschismus ist. Je schärfer sich die Krise gestalten wird, umso mehr wird sich die Kritik der Kommunistischen Partei durch die Erfahrungen der Massen bestätigen. Aber die Sozialdemokratische Partei mit dem Faschismus zu identifizieren, in der Zeit, wo die Arbeiter den Faschismus aufs Höchste hassen, und die Führer in ebenso fürchten, hieße sich in Widerspruch zur realen politischen Konstellation stellen, hieße die Arbeiter gegen den Kommunismus misstrauisch machen und den Zusammenschluss dieser Massen mit ihren Führern stärken.

Es ist nicht schwer vorauszusehen, dass das Zusammenwerfen von Sozialdemokraten und Faschisten auf einen Haufen eine Idealisierung der linken Sozialdemokratischen Partei zur Folge haben wird, wenn diese zu einem ernsten Zusammenstoß mit dem Faschismus kommt. Dieses ist schon durch die historische Erfahrung bewiesen worden. Man muss sich erinnern, dass die Identifizierung der Sozialdemokratischen Partei mit dem Faschismus, die zu allererst vom unglückseligen V. Kongress proklamiert wurde, ihre notwendige Antithese in der Kapitulation vor Purcell, Tschiang Kai-schek, Raditsch, und Laffolette gefunden hat. Das ist ganz gesetzmäßig. Wer die äußerste Linke der bürgerlichen Gesellschaft mit ihrer äußersten Rechten identifiziert, d. h. den Austromarxismus mit dem Faschismus, der bereitet unausweichlich die Kapitulation der Kommunistischen Partei vor der linken Sozialdemokratischen Partei im kritischen Augenblicke vor.*

Diese Frage ist mit den Parolen: Arbeiterrat und Diktatur des Proletariats aufs Engste verbunden. Im Allgemeinen hängen diese zwei Parolen eng miteinander zusammen. Die Entstehung der Sowjets ist nur bei einer revolutionären Konstellation möglich, d. h. bei einer Situation, die der Ergreifung der Macht durch das Proletariat vorangeht, oder sie begleitet.

Aber in Österreich ist mehr als in einem anderen Lande der Fall möglich, dass die Parole der Sowjets mit der Parole der Diktatur nicht nur nicht übereinstimmt, sondern dieser Parole direkt entgegengestellt wird, d. h., dass die Sowjets zu einer Stütze gegen die Diktatur des Proletariats werden. Das ist umso notwendiger von vornherein zu verstehen, als die Epigonen (Sinowjew, Stalin und andere) die Parole der Sowjets zu einem vulgären Fetisch machen, indem sie ihren Klasseninhalt durch eine leere Organisation ersetzen.

Es ist gar nicht ausgeschlossen, dass die österreichische sozialdemokratische Partei gezwungen werden wird, wenn nicht in der jetzigen Kampfperiode, so in der nächsten den Generalstreik (wie der britische Gewerkschaftsrat im Jahre 1926) zu proklamieren und sogar die Bildung der Sowjets zu sanktionieren, um umso sicherer die Leitung in ihre Hände zu bekommen. Natürlich würde das mit einer mehr oder weniger großen Krise in der Partei verbunden sein. Man würde Friedrich Adler und andere aus ihrer Reserve hervorholen. Max Adler, oder einer, der noch „linker" steht, werden wieder beweisen wollen, dass die Sowjets plus Demokratie einen kombinierten Staat geben und, dass sich erübrigt die Notwendigkeit der Machtergreifung und die Diktatur. Nicht nur die sozialdemokratischen, sondern auch die kommunistischen Arbeiter, die gewöhnt sind, tagaus tagein zu hören, dass die sozialdemokratische Partei und der Faschismus ein und dasselbe seien, werden bei einer solchen Etappe in der Entwicklung des Kampfes zwischen sozialdemokratischer Partei und Faschismus überrumpelt werden. Und doch würde eine solche Etappe nur ein komplizierteres, ein kombinierteres System des Verrates der Interessen des Proletariats durch die sozialdemokratische Partei bedeuten. Denn unter der Leitung des Austromarxismus würden die Sowjets nicht zu Organen des Kampfes des Proletariats um die Macht werden, sondern als Bremse wirken, die das Proletariat in seinem Versuche die Macht zu ergreifen, behindert.

In Deutschland wäre ein solcher Versuch, wenigstens in seinem vorgeschrittenen Stadium, nicht mehr möglich, dazu ist die kommunistische Partei schon zu stark. Anders verhält es sich in Österreich. Im Falle einer schnellen Entwicklung der Ereignisse könnte die Krise ihren Kulminationspunkt zu einem Zeitpunkt erreichen, wo die österreichische Kommunistische Partei noch lange nicht ihre Isoliertheit und Schwäche überwunden hat. In den Händen der Austromarxisten könnten die Sowjets sich als die Mechanik erweisen, die es ihnen möglich machen würde, zum zweiten Male dem Proletariat die revolutionäre Situation zu stehlen und auf diese Weise zum zweiten Male die bürgerliche Gesellschaft zu retten, wobei der offene Faschismus unausbleiblich zur Herrschaft käme. Es erübrigt sich zu sagen, dass in diesem Falle unter seinem Stiefel die Rippen der sozialdemokratischen Partei selbst krachen würden. Die Politik kennt keine Dankbarkeit.

Die Parolen der Sowjets und der Diktatur des Proletariats haben jetzt in Österreich eine rein propagandistische Bedeutung. Nicht, weil Österreich von einer revolutionären Situation weit entfernt ist, sondern weil in Österreich das bürgerliche Regime in der Sozialdemokratie ein machtvolles System von vorbeugenden Ventilen besitzt. Trotz der Schwätzer und Phrasenmacher besteht die Aufgabe der kommunistischen Partei jedoch jetzt nicht darin, die „Massen" – welche? – zu „bewaffnen" – womit? – und die Massen zum „letzten entscheidenden Kampf" zu führen, sondern darin, dass man geduldig aufklären muss. (Lenin im April 1917). Der Erfolg dieser propagandistischen Arbeit wird umso schneller und gewaltiger sein, je besser die kommunistische Partei selbst es verstehen wird, was vor ihren Augen vor sich geht.

Daher muss vor allem die unkluge, inhaltslose, prahlerische Identifizierung der Sozialdemokratischen Partei mit dem Faschismus auf den Misthaufen geworfen werden.

Es ist notwendig, im Gedächtnis der österreichischen Kommunisten die Erfahrung der Jahre 1918-19 und die Rolle der Sozialdemokratie im System der Sowjets zu rekonstruieren.

Der „inneren Abrüstung" muss die Parole der bewaffneten Arbeiter entgegengestellt werden. Diese Parole hat jetzt eine schärfere, eine unmittelbarere Bedeutung als die Parole der Sowjets und der Diktatur des Proletariats. Kein Arbeiter wird es verstehen, wenn man ihm sagen wird – Bauer sei ein Faschist. Wenn man ihm aber sagt, dass Bauer die Arbeiter ganz entwaffnen und sie damit den Faschisten vollständig ausliefern will, – das wird der Arbeiter verstehen, weil es seiner politischen Erfahrung entspricht.

Man soll nicht glauben, dass man mit Geschrei, Gewinsel und radikalen Phrasen den Mangel an eigener Kraft ersetzen kann. Man muss aufhören, den realen Gang der Entwicklung in den Rahmen der billigen Schemen von Stalin und Molotow einzugliedern. Man muss erkennen, dass die beiden nichts verstehen. Erster Schritt zur Gesundung müsste die Aufnahme der linken Opposition in die Partei sein. Aber offenbar muss die Geschichte noch einige Lektionen erteilen, bevor der Kommunismus in Österreich und auch in anderen Ländern auf den richtigen Weg tritt. Die Aufgabe der Opposition ist, diesen Weg vorzubereiten.

Wie schwach zahlenmäßig die Leninopposition in Österreich, sogar im Vergleich mit der offiziellen Partei auch ist, ihre Funktionen sind dieselben: Propaganda und geduldige Aufklärung. Es bleibt nur zu wünschen, dass es der österreichischen kommunistischen Opposition in der nächsten Zeit gelingen wird, ein regelmäßig erscheinendes Organ, womöglich ein wöchentliches, zu gründen, das propagandistische Arbeit leisten und den Ereignissen nicht sehr nachstehen würde.

Die Schaffung eines solchen Organs erfordert eine große Anspannung der Kräfte. Aber diese Aufgabe ist vollkommen unaufschiebbar. Daher muss sie gelöst werden.

Konstantinopel, 13. November 1929.

* Ich kann mich dabei nicht aufhalten, umso mehr, als die Frage in meiner „Kritik des Programms der Komintern" ausführlich genug behandelt wurde.

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