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Leo Trotzki 19290701 Diplomatie oder revolutionäre Politik

Leo Trotzki: Diplomatie oder revolutionäre Politik

[Nach Die Aktion, 19. Jahrgang, Heft 5-8 (Ende September 1929), Spalte 151-156]

Wenn es sich in Ihrem Briefe ausschließlich oder in der Hauptsache nur um tschechoslowakische Fragen handeln würde, fiele es mir vielleicht schwer, zu antworten, denn die Lage in der Tschechoslowakei ist mir leider im gegenwärtigen Moment weniger bekannt, als die Lage in einer Reihe anderer europäischer Staaten. Aber Ihr Brief regt eine Reihe prinzipieller Fragen an, die allgemeine Bedeutung haben für die ganze kommunistische Opposition, welche eine internationale geistige Strömung und im Begriff ist, eine organisierte internationale Fraktion zu bilden.

Womit fing unsere Diskussion an? Ich wurde darauf aufmerksam, dass Sie in Ihrer Kundgebung formell vom „Trotzkismus" abrücken. Selbstverständlich, wenn Sie meinen, dass die Ansichten, die die Opposition verteidigt, im Gegensatz zum Leninismus stehen oder an und für sich falsch sind, so ist diese Abgrenzung politische Pflicht und braucht keine Rechtfertigung.

Aber wie ich jetzt sehe, liegt die Sache ganz anders. Sie denken, dass der sogenannte „Trotzkismus" in der Tat eine Anwendung von marxistischen und leninistischen Methoden auf die jetzige Periode ist. Wenn Sie vom Trotzkismus abrücken, so geschieht es, wie Sie erklären, nicht aus prinzipiellen, sondern aus taktischen Erwägungen. Nach Ihren Worten sind die Mitglieder der Partei vom Schreckgespenst „Trotzkismus" dermaßen eingeschüchtert, dass es, um den Erfolg unserer Propaganda zu sichern, notwendig sei, ihnen unsere Ansichten bis zu einer bestimmten Zeit „geschminkt" vorzulegen, ohne offen zu bekunden, dass es Ansichten der linken Opposition sind. Damit kann ich mich in keinem Falle einverstanden erklären. Diese Methode widerspricht meiner ganzen politischen Erfahrung. Noch mehr, sie widerspricht der ganzen Geschichte des Bolschewismus.

In der Tat könnte man denken, der zentristische Apparat führte seinen wahnsinnigen Kampf nur gegen unsere Benennung und nicht gegen unsere Ideen. Das bedeutet den Gegner unterschätzen. Dieser Gedankengang ignoriert einfach den politischen Inhalt des regierenden Zentrismus und ersetzt die Politik durch billige Pädagogik für zurückgebliebene Kinder.

Die ganze Politik der Komintern ist in den letzten 6 Jahren entweder rechts oder links von der marxistischen Linie abgegangen. Ich kenne keine einzige wichtige Entscheidung in prinzipiellen oder aktuell-politischen Fragen, die richtig wäre. Sofern ich Sie verstehe, geben Sie das zu. In beinahe allen Fällen, ohne Ausnahme, stellen wir den Positionen der Komintern die marxistische Linie gegenüber. Jedes Mal wurde sie unter dem Namen „Trotzkismus" verurteilt. Das dauert nun schon 6 Jahren Auf diese Weise hörte der „Trotzkismus" auf, ein gleichgültiges Etikett zu sein, – er füllte sich mit dem ganzen Leben der Komintern in den letzten 6 Jahren. Sie können nicht die begangenen Fehler einer Kritik unterwerfen und die richtige Entscheidung vorschlagen, ohne die unter dem Namen „Trotzkismus" offiziell verurteilten Ansichten darzulegen. Und wenn Sie aus pädagogischen Erwägungen in Worten vom Trotzkismus abrücken, so bleibt politisch die Frage nach dem Verhältnis zu der bestimmten internationalen Strömung: zur linken Opposition, offen. Sie riskieren gleich am nächsten Tage ein Opfer der Widersprüche Ihrer Maskierung zu werden. Eins von beiden: entweder werden Sie jedes Mal erklären müssen, worin Sie mit der linken Opposition nicht übereinstimmen, und folglich gegen sie tatsächlich kämpfen, – oder aber man wird Sie zwingen zu erklären, dass Sie den nur „Antitrotzkisten" spielen, um die Ideen der linken kommunistischen Opposition zu verteidigen. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.

Nein, das Versteckspielen in der Politik ist absolut unzulässig. Aus verschiedenen Anlässen habe ich schon mehrere Male die Worte eines französischen Schriftstellers zitiert: „Wenn du anfängst, deine Seele vor den Andern zu verstecken, wirst du sie schließlich auch selbst nicht mehr wiederfinden". Meine Erfahrung sagt mir, dass Sie sich nicht nur von pädagogischen Erwägungen, die, wie ich schon sagte, in keinem Falle die Maskierung rechtfertigen, leiten lassen. In der Tat werden Sie durch das Fehlen der Bereitschaft geleitet, sich der öffentlichen bürokratisch-verdichteten Meinung der Partei entgegen zu stellen. Dieses Fehlen der Bereitschaft wird am häufigsten durch das Nichtverstehen der ganzen Tiefe der Uneinigkeiten und der Größe der Sache, die unsere Strömung zu vollbringen hat, hervorgerufen. Die Zickzacksprünge des Stalinschen Zentrismus bringen heute manchen auf den Gedanken, dass die offizielle Führung durchaus nicht so schlecht ist; dass, wenn man nicht durch besonders scharfe Fragestellung reizt, man allmählich in das Bewusstsein der breiten Kreise der Partei eindringen, sich eine „Basis" schaffen und dann die Fahne ganz aufrollen könne.

Das ist eine von Grund aus falsche und sehr gefährliche Vorstellung. Eine neutrale Organisationsbasis existiert nicht. Wir können eine Basis nur Schritt für Schritt auf Grund ideellen Einflusses schaffen. Je tiefer verwurzelt die letzte gegen den Marxismus ist, je erstickender der Charakter des Antitrotzkistischen Terrors, desto schärfer, desto unversöhnlicher, desto kühner muss die Propaganda unsererseits sein. Der betäubte und eingeschüchterte, aber ehrliche Parteimann kann nur auf unsere Seite kommen, wenn er versteht, es geht um Leben und Tod der proletarischen Partei, Das bedeutet, dass Sie verpflichtet sind, alle Fragen offen zu stellen, ohne die „Isolation" zu fürchten. Alles Unausgesprochene, alles Verwischen, alles Vertuschen nützt nur dem Zentrismus, der vom Verschweigen, Verwischen, Vertuschen lebt.

Radek fing damit an, dass wir, die marxistische Opposition, sozusagen versuchen müssten, uns den Zentristen zu nähern, um sie nach links zu stoßen. Zu diesem Zwecke begann Radek die Widersprüche zu mildern, den Unterschied der Meinungen zu verkleinern. Und enden tat er damit, dass er auf allen Vieren mit einem Stricke um den Hals zu den Zentristen gekrochen ist und bekannt hat, dass sie Recht hätten und nicht die Opposition. Nach außen hin konnte es erst scheinen, als ob Radek sich von mir nur in Fragen der inneren Partei-Taktik unterscheide. Aber von allem Anfang war dem nicht so. Die innere Partei-Taktik hängt von der prinzipiellen politischen Linie ab. In Wirklichkeit blieb Radek immer linker Zentrist innerhalb der Opposition. Hierin ist nichts widernatürliches. Im Laufe der Jahre 1923-1928 hatte die Leitung der WKP und der Komintern, wenn man von Sinowjews Zick-Zack absieht, einen rechtszentristischen Charakter. In der Zeit zogen wir die linkszentristischen Elemente an.

Aber nach der Spaltung des rechts-zentristischen Blocks und der Linkswendung der Stalinisten sehen die Zentristen innerhalb der Opposition ihr Endziel als erreicht an und fangen beinahe an zu fürchten, dass Stalin unter dem Druck der linken Opposition noch mehr nach links rücken könnte. Darum beginnen jetzt Radek und die Anderen den offiziellen Zentrismus gegen die Opposition zu verteidigen und werden wohl morgen am Wagen des regierenden Blocks das fünfte Rad von rechts werden.

Jetzt kommen wir zu einer Frage, die, wie man mir mitteilte, sehr stark eine Reihe von Genossen in der Tschechoslowakei interessiert: das ist die allgemeine Frage nach unserem Verhältnis zu den Zentristen und Rechten. In Prag, sagt man, gibt es einen besonderen Philosophen der marxistischen Strategie und Taktik, der, zwar entfernt von der politischen Arena, sich trotzdem das Vergnügen nicht versagen kann, hinter den Kulissen vorwurfsvoll den Kopf zu schütteln über die Opposition, die seiner Ansicht nach zu scharf gegen die Zentristen und zu wenig gegen die Rechten kämpft.

Kann man eine pedantischere, eine leblosere, eine lächerlichere Fragestellung ausdenken? Ich würde es verstehen, wenn jemand sagen würde, dass, fortgerissen durch den Kampf gegen rechts, d. h. gegen die Zentristen und Rechten, wir uns nicht genügend den Ultralinken widersetzen. Diese Fragestellung, ungeachtet dessen, ob sie im gegebenen Moment richtig ist oder nicht, hat eine prinzipielle Grundlage. Im Kampf gegen die Rechte befinden wir uns in gemeinsamer Front mit den ultralinken und dürfen darum nicht die nötige Ideentrennung von ihnen vergessen. Die Zentristen aber, wie auch die Rechten, befinden sich rechts von uns. Wenn wir gegen den Zentrismus kämpfen, kämpfen wir doppelt gegen rechts, denn der Zentrismus ist nur eine gemilderte, maskierte, lügnerische Form des Opportunismus.

Selbstverständlich, wenn wir unsere Aufgaben nur auf die nackte Formel der Partei-Demokratie beschränkt hätten, würde es im Kampf gegen den bürokratischen Zentrismus zu einem Block mit den Rechten kommen können Aber diese Gefahr droht nicht uns, sondern gerade denen die Unstimmigkeiten verwischen, Gegensätze mildern und mit sanften Stimmchen eine „Verbesserung" des Parteiregimes fordern.

Es ist wahr, die tschechischen Rechten würden ganz gern mit dem „Trotzkismus" etwas kokettieren. Als Anhänger der .Partei-Demokratie sind sie gegen Verhaftungen und Verbannungen der russischen Opposition. Das ist aber eine billige Position und sie werden sie nicht halten. Der Klassenkampf, besonders während der revolutionären Epoche, ist undenkbar ohne Verhaftungen, Verbannungen und Repressalien im Allgemeinen. Man muss sich jedes mal klar Rechenschaft geben, wer verhaftet, wen man verhaftet und wofür man verhaftet. Die Frage wird durch die politische Linien gelöst. Wir, die Bolschewiki-Leninisten brauchen die Demokratie für die proletarische Avantgarde als Kampfwaffe gegen den Opportunismus und zur Vorbereitung der Revolution.

Es ist eine Tatsache, dass alle Niederlagen des Proletariats in allen Ländern der Welt in den letzten Jahren mit neuen Schlägen gegen die linke Opposition endigten. Die bürgerliche und sozialdemokratische Reaktion drückt die Sowjet-Republik, schwächt die kommunistischen Parteien in der ganzen Welt und vernichtet durch Stalins Apparat die sogenannten „Trotzkisten". Die Opposition stellt einen der Nervenbündel der ganzen politischen Lage dar. Im Kampf mit dem Trotzkismus hat Stalin eine gemeinsame Front mit der Bourgeoisie und Sozialdemokratie aller Länder. Jaroslawskis schmutzigen Verleumdungen steht jetzt die unbestreitbare und lebendige Tatsache der Weltpolitik gegenüber. Dem kann man nicht entgehen. Die Opposition ist eine kleine Minderheit, sie ist aber die Essenz der revolutionären Erfahrung des Proletariats, sie ist der Gärungsstoff revolutionärer Zukunft, die revolutionäre Mehrheit kann nur durch jene Strömung erobert werden, die unter den schwierigsten Bedingungen sich selbst treu bleiben kann. Die heutige reformistisch-pazifistische Strömung in Europa, – das Wachsen der Sozialdemokratie, der Labour Party in England – alles wird Schiffbruch erleiden, wie sehr auch der offizielle Kommunismus durch seine Politik die Sozialdemokratie unterstützen möge. Das Bedürfnis nach geistig vorbereiteten und revolutionär erprobten Kadern wird immer mehr wachsen. Wer zweifelt, schwankt und sich im Namen der Massen maskiert, der wird nicht gebraucht werden. Die Massen werden ihn verwerfen, wenn die prinzipiellen Fragen der Revolution an der Spitze stehen werden.

Die Weisen am grünen Tisch bringen es fertig, uns zu beschuldigen, dass wir zu sehr die Zentristen angreifen und – zu sehr die Rechten schonen. Nun, ist denn das nicht närrisch? Wir greifen doch die Zentristen gerade deshalb an, weil sie mit ihrer schwankenden und prinzipienlosen Politik nicht nur die rechten Tendenzen innerhalb oder in der Nähe der Partei nähren und befestigen, sondern auch in der Arbeiterklasse als Ganzen. Was für eine Bedeutung hat das bürokratische Strafgericht Stalins über Tomski und Bucharin, wenn die Gewerkschaften weiter unterdrückt werden, wenn die „Prawda" noch mehr als bisher ein Organ der Unwissenheit und Verleumdung bleibt, wenn die Autorität der Partei und der Arbeiterklasse sinkt und das Selbstbewusstsein der Arbeiterklasse wächst?

Welche Bedeutung hat Thälmanns Strafgericht über die Rechten oder die Versöhnler, wenn die ganze Politik der kommunistischen Partei die Sozialdemokratie nährt und im Bewusstsein der Arbeiter das Vertrauen und die Achtung zur kommunistischen Fahne untergräbt? Die Rykow, Bucharin, Tomski haben keine selbständige Bedeutung, ebenso wenig wie die Brandler, Thalheimer, Walcher, Konandi, Heku, Neurath* und Andere. Die Verstärkung des rechten Flügels im Kommunismus reflektiert nur den tieferen Prozess der Verrückung der Kräfte nach der kapitalistschen Reaktion hin. Dieser Prozess drückt sich mannigfaltig aus: dazu gehören: das Anwachsen der termidorianischen Elemente und Stimmungen in der Sowjet-Republik, das Anwachsen der Parteien der 2. Internationale, das Sinken des Einflusses des Kommunismus, die Vernichtung des revolutionären Flügels, d. h. der kommunistischen Opposition.

Selbstverständlich: nicht das Zentralkomitee der WKP und nicht das Präsidium der Komintern bestimmen den Gang der Weltgeschichte. Es gibt auch andere Faktoren. Aber, inwiefern die Gründe der entsetzlichen Niederlagen in allen Ländern der Welt beinahe ohne Ausnahme auf falscher Leitung beruhen, insofern fällt die Verantwortung ausschließlich auf den Zentrismus. Innerhalb der Partei ist das der Hauptfeind. Die Rechten sind jetzt ausgeschlossen. Ob die Gruppe der Versöhnler ausgeschlossen wird oder nicht, bleibt ohne ernstliche Bedeutung. Die Leitung der Partei ist in den Händen der Stalinisten, d. h. Zentristen. Sie fahren fort, die Partei zu zerstören, das Vertrauen zu ihr zu untergraben, ihre Zukunft zu vernichten. Darum führen wir den Hauptschlag gegen den Zentrismus. Das ist der Hauptfeind in der Partei, denn er verhindert die Lösung des Grundproblems der Revolution. In der UdSSR bremst der Zentrismus durch seine Schwankungen, die wirtschaftliche Entwicklung reizt die Bauernschaft und schwächt das Proletariat. In Deutschland ist der Zentrismus der treueste Waffenträger der Sozialdemokratie. In der Tschechoslowakei, wo die Sozialdemokratie schwach ist, bereitet der Zentrismus den Boden für ihre Verstärkung, denn die rechte tschechische Opposition, die er aufgezogen hat, wird zur Durchgangstür zur Sozialdemokratie werden. So ist unser Kampf gegen die Zentristen durch die Bedürfnisse unserer Hauptaufgabe in der Arbeiterklasse diktiert: die Vernichtung der opportunistischen Organisationen und die Sammlung der erdrückenden Mehrheit der Arbeiter um die kommunistische Fahne.

Um die Aufmerksamkeit der Partei von den Grundproblemen, d ,h, von ihren Grund-Fehlern und Verbrechen abzulenken, führen gerade jetzt die Zentristen das ganze Leben der Partei auf den Kampf gegen den rechten Feind zurück, d ,h, gegen die rechten Gruppen innerhalb der Partei, Und die linken Zentristen innerhalb oder neben der Opposition wollen mit dem Strom schwimmen und beeilen sich, eine Gönnermiene anzunehmen. In der Tat, was kann leichter sein: anstatt sich die Aufgabe einer Änderung des Programms, der Strategie, der Taktik und Organisation der Komintern zu stellen, beschäftigt man sich mit billigem „Kampf gegen die Rechten", zu dem man angespornt und der sogar bezahlt wird. Dabei spielen die führende Rolle in diesem Kampf solche abgebrühte Opportunisten wie Losowsky, Petrowski, Martinow, Kuusinen, Kolerow und Konsorten, Nein, wir stellen die Frage anders. Der Hauptfeind im Lande ist die imperialistische Bourgeoisie. Der Hauptfeind der Arbeiterklasse: die Sozialdemokratie .Der Hauptfeind in der Partei – der Zentrismus!

Sie weisen darauf hin, dass die tschechische kommunistische Partei als Massenpartei, durch „vorsichtige" umgehende Methoden unter Anwendung von Maskierung geschaffen wurde. Ich glaube, dass Sie sich irren. Die ganze Sache hing vom größeren revolutionären Elan der tschechischen Arbeiter ab, der durch die Nachkriegsbedingungen und durch die Enttäuschung über die selbständige natioale tschechische Republik hervorgerufen war. Aber wenn man auch zugibt, dass die diplomatische Leitung auch andere Massen in die Partei gezogen hat, so muss man auch hier noch fragen: ist das ein plus oder minus? Man sagt, dieses Jahr wären beinahe 30.000 Arbeiter aus der Partei ausgetreten. Was leicht erobert wird, verliert man auch leicht. Auf Missverständnissen und Unausgesprochenem baut man keine Avantgarde auf.

Wir haben dafür ein frisches und in seiner Art ein klassisches Beispiel in England gehabt. Die ganze Politik des Stalinschen Zentrismus war dort darauf gerichtet, die Gegenüberstellung von Kommunisten und Reformisten unmöglich zu machen. Man sollte stufenweise eine „Organisationsbasis" in den Trade-Unions schaffen und erst danach auf dieser Basis die revolutionäre Fahne entfalten, Sie wissen, was daraus entstanden ist. Als die Sache zur Abrechnung kam, hatte die kommunistische Partei alles in allem 50.000 Stimmen gesammelt.

Gerade Lenin wurde nicht nur einmal beschuldigt, dass er im Kampf mit den linken Zentristen die Rechten vergäße und ihnen helfe. Auch ich habe diese Beschuldigung gegen Lenin nicht nur einmal vorgebracht. Darin, und durchaus nicht in der permanenten Revolution war der Hauptfehler dessen, was man „historischen Trotzkismus" nennt. Um ein Bolschewik nicht nach Stalins Pass, aber der Tat nach zu werden, muss man voll und ganz den Sinn und die Bedeutung von Lenins Unversöhnlichkeit gegen den Zentrismus begreifen, ohne sie gibt es und kann es keine Wege zur proletarischen Revolution geben. Darum raten Sie dem Prager Philosophen, entweder offen auf die Szene zu treten und seine zentristischen Vorurteile gegen die bolschewistische Linie der Opposition zu formulieren, oder ganz zu schweigen und die jungen Genossen nicht durch pedantisches und lebloses Jammern zu verwirren.

Ob wir schnell oder langsam wachsen werden, das weiß ich nicht. Das hängt nicht nur von uns ab. Aber wir werden unvermeidlich wachsen – bei richtiger Politik. Die nächsten praktischen Aufgaben für unsere tschechischen Gesinnungsgenossen stelle ich mir z. B. so vor:

1. Die wichtigsten Dokumente der internationalen linken Opposition in der letzten Periode sofort in tschechischer Sprache herauszugeben.

2. Alle Bemühungen anwenden, ein periodisches Organ zu schaffen.

3. An die Ausarbeitung einer nationalen Plattform der tschechischen Sektion der Bolschewisten-Leninisten (Opposition) gehen.

4. Eine richtige Organisation der tschechoslowakischen Fraktion der Bolschewiki-Leninisten schaffen.

5. Aktiv teilnehmen an der Schaffung eines internationalen Organs der Opposition, das ihre geistige Einheit im internationalen Maßstab sichern soll

6. Überall, wo es möglich ist – in Versammlungen der kommunistischen Partei, der rechten Opposition, in offenen Arbeiterversammlungen ohne Maskierung auftreten mit klarer und scharfer Darstellung der Ansichten.

7. Eine unermüdliche erzieherische Arbeit leisten, auch in kleinen Kreisen oder in Beziehung zu einzelnen Personen.

8. In allen Fällen von Massenaktionen muss die Opposition in der ersten Reihe sein und ihre aufopfernde Ergebung der proletarischen Revolution beweisen.

Konstantinopel, den 1. Juli 1929.

L. Trotzki

* Neurath versuchte eine Zeit lang sich zur revolutionären Politik zu erheben, aber wie die meisten Sinowjew-Anhänger, hielt er den Druck nicht aus, kapitulierte vor dem Apparat und kroch nach rechts. An dieser lebendigen Erfahrung muss man lernen die Ideen, Gruppierungen und einzelne Personen zu erkennen und zu beurteilen.

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