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Leo Trotzki 19290304 Stalin organisiert trotzkistische Aufstände

Leo Trotzki: Stalin organisiert trotzkistische Aufstände

Ein Alarmruf von Leo Trotzki

[Nach Die Aktion, 19. Jahrgang, Heft 3-4 (Ende Mai 1929), Spalte 76-78]

Der Beschluss der Außerordentlichen Sitzung der GPU über die Ausweisung Trotzkis aus der UdSSR beschuldigt ihn der Organisierung der „konterrevolutionären" Partei, deren Tätigkeit „in der letzten Zeit" „auf die Vorbereitung des bewaffneten Kampfes gegen die Sowjetmacht" gerichtet war. Die Worte „in der letzten Zeit" sprechen von irgend einer radikalen Änderung, die in der Opposition vorgegangen sein soll, und sie muss daher als Grund für eine radikalere Politik der Repressalien gegen die Opposition dienen.

Stalin strebte schon lange danach, den „bewaffneten Aufstand" heranzuziehen. Die prinzipielle Festlegung der Opposition für eine radikale Reform der Partei und der Revolution erbrachte ernstliche Schwierigkeiten für die Politik Stalins. In ihrem Kampf gegen das Stalinsche Regime wies die Opposition mehr als einmal darauf hin, dass das Usurpatorentum der Bürokratie, je weiter desto mehr, gezwungen sein werde, sich im eigenen Interesse auf die Gefahr des bewaffneten Aufstandes seitens der Opposition zu berufen.

Am deutlichsten und zynischsten zeigte Stalin selbst diese Perspektive auf dem Augustplenum des ZK der WKP 1927, als er der Opposition zurief: „Wisst Ihr denn nicht, dass man diese Kader nur durch den Bürgerkrieg hinwegfegen kann?" Hiermit wurde der Apparat („Kader") offen über die Partei gestellt, und jeder Kampf um die Änderung der Politik oder des Bestandes des Apparates wurde im Voraus dem Bürgerkrieg gleichgesetzt. Die politische Position Stalins beruht dem „Wesen" nach hierauf und die GPU übersetzt sie nur in die Sprache der Repressalien.

Die Ausweisung Trotzkis und die drohende Ausweisung der bekannteren Oppositionellen haben den unmittelbaren Zweck, nicht nur die Leitung der Opposition politisch von den Arbeiter-Oppositionellen zu isolieren, sondern sie haben auch das Ziel, neue Voraussetzungen zu schaffen für neue schärfere Repressalien gegen die wachsende oppositionelle Masse.

Auf dem XV. Kongress erklärten die Stalinleute die vollständige „Liquidierung der Opposition" als eine vollendete Tatsache und versprachen eine vollständige „Einheitlichkeit" der Partei. Unterdessen ist aber im verflossenen Jahre die Opposition ernstlich an Zahl gewachsen und ist zu einem politischen Faktor im Leben der Arbeitermassen geworden. Im Jahre 1928 mussten die Stalinleute ihre Repressalien immer mehr verschärfen, was jedoch immer wieder ihre Unzulänglichkeit im Kampf gegen die richtige politische Linie zeigten. Die nackte Verkündigung, die Opposition sei „eine konterrevolutionäre Partei", ist nicht genügend: niemand nimmt sie ernst. Je mehr Oppositionelle ausgeschlossen und verschickt werden, desto mehr erstehen innerhalb der Partei. Auf dem Novemberplenum des ZK der WKP 1928 bekannte dies auch Stalin. Es bleibt ihm nur eins übrig: der Versuch, zwischen der offiziellen Partei und der Opposition einen blutigen Strich zu ziehen.

Die äußerste Not drängt ihn, die Opposition mit Attentaten, Vorbereitungen zum bewaffneten Aufstand usw. zu verbinden. Aber das schärfste Hindernis auf diesem Wege ist die führende Spitze der Opposition. Wie es schon ein Versuch mit dem „Wrangeloffizier " zeigte, welchen im Herbst 1927 Stalin der Opposition unterzuschieben versuchte, genügte eine laute Erklärung der Oppositionsführer, damit diese Stalinsche Schiebung auf ihn selbst zurückfiel.

Und, das wichtigste, eine physische Vernichtung der alten Revolutionäre, die der ganzen Welt bekannt sind würde an und für sich große politische Schwierigkeiten mit sich bringen. Hieraus folgt der Plan Stalins:

Die Opposition der „Vorbereitung zum bewaffneten Kampf" als Vorbedingung zu neuen Repressalien zu beschuldigen; in aller Eile den Kopf der Opposition des Landes zu verweisen, um sich damit die Hände frei zu machen für die Henkersarbeit an denjenigen Oppositionellen, deren Namen noch wenig bekannt sind, besonders im Ausland.

Unternehmen solcher Art – und nur solcher Art – pflegt Stalin bis zu Ende durchzudenken. Aus diesem Grunde muss man nach der Ausweisung der Oppositionsführer mit Bestimmtheit erwarten, dass die Stalinsche Clique die eine oder die andere „oppositionelle" Gruppe in Abenteuer hinreißen wird, um im Falle des Misserfolges ein „Attentat" oder eine „Militärische Verschwörung" zu fabrizieren und der Opposition zu unterschieben. Vor einigen Wochen ist schon solch ein Versuch gemacht worden, der nach allen Regeln der bonapartistischen Provokation aufgebaut war. Wenn es die Umstände erlauben, werden wir diesen mit Misserfolg gekrönten Versuch der Provokation in allen seinen Einzelheiten enthüllen. Vorläufig genügt es zu sagen, dass dieser Versuch nicht der letzte sein wird. Ihm werden andere folgen. Auf diesem Gebiet führt Stalin seine Pläne bis zu Ende durch. Es bleibt ihm ja auch nichts anderes übrig.

So sieht die augenblickliche Lage aus. Die kraftlose Politik des Lavierens und des Schweifwedelns, die sich ergebenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten, das wachsende Misstrauen der Partei zu der Leitung brachten Stalin zu der Notwendigkeit, die Partei mit einer neuen Inszenierung großen Maßstabes zu blenden. Ein Schlag ist nötig, eine Erschütterung, eine Katastrophe! All dieses der Welt laut zu sagen, bedeutet schon bis zu einem gewissen Grade die Ausübung der Stalinschen Pläne zu stören. Die Opposition der WKP vor den Stalinschen Unterschiebungen zu schützen, bedeutet die Oktoberrevolution und die Komintern vor den zersetzenden Stalinschen Methoden zu schützen.

Das ist die erste Aufgabe eines jeden echten Kommunisten-Revolutionärs. Man muss dem bonapartistischen Usurpatorentum den Weg versperren. Man muss seine Methoden entlarven, seine nächsten Schritte voraussehen! Man muss eine Entlarvungskampagne vor den internationalen Arbeitermassen führen.

Der Kampf um die Opposition verbindet sich hier mit dem Kampf um die Oktoberrevolution!

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