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Leo Trotzki 19300103 Einige Ergebnisse des sowjetisch-chinesischen Konflikts

Leo Trotzki: Einige Ergebnisse des sowjetisch-chinesischen Konflikts

[Nach Leo Trotzki: China, Band 2, Berlin 1975, S. 187-189]

1. Der Konflikt enthüllte, wie bekannt, in seiner letzten Phase die völlige militärische Machtlosigkeit der jetzigen chinesischen Machthaber. Das zeigt deutlicher als alles andere, dass wir es in China nicht mit einer siegreichen bürgerlichen Revolution zu tun haben, wie Louzon, Urbahns und andere meinen, denn eine siegreiche Revolution würde die Armee und die Macht stärken. In China haben wir eine siegreiche Konterrevolution, die sich gegen die erdrückende Mehrheit der Nation richtet und daher unfähig ist, eine Armee zu schaffen.

2. Dadurch wird aufs Neue und schlagend die Armseligkeit der menschewistischen Politik Stalin-Martynows zum Ausdruck gebracht, die – seit dem Jahr 1924 – davon ausgeht, dass die chinesische „National"-bourgeoisie imstande sei, an der Spitze der Revolution zu stehen. In Wirklichkeit aber zeigte sich die Bourgeoisie nur fähig – durch die politische Unterstützung der Komintern und die materielle Hilfe der Imperialisten – die Revolution zu zerschlagen und den chinesischen Staat damit in seine frühere Machtlosigkeit zurückfallen zu lassen.

3. Der sowjetisch-chinesische Konflikt zeigte in seiner militärischen Phase also das riesige Übergewicht der proletarischen Revolution – obgleich sie durch die verlogene Politik der Führung im Lauf einiger Jahre kraftlos gemacht wurde – über die bürgerliche Konterrevolution, die vom Imperialismus ernstzunehmende diplomatische und materielle Unterstützung bekommt.

4. Der Sieg der Oktoberrevolution über die Konterrevolution vom April (der Putsch Tschiang Kai-scheks in Schanghai im April 1927) ist auf keinen Fall ein Sieg der Politik Stalins. Im Gegenteil, diese erlitt eine Reihe schwerer Niederlagen. Selbst die Besitznahme der Ostchinesischen Eisenbahn schien die Bezahlung Tschiang Kai-scheks für die Dienste zu sein, die Stalin ihm geleistet hatte. Weiterhin war auch Stalins Einschätzung von Feng Yuxiang ganz jämmerlich. Die Opposition warnte seit April 1927 unermüdlich vor einem abenteuerlichen Zusammengehen mit Feng Yuxiang gegen Tschiang Kai-schek, wie sie vor dem April gegen den Block Stalins mit Tschiang Kai-schek protestiert hatte.

5. Einen nicht weniger schweren Schlag erlitt die prinzipienlose Einstellung gegenüber dem Kellogg-Pakt. Der Beitritt der sowjetischen Regierung zum Pakt des amerikanischen Imperialismus war nicht nur eine schändliche, sondern zudem eine sinnlose Kapitulation der Sowjetregierung. Indem Stalin diesem Pakt, diesem scheinbaren Friedensstifter, beitrat, half er ganz eindeutig der amerikanischen Regierung dabei, die Arbeitermassen Amerikas und Europas zu betrügen. Welches Ziel verfolgte er hierbei? Offensichtlich, sich die Dankbarkeit der amerikanischen Regierung zuverdienen, um dadurch die Anerkennung zu beschleunigen. Dies Ziel stellte sich, wie auch nicht anders zu erwarten war, als unerreichbar heraus, denn die amerikanische Regierung hatte keinerlei Grund,für etwas zu belohnen, was sie bereite umsonst erhalten hatte. Zur gleichen Zeit benutzte New York den erstmöglichen Anlass, um sich – auf den Kellogg-Pakt gestützt, zum Beschützer Chinas gegen die Sowjetunion aufzuspielen. Moskau musste darauf mit einem scharfen Dementi reagieren. Das war richtig und unvermeidlich. Es ist jedoch vollkommen klar, dass diese erzwungene Demonstration gegen den Einmischungsversuch von Seiten der amerikanischen Regierung bis heute die verbrecherische Leichtfertigkeit deckt, mit der Stalin dem Kellogg-Pakt beitrat.

6. – Es bleibt noch die Frage über die revolutionäre kommunistische Abteilung unter Führung von Zhu De. Die „Prawda" informierte darüber kurz bevor der Konflikt in sein militärisches Stadium trat. Danach haben wir nichts mehr über jene chinesischen Arbeiter und Bauern gehört, denen irgendjemand befohlen hatte, unter dem Banner des Kommunismus zu kämpfen. Welches Ziel hatte dieser Kampf? Welche Rolle spielte die Partei in ihm? Was war das Schicksal der Abteilung? Und schließlich, in welcher geheimen Küche wurden und werden solche Fragen entschieden?

In Bezug auf diesen letzten aber deshalb nicht weniger wichtigen Punkt gibt es noch keine Ergebnisse. Es spricht aber alles dafür, dass das bürokratische Abenteurertum auch hier die Verantwortung für die Schwächung und Erschöpfung der Reserven der chinesischen Revolution trägt.

3. Januar 1930

L. Trotzki

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