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Leo Trotzki 19300516 Urbahns und die Internationale Linksopposition

Leo Trotzki: Urbahns und die Internationale Linksopposition

[nach Internationales Bulletin der Kommunistischen Linksopposition, No. 5, März 1931, S. 19 f.]

[In seinem Organ stellt Urbahns bei verschiedenen Anlässen die Behauptung auf, die internationale Linke habe ihn „ausgeschlossen", ohne die Meinungsverschiedenheiten zu prüfen und ohne dass diese Meinungsverschiedenheiten seinen „Ausschluss" rechtfertigen würden. Die eine wie die andere Behauptung ist erdacht und widerspiegelt eine Methode, die Urbahns nicht nur von der Linken Opposition sondern überhaupt von jedem ernsten Kommunisten trennt, indem sie die elementarste Voraussetzung der revolutionären Politik mit Füßen tritt – auszusprechen, was ist, d.h. die Tatsachen wie die Ansichten in ihrer wahren Gestalt wiederzugeben.

Die Internationale Opposition hat Urbahns nie ausgeschlossen, denn er war ihr nie beigetreten. Aufgefordert, an der vorbereitenden Internationalen Konferenz der Linken teilzunehmen, sich über deren Aufgaben zu äußern, sowie die eigenen Ansichten über die Grundprobleme der kommunistischen Bewegung zu formulieren, kündigte Urbahns in N° 22 des „Volkswille" (8. März 1930) seine Bereitschaft zur Mitarbeit und die Unterbreitung von.Vorschlägen an, ohne dieses Versprechen bis heute erfüllt zu haben.

Das will natürlich durchaus nicht besagen, dass die Internationale Opposition die organisatorische Gemeinschaft auf einer anderen Basis geteilt hatte, als jener, die sie sich gerade im Kampfe mit dem Urbahnsismus in Deutschland, Frankreich, Belgien usw. erobert hat. Nein, das besagt nur, dass Urbahns nicht den geringsten Versuch unternommen hat, seine Vorschläge und Aussichten der Internationalen Opposition zur Diskussion zu stellen und sie so in die Lage zu versetzen, ihn „auszuschließen". Oder in ihre Reihen einzubeziehen, und dass er ebenso wenig versuchte, in einer sachlichen und ernsten Weise an dem ideellen Leben der Internationalen Opposition seit seinem „Ausschluss“ teilzunehmen. Diese doppelte Irreführung der Mitglieder des Leninbundes ist ja gerade der Ausdruck jenes Nationalempirismus und jener falschen Methoden, die Urbahns in Gegensatz zur Internationalen Opposition gebracht haben.

Wie sehr die nationalistische Schule des Urbahnsismus in manchen ehrlichen kommunistischen Arbeitern Fuß gefasst hat, kann ein Antwortschreiben des Genossen Trotzki an eine Lokalorganisation des Leninbundes bezeugen. Das Schreiben datiert vom 16. Mai 1930. Seither hat sich an der Einstellung des Leninbundes leider nichts Wesentliches geändert, wie jede Nummer seines Organs von Neuem beweist..

Der betreffende Teil des Genossen Trotzki hat folgenden Wortlaut:]

Werte Genossen,

die Verspätung meiner Antwort erklärt sich nicht nur durch meine ziemlich große Korrespondenz und andere Arbeiten sondern auch dadurch,dass ich eine gewisse Zeit zweifelte, inwieweit es zweckmäßig sein kann, nach der organisatorischen Spaltung eine Polemik in Privatbriefen zu beginnen: es gibt jetzt in Deutschland zwei Organe, in denen man die Polemik führen kann, in einer Weise, wo auch die dritten Personen, die ziemlich zahlreich sind, davon etwas lernen können. Um aber eine Gelegenheit nicht zu versäumen, um Missverständnisse (wenn es nichts als Missverständnisse sind) zu beseitigen, will ich versuchen, Ihnen Brief auch privat zu beantworten.

Das Hauptargument Ihres Briefes, – übrigens das Hauptargument von Urbahns – besteht darin, „dass man die deutschen Angelegenheiten nicht durch die russische Brille ansehen soll". Dieses Argument aber ist die wichtigste Ursache der Spaltung, denn es ist ein nationales, richtiger gesagt nationalistisches Argument, das mit dem Internationalen Standpunkt nichts gemein hat. Ich bin gewohnt, deutsche, wie russische Angelegenheiten durch die marxistische Brille anzuschauen und diese Gewohnheit haben mir die Sozialchauvinisten nicht abgewöhnen können, die behaupten, wir unversöhnlichen Marxisten schauen die russischen Angelegenheiten durch die deutsche (Marx war ein Deutscher) Brille an. Eine revolutionäre oder richtiger quasirevolutionäre Tendenz, die national und nicht international ist, beweist schon dadurch, dass sie unmarxistisch und antimarxistisch ist. Die Tatsache selbst, dass der Leninbund jetzt keine Gesinnungsgenossen auf internationalem Boden hat, verurteilt ihn vom marxistischen Standpunkt unerbittlich. Urbahns berief sich in Frankreich auf den „Contre le courant“. Der ist aber seither in Stücke zerfallen und existiert nicht mehr. Urbahns berief sich auf einen Teil der amerikanischen Genossen; die haben diese Berufung entschieden zurückgewiesen. Das beweist, dass die Brille des Leninbundes vielleicht deutsch, aber nicht marxistisch ist.

Sie behaupten, liebe Genossen, man kann aus Konstantinopel deutsche Verhältnisse nicht richtig beurteilen, das gebe ich auch zu und ich habe mich über die internen deutschen Fragen immer mit größter Vorsicht geäußert. Glauben Sie aber, dass es viel leichter ist, von Berlin oder Wattenscheid die russischen, französischen und chinesischen Angelegenheiten zu betrachten? Der Ausgangspunkt des Streites war ja die Frage des Klassencharakter des Sowjetstaates. Soll ich Urbahns und Ihnen das Recht absprechen, sich darüber zu äußern, weil Sie In Deutschland leben? Nein, das tue ich nicht! Ihren Standpunkt kann ich nicht akzeptieren – nicht weil er deutsch, sondern weil er falsch ist. Wir haben in Russland Elemente, die auf dem gleichen Standpunkt stehen (Mjasnikow zum Beispiel), und da die Linksopposition mit diesem Element In Russland keine gemeinsame Arbeit führen kann wieso könnten wir in Deutschland dem Leninbund zuliebe mit unserer prinzipiellen Linie brechen. Das werden Sie, wenn sie die Sache näher betrachten, von uns nicht fordern. Der fundamentale Fehler von Urbahns bezieht sich a) auf die Theorie des Staates überhaupt (er ist im Grunde mit Otto Bauer gegen Marx, Engels und Lenin). b) auf die Einschätzung des Sowjetstaates. c) auf die Lehren der chinesischen Revolution. d) auf das Verhältnis zur KI und der KPD. – Dies sind ja alles keine internen deutschen Angelegenheiten, über die es schwierig wäre, von hier aus sich ein konkretes Urteil zu bilden. Nein, es handelt sich hier um die prinzipiellsten und fundamentalsten Fragen der kommunistischen Theorie and internationalen kommunistischen Politik.

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