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Albert Glotzer 1931117 Auszug aus dem Ergebnis einer Diskussion

Albert Glotzer: Auszug aus dem Ergebnis einer Diskussion

[nach Internationales Bulletin der Kommunistischen Linksopposition, No. 13, Januar 1932, S. 13 f.]

Die folgenden Punkte sind das Ergebnis einer Diskussion mit dem Gen Trotzki über die englischen Fragen, sie bilden eine wichtige Diskussionsbasis zu der Frage nach den Bedingungen einer revolutionären Situation,

1. ) Zu unterscheiden ist zwischen den ökonomischen und sozialen Voraussetzungen einer revolutionären Situation und der revol. Situation selbst.

2. ) Die sozialen und ökonomischen Voraussetzungen einer revol. Situation beginnen mit dem Niedergang der Produktionskräfte des Landes, mit der sinkenden Bedeutung eines kapitalistischen Landes auf dem Weltmarkt und dem sinkenden Einkommen der Klassen; wenn die Arbeitslosigkeit zur Dauererscheinung wird. Diese Voraussetzungen sind in England erfüllt. Man darf aber nicht vergessen, dass der Begriff revol. Situation nicht nur ein soziologischer, sondern ein politischer ist.

3. ) Sie erfordert einen Bruch mit der Ideologie der Gesellschaft und ihrer verschiedenen Klassen.

a) Das englische Proletariat weiß sehr gut, dass die ökonomische Situation sich immer mehr zuspitzt; aber eine revolutionäre Situation beginnt erst, wenn das Proletariat den Ausweg nicht mehr auf der Basis der alten Gesellschaft sucht, sondern auf dem Weg der revolutionären Erhebung gegen die bestehende Ordnung.

b) Die revolutionäre Situation ist weiter charakterisiert durch das fehlende Vertrauen der Mittelklassen in alle traditionellen Parteien (einschließlich der Labour Party, die reformistisch, d.h. konservativ ist) durch die Hoffnung auf eine radikale revol. Änderung der Gesellschaft (und nicht auf eine konterrevolutionäre Änderung, d.h. eine faschistische).

c) Dem entspricht die geistige Haltung der herrschenden Klasse; die keine Möglichkeit mehr sieht, das System zu retten, die das Vertrauen in sich selbst verliert, sich zersetzt und in Fraktionen und Cliquen zersplittert.

4. ) Wenn wir diese Kriterien auf die englische .Situation anwenden, ergibt sich

a) dass die ökonomischen und sozialen Voraussetzungen sich immer mehr verschärfen

b) indessen fehlt noch die psychologische Widerspiegelung dieser ökonom. Voraussetzungen, die Anpassung der Ideologie der verschiedenen Klassen an diese katastrophale und unerträgliche Situation in England.

5. ) In politischer Sprache heißt das :

a) dass das Proletariat nicht nur das Vertrauen in die Konservativen und Liberalen verlieren muss, sondern auch in die Labour Party.

b) dass die Mittelklasse das Vertrauen in die Großbourgeoisie verlieren muss, in die Lords, und sich ans Proletariat orientieren muss.

c) dass die besitzenden Klassen, die leitenden Cliquen das Vertrauen in sich selbst verlieren müssen.

6. ) Das wird unweigerlich eintreten. Aber heute ist es noch nicht so weit. Es kann sehr rasch während dieser scharfen Krise eintreten – in 2 oder 3 Jahren, vielleicht in einem Jahr.

7. ) Die politischen Bedingungen einer revolut. Situation entwickeln sich mehr oder weniger parallel , d.h. aber nicht, dass sie im gleichen Moment reif sind - hier liegt die Gefahr für die Situation des England von Morgen. Unter den heranreifenden politischen Bedingungen ist am meisten zurück die revolut. Partei des Proletariats. Es besteht also die Gefahr, dass wir morgen eine genügend revol. Situation haben ohne eine genügend revolutionäre Partei – eine Wiederholung der deutschen Situation 1923.

8. ) Schlussfolgerung: Es ist absolut falsch, zu behaupten, England befinde sich jetzt zwischen Demokratie und Faschismus. Die faschistische Ära beginnt nach einem wichtigen nur für gewisse Zeit entschiedenen Sieg der Bourgeoisie über die Arbeiterklasse. Die großen Schlachten in England liegen also noch vor uns. Es ist viel wahrscheinlicher, dass die kommende politische Ära in England eine liberale-labouristische sein wird, was gerade für Ergland in der nahen Zukunft eine viel größere Gefahr bedeutet als das Phantom des Faschismus. Wir haben diese Periode mit „britische Kerenskiade" bezeichnet. Aber nicht jede Kerenski-Regierung braucht so schwach zu sein wie die russische es dank der großen Kraft der bolschewistischen Partei war. Wir sehen z.B.. jetzt in Spanien, dass die Kerenskiade – Koalition der Liberalen mit den „Sozialisten" – keinesfalls so schwach ist wie damals in Russland, und zwar als Folge der Schwäche der komm. Partei. Kerenskitum bedeutet für uns Ausnutzung „revolution.“, „demokratischer", „sozialistischer“ Phrasen durch die Reformisten, gewisse zweitrangige demokratische, soziale Reformen, gleichzeitig begleitet von einer Unterdrückung des linken Frügels der Arbeiterklasse.

Diese Methode ist der faschistischen entgegengesetzt, aber sie verfolgt das gleiche Ziel. Man darf sich nicht selbst hypnotisieren mit dem Phantom des Faschismus von morgen, die Labour Party. Die reformistische Partei, der Block der Liberalen und der Sozialisten kann die Gefahr von morgen sein. Die faschistische Gefahr wird erst in 3. und 4. Phase stehen.

Komm. Gruß

Albert Glotzer.

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