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Leo Trotzki 19310505 Aus einem Brief des Gen. Trotzki

Leo Trotzki: Aus einem Brief des Gen. Trotzki

[Nach Mitteilungsblatt der Reichsleitung der Linken Opposition der KPD, Nr. 1 (Juni 1931), S. 3-9]

Kadiköy, d. 5. 5. 31.

Lieber Freund!. . . . . . . . . . .

Für Artikel und Rundschreiben habe ich gegenwärtig keine Zeit und für die nächsten zwei, drei Monate ist es „nicht vorauszusehen“. Ich will daher in diesem Schreiben über eine Reihe prinzipiellen und praktischer Fragen der Internationalen Linken sprechen, damit Du davon in dieser oder jener Form allen Genossen gegenüber Gebrauch machen kannst, die die hier zum Ausdruck gebrachten Erwägungen interessieren können,

1, Die Brandlerianer sagen, wir seien eine „Sekte" während sie für „Massenbewegung" seien. Im Allgemeinen gesprochen, ist das die klassische Beschuldigung, die den Bolschewiki die Menschewiki vorgehalten haben. In der Periode der Konterrevolution passten die Menschewiki sich [an,] teils schmierten sie sich allen Formen der Arbeiterbewegung an, die Bolschewiki schufen und erzogen Kader. In einer anderen Situation, unter anderen Bedingungen, auf einer anderen Entwicklungsstufe, doch gerade darin besteht gegenwärtig der Gegensatz zwischen linker und rechter Opposition. Der ungeheure Unterschied der jetzigen Lage besteht darin, dass außer linker und rechter Opposition die offizielle Partei besteht, die in den verschiedenen Ländern eine verschiedene Kraft darstellt, im Allgemeinen aber doch ein gigantischer Faktor der internationalen Arbeiterbewegung ist. Das vollkommene Unverständnis dessen bei Urbahns, das halbe Verständnis dessen bei Naville macht auch ihre Position unfruchtbar. Die offizielle Partei stellt, besonders in Deutschland, einen ungeheuren Faktor dar, doch man muss sich klare Rechenschaft ablegen über den völlig eigenartigen Charakter dieser Tatsache.

Was macht die Kraft der KPD aus?

a) Die tiefe sozial-nationale Krise in Deutschland.

b) Die Tradition der Oktoberrevolution und vor allem die Existenz der UdSSR.

Diese beiden Faktoren sind sehr wichtig, doch sie reichen nicht aus, den „Geist“ der Partei zu schaffen. Die Standhaftigkeit der Partei, ihre selbständige Kraft wird durch das innere ideelle Band der Kader und deren durch die Erfahrung überprüfte Autorität in den Augen der Massen bestimmt. Gerade dieses Element der Partei ist in der heutigen Komintern und darunter auch in der deutschen Partei außerordentlich schwach. Und diese Schwäche wird am besten ausgedrückt durch die Figur Thälmanns. Stellt man sich eine Minute vor, die UdSSR existierte nicht, die KPD wäre der offiziellen Unterstützung beraubt, so ist nicht schwer zu begreifen, dass in der deutschen Partei unverzüglich ungeheure geistige Zersetzung und agitatorischer Verfall einsetzen würde. In der Person Thälmanns glaubt man an Sowjetstaat und Oktoberrevolution. Ohne diese beiden Stützen ist der Thälmannsche Apparat ein öder Platz.

Im Plattformentwurf wird eingehend der Zustand der RKP charakterisiert, die sich gänzlich an den administrativen Apparat hält.

Die innere ideologische Verschmelzung ist gegenwärtig so sehr formell und widerspruchsvoll, dass bei dem ersten ernsten Anstoß die Partei in mehrere Teile zerfallen wird. Wir sehen somit im Bestand der Komintern zumindest zwei gewaltige Organisationen, die stark als Organisationen, aber äußerst schwach als Parteien sind. Gerade dadurch wird – für die nächste Periode – unsere Rolle als Fraktion der offiziellen Partei gegenüber bestimmt. Wir schaffen in erster Linie die Voraussetzungen und Elemente der Kristallisation innerhalb der offiziellen Partei selbst. Wir schaffen Kader. Ob wir eine Sekte sind oder nicht, das wird nicht bestimmt durch die Quantität jener Elemente, die sich heute um unser Banner geschart haben, (und sogar nicht durch die Qualität dieser Elemente, denn sie sind weitaus nicht alle von der besten Qualität) sondern durch die Gesamtheit jener programmatischen, taktischen und organisatorischen Ideen, die die betreffende Gruppierung in die Bewegung hinein trägt. Der Kampf der Linksopposition hat daher im gegebenen Stadium in erster Linie programmatischen und prinzipiell-strategischen Charakter. Zu sagen: „Man muss sich den Bedürfnissen der Massen zuwenden" und diesen Gemeinplatz der Linksopposition entgegenstellen, heißt in selbstmörderische Plattheit verfallen, denn es geht ja gerade darum, mit welchen Ideen sich an die Massen wenden, unter welchen Kriterien die Forderungen und darunter auch die Teilforderungen auszuarbeiten. In einer gewissen Periode hatten sich die Stalinisten in China an gewaltige Massen gewandt. Aber womit hatten sie sich ihnen zugewandt? Mit dem Programm, und den Methoden des Menschewismus. Und sie haben die Revolution zu Grunde gerichtet. Wenn die Brandlerianer sagen: „Wir können die deutschen Arbeiter nicht mit der chinesischen Revolution füttern", so beweisen sie damit nicht ihren angeblichen Realismus, sondern ihre opportunistische Plattheit. Die spanischen Kommunisten. die sich nicht die Erfahrungen der chinesischen Revolution angeeignet haben, können die spanische Revolution zu Grunde richten. Sobald sich aber eine revolutionäre Situation in Deutschland entwickeln wird, werden die deutschen Arbeiter Nachfrage nach Kader zeigen, denen die Lehren der russischen, chinesischen und spanischen Revolution in Fleisch und Blut übergegangen sind, während wir erst Kaders erziehen oder vorzuerziehen beginnen, stellen die Brandlerianer der Kadererziehung die Massenarbeit gegenüber. Sie werden daher weder dies noch das andere jemals haben. Ohne prinzipielle Einstellung in den grundlegenden Fragen und daher ohne Möglichkeit einer wirklichen Erziehung von Kadern beschäftigen sie sich mit Imitation von Massenarbeit. Doch auf diesem Gebiet ist die Sozialdemokratie einerseits, die KPD andererseits unvergleichlich stärker als sie. Die Tatsache allein, dass verzweifelte Brandlerianer versuchen, Antwort auf die Grundfragen bei uns zu. finden, wenn auch mit Halbheit und ängstlich, weist den Weg, auf dem sich die Kader der Linksopposition heranbilden werden, – nicht nur auf Kosten der offiziellen Partei.

2. Die Brandlerianer, Urbahns, Sneevliet sind einig darin, dass unsere Politik sektiererischen Charakter hat. Im Wesen nähern sich ihnen Frey, Landau und Naville, lediglich ohne ihren Gedanken teils zu Ende zu denken, teils zu Ende zu sprechen. Nehmen wir Urbahns. Er hat mehr als einmal in seiner Zeitung wiederholt: „Die Linksopposition fordert, man müsse jedes Komma Trotzkis anerkennen". Man kann Urbahns für diese offene und klare Fragestellung nur danken. Vernünftige und ernste Arbeiter der Linksopposition brauchen sich nicht zu scheuen, die Frage auch auf dieser Ebene aufzuwerfen, da sie nun einmal von unseren Gegnern gestellt wird. Wir haben mit Urbahns keine geringeren Differenzen als in Bezug auf den Klassencharakter der UdSSR, darüber, ob wir eine Partei oder Fraktion sind, und ob wir im Moment der Kriegsgefahr auf Seiten der USSR sein müssen oder erst eine Diskussion eröffnen, auf wessen Seite wir sind; auf Seiten des konterrevolutionären China oder der Sowjetrepublik. Diese Fragen nennt Urbahns „Komma Trotzkis“. Damit allein enthüllt er seine ungeheure Leichtfertigkeit, seinen Bohème- oder Lumpenproletarier-Zynismus. Er beweist damit, dass die Sache für ihn sich um seinen kleinen Laden dreht und gar nicht um die Grundprobleme der Weltrevolution. Nicht genug damit. Indem er vom „Komma Trotzkis“ spricht, ignoriert Urbahns die russische Opposition und ihre gesamte Erfahrung, ihren gesamten Kampf auf verschiedenen Fronten wie auch ihre Plattform. Unser unversöhnliches Verhalten zum Mjasnikowismus, unser Bruch mit den Sapronowisten, ist das alles ein „Komma Trotzkis"? Und die Hunderte, die Tausende alter Revolutionäre mit großer Erfahrung, die Jahre im Kerker und Verbannung verbringen und auch dort den Kampf gegen den Sapronowismus fortsetzen, tun sie denn das alles um eines „Kommas Trotzkis“ willen? Schmach und Schande! Schließlich, wenn nach Urbahns Meinung die Sache aufs „Komma" hinausläuft, welches Recht hat er dann, eines Satzzeichens wegen mit der Internationalen Linken zu brechen und sich außerhalb deren Reihen zu stellen, Seine Position besteht aus ideellem Scharlatanismus und ideellem Adventurismus.

Muss man sich bei Sneevliet aufhalten? Er beteuert, nichts mit der Internationale gemeinsam zu haben, doch Beteuerungen glauben wir nicht. Er arbeitet Hand in Hand mit Roland-Holst und unterstützt auf der ganzen Linie Monatte, dessen Artikel er systematisch abdruckt. Roland-Holst tritt für die Vereinigung der 2. u. 3. Internationale ein, Monatte steht zwischen den Reformisten gegen die Kommunisten, Sneevliet aber macht Block mit Monatte und Roland-Holst gegen uns. Und um diesen direkten Verrat am Kommunismus zu rechtfertigen, sagt Sneevliet: „Bei uns verlangt man die Anerkennung jedes ,Kommas Trotzkis'“. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass Sneevliet gezwungen ist, sich vor den eigenen Arbeitern zu rechtfertigen, warum er mit Roland-Holst und nicht mit den Revolutionären arbeitet, Statt ehrlich zu antworten: „Roland-Holst steht mir in allen Grundfragen näher als diese heute", sagt Sneevliet: „Dort verlangen sie Eide auf Satzzeichen" Ist denn das nicht reinster Scharlatanismus? Kann man dann Menschen ernst nehmen, die so urteilen? Oder noch ärger: kann man Politiker achten, die auf solche Art die Arbeiter hinters Licht führen?

In den Bemerkungen der Brandlerianer gibt es einen Punkt, der wirklich beachtenswert ist. Sie beschuldigen uns, wir hätten bis heute keine konkrete Analyse der deutschen Situation im Jahre 1923 gegeben. Dies ist an und für sich wahr. Ich habe schon mehr als einmal vor deutschen Genossen auf die Notwendigkeit gedrungen, eine solche Arbeit zu unternehmen. Doch wie kam ich persönlich zu meinen Schlüssen ohne „konkrete Analyse" der deutschen Situation im Jahre 1923? Sehr einfach. Ich habe mich mit dieser Bewertung nicht nachträglich befasst, sondern politisch die Situation von 1923 miterlebt, indem ich sie in Zeitungen, Gesprächen mit deutschen Genossen usw. verfolgte. Meine Vorstellung über die deutsche Lage hatte sich ebenso herausgebildet wie meine Vorstellung über die russische Lage in den Jahren 1905 und 1917. Selbstverständlich muss man jetzt, nachträglich, besonders soweit es sich um die junge Generation handelt, die damalige Lage an Hand von Tatsachen und Zahlen theoretisch rekonstruieren. Diese Arbeit muss die Linke Opposition vollbringen und sie tut es. Aber hier gehen wir wieder mit den Brandlerianern auseinander, ebenso wie in allen anderen Grundfragen der Weltentwicklung. Thalheimer bewertet mit gelahrter Miene die Lage von 1923. Aber hat er auch nur irgend etwas von der chinesischen Lage im Jahre 1927 verstanden? Oder von der russischen Lage in der Periode des anglo-russischen Komitees? Hat er denn eine Einstellung zum Problem der sogenannten permanenten Revolution, die gegenwärtig in Spanien brennenden Charakter annimmt? Die Brandlerianer werden es immer als gewissenlos ansehen, sie für das Jahr 1923 anzuklagen, weil sie ihre opportunistischen Kriterien im Jahre 1931 bewahrt und vertieft haben.

4. Frey, Landau, in hohem Maße Naville schaffen sich eine neue politische Legislation von ausnehmender Tiefsinnigkeit. In der Politik sind sie mit Trotzki einverstanden, aber seine Organisationsmethoden sind falsch. Nicht einer von ihnen hat sich bisher die Mühe gegeben, klar und deutlich zu Papier zu bringen, was er eigentlich unter Organisationsmethoden versteht. Die erwähnten Leute wie auch manche andere, beginnen, sich über Organisationsmethoden jedes Mal in dem Moment zu beklagen, wo es sich nötig erweist, sie politischer Kritik zu unterziehen. Nehmen wir Frey. In einer Reihe von Jahren machte er seine nationale Opposition in einem Lande und bezeugte höchste Gleichgültigkeit in Bezug auf das, was sich außerhalb seiner Grenzen abspielt, darunter auch in der UdSSR. Er war der Linksopposition bloß deshalb beigetreten, um eine „autoritäre internationale Deckung“ für seine nationalen Angelegenheiten zu haben, worin seine einzige Bedingung darin bestand, als Führer anerkannt und im Übrigen in Ruhe gelassen zu werden. Als man diese Bedingung nicht erfüllt hatte, verließ er die Reihen der Internationalen Linken unter dem Vorwand, dass dort unrichtige „Organisationsmethoden“ herrschen, d. h. er fand auch sein „Komma“. Doch wenn diese Methoden unrichtig sind, – bei sozusagen richtiger prinzipieller Basis, – ist es da nicht direkte Pflicht eines Marxisten-Revolutionärs, den anderen nationalen Sektionen zu helfen, sich von diesen unrichtigen Organisationsmethoden zu befreien? Ist es denn möglich, aus der internationalen Organisation zu desertieren, nur deshalb, weil dort unrichtige Organisationsmethoden herrschen? Gleichzeitig fordert Frey, man möge seine Organisation in die österreichische Partei wieder aufnehmen, ungeachtet dessen, dass dort auch sozusagen unrichtige Methoden herrschen. Frey beweist damit, dass sein Internationalismus ein äußerlicher, zur Schau gestellter, zur Deckung dienender ist. Im Grunde aber ist er Austro-Opportunist. Das ist durchaus keine „Organisationsfrage“. Hier geht es um das Wesen der Position selbst. Frey hat mit uns gebrochen, weil er kein revolutionärer Internationalist ist. Aber er deckt sich sich mit einen organisatorischen Komma, weil es für ihn unvorteilhaft ist, das Wesen seines Bruchs mit uns zu erklären.

5. Landau stellt in jeder Beziehung Freys Schüler dar, doch gleichzeitig seine Karikatur, und dabei eine solche schlechte Karikatur. In meinen Rundschreiben habe ich aufgezeigt (in dar gleichen Richtung ist vieles im Brief des Gen. Frankel dargelegt), mit welcher Leichtigkeit Landau alle Vorschläge kritiklos und ungeprüft akzeptiert und gutheißt, wenn sie sich nur auf die UdSSR, China, Spanien usw. beziehen. Niemand hat so maßlose und deplatzierte Loblieder auf die russische Opposition und ihre Führer geschrieben wie Landau. Doch er ist unverzüglich auch bereit, alles abzulehnen. zu widerlegen und anzuschwärzen. sobald es nur seine eigenen nationalen Sachen und Sächlein berührt. Als ob die Frage des „Mahnruf" eine Organisationsfrage wäre. Nein, das ist eine Frage ideeller Ehrenhaftigkeit und revolutionärer Sauberkeit. Wir können nichts gemein haben mit einer Gruppe. die auf Schritt und Tritt ihre prinzipielle Position ändert und ohne jegliche Begründung einen Menschen der Spitzelei anklagt, der sich von ihr getrennt hat. Solche Leute und solche Gruppen muss man mit einem Besen aus der revolutionären Organisation heraus treiben. Wo sind die Organisationsmethoden?

Landau hat entschieden nichts von den französischen Dingen verstanden – der Arme! –, solange Naville gemeinsam mit Gourget eine antikommunistische Politik in der Gewerkschaftsfrage trieben.

Doch sobald nur Molinier einen offensichtlichen taktischen Fehler in der Streikfrage begangen hatte, zeigte sich, dass Landau all dies ausgezeichnet kennt und nun sogar Rundschreiben über dieses Thema verfasst. Er zeigt damit, dass er sich um die französischen Dinge den Teufel schert, aber Naville für seine austro-germanischen Dinge braucht; ob aber Naville dabei eine syndikalistische oder marxistische Politik fährt, darüber beunruhigt sich Landau ganz und gar nicht. Gewiss, in Worten imitiert Landau Internationalismus, doch wir urteilen nach Taten, nicht nach Worten.

Indem er ganz sein Vorbild Frey nachahmt, klagt Landau über die Organisationsmethoden. Wir sind ja zu Organisationsmethoden im internationalen Maßstab doch noch gar nicht einmal gelangt. Wir befinden uns noch erst in der Periode der vorläufigen Auslese und Abgrenzung. Man muss auch offen sagen, dass unter den Namen der Linksopposition sich in den verschiedenen Ländern die verschiedendsten Elemente und leider nicht immer von der besten Sorte gesammelt haben. Viele, sehr viele haben ihre Zirkelkombinationen, kleinbürgerlichen Konservatismus, nationale Beschränktheit mit allgemeinen Phrasen von Solidarität mit der russischen Opposition verdeckt. Erst in den letzten zwei Jahren hat die Überprüfung dieser Solidarität in Fragen des Programms, der Strategie an den lebendigen Tatsachen des Kampfes begonnen. Landau, der mit der russischen Opposition des „Mahnrufs“ wegen bricht, kann selbstverständlich nicht offen und ehrlich aussprechen, dass ihn alles außer seinem nationalen Zirkel den Teufel schert. Er kann nicht (d. h. er darf heute noch nicht) prinzipielle Meinungsverschiedenheiten mit der russischen Opposition fabrizieren, wie er versucht hat, Meinungsverschiedenheiten in der russischen Frage mit Leipzig zu fabrizieren. Was bleibt ihm übrig? Ein organisatorisches „Komma". Der prinzipienlose und durch und durch intrigantenhafte Versuch Landaus, sich gegen die russische Opposition mit der Prometeo-Gruppe zu vereinigen, kompromittiert ihn in kläglichster Weise. Die Prometeo-Gruppe ist eine ideelle, ernst und auf ihre Art sehr prinzipielle Gruppe und stellt in dieser Beziehung des völlige Gegenteil Landaus dar. Diese Gruppe hat niemals ihre Solidarität mit der russischen Opposition erklärt. Gerade während des letzten Jahres hat sich gezeigt, dass die Meinungsverschiedenheiten dieser Gruppe mit uns nicht nur sehr groß sind, sondern systematisch wachsen. In der Frage der Demokratie hat die Prometeo-Gruppe Thesen ausgearbeitet, die sie im Wesen zum vormarxistischen Sozialismus zurückwerfen. Gegenwärtig sind die Kommunisten in Spanien verpflichtet, eine wütende Offensivkampagne unter den Losungen der Demokratie zu entfesseln und auf dieser Grundlage den Republikanern und Sozialisten die Arbeiter abzukämpfen. Die Position der Bordigisten, würden die spanischen Genossen sie sich aneignen. bedeutete das Verderben der spanischen Revolution. Auf dieser Linie ist unbarmherziger Widerstand vonnöten. Wir können auch nicht einen Schatten von Verantwortung für diese sektiererische und halbanarchistische Reaktion tragen. Wir wären Verräter, würden wir diesen Vorurteilen auch nur den kleinen Finger reichen. Was tut nun Landau? Er sucht mit den Bordigisten Block zu schließen gegen den Grundkern der internationalen Opposition. Vielleicht deshalb, weil er mit den Bordigisten in der Frage der Demokratie übereinstimmt? Ach nein, nicht darauf steht Landaus Sinn. Er ist besorgt um die Veredelung der Organisationsmethoden Trotzkis und braucht daher Bundesgenossen. Die ganze Sache erklärt sich durch die „Organisationsbedürfnisse“ Landaus.

Gewiss, Landau sagt: „Wir haben mit den Bordigisten ernste Differenzen, aber …" usw. usw. Das ist doch das Lied aller Opportunisten und Aventuristen. „Meinungsverschiedenheiten verhindern gemeinsame Arbeit nicht." Landau ist da so liberal, großzügig, weitherzig … wenn es sich um Italien, Spanien, China handelt. Doch, ach, alles ändert sich, wenn es um Leipzig oder Hamburg geht. Landau ist der Typ des nationalen Zirkelsektierers, der leicht eine Schutzfarbe annimmt und Internationalismus imitiert. Doch diese Farbe geht von ihm bei der ersten Einwirkung ernster Erfahrung und ernster Kritik ab.

6. Die Krönung seiner Theorie (d.h. jener Theorie, die er ohne Quellenangabe bei Frey entliehen hat) sucht Landau in Lenins Testament zu finden. Manche Genossen schrieben mir, Landau begebe sich in dieser Beziehung auf den Weg Stalins und Sinowjews. Nein, das stimmt nicht. Stalin und Sinowjew sind doch ernster in der Kenntnis und im Herangehen an politische Fragen, sogar auch an Intrigen, Lenin spricht von der Überschätzung administrativer Methoden in der Frage der Wechselbeziehung zwischen Staatsapparat und Wirtschaft. Er bezieht sich genau auf die Erfahrung mit dem Verkehrskommissariat. In der Autobiographie und in manchen anderen meiner Arbeiten habe ich erklärt, worum es ging. Administrative Methoden konnten die Wirtschaft nicht aus der Sackgasse herausführen. Jedoch insoweit die Partei auf dem Boden des Kriegskommunismus verblieb, konnte es andere als die administrativer Methoden nicht geben. Wir befanden uns in einem fehlerhaften Kreislauf, in einer Situation, die es vorher in der Geschichte nie gegeben hatte. Dem fehlerhaften Kreis des Kriegskommunismus waren unsere Differenzen mit Lenin entsprungen, aus denen wir beide zur Nep und zur Überwindung der Meinungsverschiedenheiten kamen. Doch es handelt sich jetzt absolut nicht darum. Es besteht doch die Erfahrung der russischen Opposition, die Erfahrung eines 8jährigen Kampfes. In diesem Kampf haben die Fragen des Parteiregimes, angefangen mit der Broschüre „Der neue Kurs“ (sogar noch früher) einen äußerst wichtigen Platz eingenommen. Auf diesem Fundament haben sich Tausende von Parteimitgliedern zusammengeschlossen. Wo und bei wem hat denn Landau seine Überweisheit von Zentrismus und zentristischem Bürokratismus entlehnt, wenn nicht bei der russischen Opposition? Und da zeigt sich's jetzt, dass die russische Opposition all dies nicht bemerkt hat, sondern Landau bemerkte und enthüllte. Kann man so etwas ernst nahmen?

Haben wir denn mit den Stalin, Sinowjew, Bucharin, Tomski gebrochen. um zur Einigung und Annäherung an die Brandlerianer, Sneevliet und die „Mahnruf“ zu kommen? Nein, das sind schlechte Scherze. Wir verteidigen eine bestimmte Summe von Ideen, die aus der grandiosen historischen Erfahrung des russischen und des Weltproletariats erwachsen sind. Außerhalb der Linksopposition ist genügend Platz für allerhand Gruppen, Grüppchen, Sekten, „Mahnrufs" usw. Die Frage läuft durchaus nicht darauf hinaus. ob heute mit uns Peter oder Paul oder seine hochverehrte Wiener Nichte und Tante ist. Die Frage läuft darauf hinaus systematisch ein bestimmtes Kapital von Ideen, von Erfahrungen zu entwickeln und anzuwenden und damit wirkliche revolutionäre marxistische Kaders zu erziehen. Dazu ist erforderlich, sich von zufälligen Ankömmlingen zu säubern, die sich uns aus Liebhaberei oder Irrtum angeschlossen haben. Wir werden mit größter Aufmerksamkeit und größter Geduld unsere Ansichten vor jedem jungen Arbeiter verteidigen, der die Wahrheit kennen lernen will, und zu lernen bereit ist. Doch wir werden in Zukunft verzehnfachte Unversöhnlichkeit gegen alle Konfusionisten, Ränkeschmiede, Abenteurer zeigen, die unter dem Banner dar Linksopposition ihre Bude aufschlagen und ihre guten Freunde und Bekannten hinein nehmen wollen. Nein, diese Nummer wird nicht durchgehen.

PS. Je mehr Tatsachen sich ansammeln, um so klarer enthüllen sich zwei Wesenszüge der oben angeführten Gruppen, die mit dem Grundkern der internationalen Opposition auseinandergehen: Ihre äußerste rein sektiererische Unduldsamkeit im Rahmen ihres nationalen Zirkels und ihr breiter Liberalismus auf der internationalen Arena. Landau, der in Deutschland vollkommene Geschlossenheit fordert, (worin er bisher nicht imstande war, zu erklären, worin diese bestehen soll) ist auf der internationalen Arena bereit, Einheit und Block mit wem auch immer zu schließen unter einer unumstößlichen Bedingung: ihn gegen die russische Opposition und den zentralen Kern der Internationalen Linken zu unterstützen. Um seine Disziplinlosigkeit besser zu decken, wird der Kampf gleichzeitig gegen das Internationale Sekretariat geführt, doch das ist bloß eine bedingte Anrufung jener Kriterien und Methoden, die den Internationalen Linken seit 8 Jahren zu Grunde liegen. Hätte Frey zufällig nicht einen Konkurrenzzirkel in Österreich, Landau läge selbst schon in seiner Umarmung. Dasselbe trifft auch auf Urbahns zu. Würde er den Leninbund nicht in Deutschland, sondern in Spanien leiten, so träte Landau in gemeinsamer Front mit ihm gegen die Internationale Linke an. Wichtig ist eins, dass es nicht gefährliche Konkurrenten sind, sondern Konkurrenten, gefährlich nur in Österreich und Deutschland. Dafür kann man sich mit der Prometeo-Gruppe vereinigen, um durch sie die Einigung mit Overstraeten zu probieren. In der Tat, ist denn nicht das Internationale Sekretariat daran schuld, dass Overstraaten sich als launenhafter Dilettant erwies, der mit Hilfe von Erleuchtungen zu politischen Entschlüssen kommt und mit seinen Bocksprüngen die Empörung der belgischen oppositionellen Arbeiter hervorruft? Ein ganzes Jahr hindurch habe ich die Gruppe Charleroi vom Bruch mit Overstraaten zurückgehalten, in derselben Richtung wirkte die alte Redaktion der "Vérité". Doch schließlich zeigte sich, dass die Arbeiter von Charleroi völlig im Rechte waren und dass Overstraaten weder den prinzipiellen Voraussetzungen noch den politischen Schlüssen noch den organisatorischen Methoden nach zur Internationalen Linken gehört. In der russischen Frage ist er mit Urbahns, in der Gewerkschaftsfrage mit Monatte. in Belgien tritt er, mit einem Dutzend Freunde hinter sich, für zwei Parteien ein. Doch was bedeutet all das im Vergleich mit der Tatsache, dass Overstraaten „gegen" das internationale Sekretariat, d. h. gegen den Grundkern der Internationalen Linken ist?

Wir wohnen offensichtlich dem Schauspiel bei, dass nationale Gruppen und Cliquen, die entschieden in allem auseinandergehen außer in der Feindschaft1 gegen die konsequente Politik der Internationalen Linken, den Weg der Schaffung einer internationalen Konkurrenzorganisation einschlagen, deren Grundprinzip lauten wird: Leben und leben lassen, d. h. Keinerlei Einmischung in die eigenen, inneren nationalen Angelegenheiten zulassen und gleichzeitig sich in die inneren Angelegenheiten der anderen Cliquen nicht einzumengen. Während die Internationale Linke sich von zufälligen, fremden, andersartigen Elementen säubert, (diesen vorbereitenden Prozess der Ausscheidung nennen Phraseure eben „Krise der Internationalen Opposition") werden wir auf dem anderen Pol Versuche dieser buntscheckigen Splitter sehen, eine Art internationaler Organisation zu schaffen. Das wird ein sehr lehrreicher, wenn auch nicht ganz verlockender Anblick sein. Das Geschick dieses Versuchs kann man im Voraus prophezeien. Da nicht eine der Gruppen die Einmischung der anderen in die eigenen Angelegenheiten dulden kann, und da, ihren national-sektiererischen Zügen gemäß, nicht eine von ihnen das Bedürfnis nach einer solchen Einmischung verspürt (dies ist durch ihre gesamte Vergangenheit bewiesen) – wird sich nach einiger Zeit erweisen, dass die eben erst gebildete internationale Organisation; entschieden für niemand und zu nichts nutze ist. Was auch zu beweisen war.

Je mehr diese Elemente sich aneinander annähern, umso mehr tritt ihre Prinzipienlosigkeit in den Vordergrund. Umso mehr kompromittieren sie sich, indem sie enthüllen. dass bei der Mehrheit von ihnen nichts dahinter steckt als der Wunsch, die eigene kleine Firma zu haben.

Gut wäre es, von irgend einem dieser Weisen zu verlangen. er möge die Wechselbeziehung zwischen Politik und Organisation erklären, auf deren Gegenüberstellung sie alle unter Freys Führung ihre eigene „Politik" und ihre eigene „Organisation" bauen. Niemand hat mit so hochtrabendem Pathos über die „Organisierung des Oktoberumsturzes" und die „Organisierung der Roten Armee" geschrieben wie Landau. Es wäre interessant, ihn zu fragen, wie er in diesem Fall die Organisierung auffasst. Als reine Politik oder als Organisationstechnik, frei von Politik, oder als solche Vereinigung, bei der die Organisation das Mittel der Politik darstellt? Die Gegenüberstellung, die Landau vornimmt, ergibt sich daraus, dass für ihn als Cliquenchef die Organisationsmethoden völlig selbständigen, ja selbstherrlichen Charakter haben. Mit dem einen flüstern, dem anderen ein Bein stellen, gegen den dritten Ränke schmieden. Sich bei einer Gruppe ungenügend kritischer Arbeiter einschmeicheln, ihre Vorurteile kitzeln, – diese Organisationsmethoden haben nichts gemein mit Politik, wenigstens mit marxistischer. Doch die Aufgabe besteht eben darin, unsere Reihen von diesen vergiftenden und zersetzenden Methoden zu säubern. . . . . . . . . .

gez: Leo Trotzki.

1Im Original steht hier „Freundschaft“, offenbar ein Irrtum. Im englischen Text steht „hostilty"

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