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Leo Trotzki 19311010 Aus einem Brief des Gen. Trotzki

Leo Trotzki: Aus einem Brief des Gen. Trotzki

[Nach Mitteilungsblatt der Reichsleitung der Linken Opposition der KPD, Nr. 4 (Oktober 1931) S. 7 f.]

Der Aufruf „Ist Sowjetdeutschland möglich" beweist erst recht, wie wichtig es seitens der Sowjetregierung gewesen wäre, seinerzeit, noch im Anfang der Krise, das Muster eines Planes der Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und Deutschland herauszuarbeiten.Das hätte jetzt einen unvergleichlichen agitatorischen 'Wert.Man sollte wenigstens jetzt das Versäumte nachholen.

Ich habe das Anti-Sowjetmanifest der Leipziger Volkszeitung nur flüchtig angesehen (Zeitmangel), aber seine stumpfsinnige Borniertheit springt in die Augen, die russischen Sozialdemokraten behaupteten im Jahre 19171 Diktatur des Proletariats in einem hochentwickelten Land – ja, aber keinesfalls in einem zurückgebliebenen Russland, über das sie nur Ruin bringen könnte. Überdies wird die Diktatur nicht mehr als drei Tage (später drei Wochen) dauern. Dies war die sozialdemokratische Einschätzung der Oktoberrevolution. Jetzt, nach 14 Jahren, sagen die deutschen Sozialdemokraten, das Sowjetregime, d. h. die Diktatur des Proletariats in einem zurückgebliebenen Lande – ja, große Dimensionen, überwältigende Mehrheit der Bauernschaft etc. Für das hochindustrielle Deutschland würde die Diktatur des Proletariats den vollständigen Ruin bedeuten.

Das wirtschaftliche Zusammenwirken Sowjetdeutschlands und Sowjetrusslands. Da manipulieren die deutschen Sozialdemokraten mit den heutigen Ein- und Ausfuhrziffern, um den unbedeutenden Umfang des Umsatzes zwischen Deutschland und der UdSSR zu beweisen. Das bedeutet nur, dass, wenn das Sowjetdeutschland nach den Regeln des kapitalistischen Deutschlands arbeiten würde, es ersticken müsste. Die industrielle Einfuhr nach Russland ist durch die Kreditverhältnisse begrenzt.Die kollektivierte Landwirtschaft, jetzt zu einem großen Teile eine bürokratische Zwangsform, könnte durch die deutsche Industrie und Organisationskapazität im Laufe von paar Jahren mächtig befruchtet worden und der gesamte Umsatz der beiden Länder vollständig revolutioniert. Dies könnte man schon heute sehr gut mit Ziffern belegen.

Für die Übergangsperiode aber? Selbstverständlich würde Deutschland schwierige Jahre passieren müssen. Die Arbeiter würden aber wenigstens verstehen, weswegen sie die Opfer bringen. Aber auch in diesen akutesten Übergangsjahren wäre Deutschland, angenommen, dass das übrige Europa kapitaIistisch bliebe, vom Weltmarkt nicht isoliert. Expropriiert das Proletariat Gutsbesitzer, Bankiers und Industrielle, wird es sogleich für den Weltmarkt zu viel billigeren Preisen als jetzt produzieren können. Eine ökonomische Blockade wäre unter diesen Verhältnissen absolut ausgeschlossen.

Die unmittelbare Verbindung mit Sowjetrussland wäre sogleich wieder hergestellt, denn zwischen Sowjetdeutschland und Sowjetrussland würde das kapitalistische Polen sogleich erwürgt werden. Das aber der europäische Kapitalismus bei der Umwälzung in Deutschland noch längere Zeit feststünde, ist so gut wie ausgeschlossen

Man müsste jetzt wirklich eine wichtigere Arbeit über dieses Thema schreiben.Die deutschen Genossen könnten vielleicht den Stoff unter sich verteilen und bestimmte Gebiete bearbeiten, in erster Linie Material dafür sammeln. Ich würde später auch dieser kollektiven Arbeit mich anschließen.

gez. Trotzki.

1 Im Text steht irrtümlich „1927“

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