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Leo Trotzki 19310415 Zehn Gebote der spanischen Kommunisten

Leo Trotzki: Zehn Gebote der spanischen Kommunisten

[Nach der Broschüre Die spanische Revolution, Thekla bei Leipzig 1931, Verleger Fritz Büchner im Auftrage der Linken Opposition der KPD Bezirk Sachsen, S. 18-20]

1. Die Monarchie hat die Macht verloren, hofft sie aber zurückzugewinnen. Die besitzenden Klassen sitzen noch fest im Sattel. Der Block der Republikaner mit den Sozialisten stellte sich auf den Boden der republikanischen Umwälzung, um die Massen von der sozialistischen Revolution abzuhalten. Nicht den Worten trauen! Taten sind nötig! Für den Anfang: Verhaftung der angeseheneren Führer und Anhänger des alten Regimes, Konfiskation des Vermögens der Dynastie und ihrer am meisten kompromittierten Knechte! Bewaffnung der Arbeiter!

2. Die Regierung, die sich auf die Republikaner und Sozialisten stützt, wird mit allen Kräften bemüht sein, ihre Basis nach rechts zu verbreitern, in die Richtung der Großbourgeoisie und des Großgrundbesitzes, und wird um den Preis von Konzessionen und Kapitulationen versuchen, die Kirche zu neutralisieren. Die Regierung ist eine Regierung der Ausbeuter, geschaffen zum Schutz vor den Ausgebeuteten. Das Proletariat steht in unversöhnlicher Opposition zu der Regierung der republikanisch-sozialistischen Agenten der Bourgeoisie.

3. Die Beteiligung der Sozialisten an der Macht bedeutet, dass die Zusammenstöße der Arbeiter mit ihren sozialistischen Führern wachsen werden. Dies eröffnet weitgehende Möglichkeiten für die revolutionäre Politik der Einheitsfront. Jeder Streik, jede Demonstration, jede Annäherung der Arbeiter an die Soldaten, jeder Schritt von unten zur wirklichen Demokratisierung des Landes wird von nun an auf den Widerstand der sozialistischen Führer, als der «Ordnungs»-Männer stoßen. Umso wichtiger ist es für die kommunistischen Arbeiter, an der Einheitsfront mit den sozialistischen, syndikalistischen und parteilosen Arbeitern teilzunehmen, sie hinter sich führend.

4. Die kommunistischen Arbeiter bilden heute eine kleine Minderheit im Lande. Sie können nicht unmittelbar Anspruch erheben auf die Macht. Sie können im gegenwärtigen Moment nicht den gewaltsamen Sturz der republikanisch-sozialistischen Regierung zu ihrer praktischen Aufgabe machen. Jeder Versuch in dieser Richtung wäre ein katastrophales Abenteuer. Die Massen der Arbeiter, Soldaten und Bauern müssen die Etappe republikanisch-«sozialistischer» Illusionen durchmachen, um sich umso restloser und entschiedener von ihnen zu befreien. Sich nicht an Phrasen betäuben! Die Tatsachen mit offenen Augen betrachten! Beharrlich die zweite, die proletarische Revolution vorbereiten!

5. Die Aufgabe der Kommunisten in der jetzigen Periode besteht darin, die Mehrheit der Arbeiter, die Mehrheit der Soldaten, die Mehrheit der Bauern zu gewinnen. Was ist dazu nötig? Agitieren, Kader erziehen, «geduldig aufklären» (Lenin), organisieren. Alles das auf der Basis der Erfahrung der Massen und der aktiven Beteiligung der Kommunisten an dieser Erfahrung: weitgehende und kühne Politik der Einheitsfront!

6. Die Kommunisten lassen sich mit dem republikanisch-sozialistischen Block oder mit dessen Teilen in keinen Handel ein, der direkt oder indirekt die Freiheit der kommunistischen Kritik und Agitation beschränken oder schwächen könnte. Überall und unablässig klären die Kommunisten die Volksmassen darüber auf, dass sie im Kampfe gegen alle Abarten der monarchistischen Konterrevolution in den ersten Reihen stehen werden, dass aber für einen solchen Kampf kein Bündnis mit den Republikanern und Sozialisten nötig ist, deren Politik unvermeidlich auf Konzessionen zu Gunsten der Reaktion und auf Deckung deren Intrigen beruhen wird.

7. Die Kommunisten stellen die radikalsten Parolen der Demokratie auf: völlige Freiheit der proletarischen Organisationen, Freiheit der lokalen Selbstverwaltung, Wählbarkeit aller Beamten durch das Volk, Zulassung von Männern und Frauen vom achtzehnten Lebensjahr an zu allen Wahlen usw. Schaffung einer Arbeiter- und später auch einer Bauernmiliz. Beschlagnahme des Gesamtvermögens der Dynastie und der Kirchengüter zu Gunsten des Volkes, in erster Reihe zu Gunsten der Arbeitslosen, der armen Bauern und zur Verbesserung der Lage der Soldaten. Restlose Trennung von Kirche und Staat.

Alle bürgerlichen Rechte und politischen Freiheiten für die Soldaten. Wählbarkeit der Offiziere in der Armee. Der Soldat ist kein Henker des Volkes, kein bewaffneter Mietling der Besitzenden, kein Prätorianer, sondern ein revolutionärer Bürger, Blutsbruder des Arbeiters und des Bauern!

8. Die zentrale Parole des Proletariats ist der Arbeitersowjet. Diese Parole muss man verkünden, popularisieren, unermüdlich und ständig, und bei der ersten Gelegenheit zu ihrer Verwirklichung schreiten. Der Arbeitersowjet bedeutet nicht den sofortigen Kampf um die Macht. Dies ist zweifellos die Perspektive, zu der aber die Masse nicht anders kommen kann, als durch eigene schwere Erfahrung und mit Hilfe der Aufklärungsarbeit der Kommunisten. Der Arbeitersowjet bedeutet heute die Sammlung der zersplitterten Kräfte des Proletariats, den Kampf um die Einheit der Arbeiterklasse, um ihre Selbständigkeit. Der Arbeitersowjet sorgt für Streikunterstützungen, für Speisung der Arbeitslosen, für die Verbindung mit den Soldaten, um blutigen Zusammenstöße zwischen ihnen vorzubeugen, für die Verbindung zwischen Stadt und Dorf, um damit das Bündnis der Arbeiter mit den armen Bauern zu sichern. Der Arbeitersowjet zieht Vertreter von Truppenteilen hinzu. So, und nur so, wird der Sowjet ein Organ des proletarischen Aufstandes werden, und später auch das Organ der Macht.

9. Die Kommunisten sind verpflichtet, sofort ein revolutionäres Agrarprogramm auszuarbeiten. Seine Grundlage muss die Konfiskation der Länder der privilegierten und reichen Klassen sein, der Ausbeuter, beginnend mit Dynastie und Kirche, zu Gunsten der armen Bauern und der Soldaten. Dieses Programm muss konkret den einzelnen Landesteilen angepasst werden. In jeder Provinz mit ökonomischen und historischen Besonderheiten muss unverzüglich eine Kommission geschaffen werden zur konkreten Ausarbeitung des Agrarprogramms in enger Verbindung mit den örtlichen revolutionären Bauern. Man muss verstehen, die Stimme der Bauern zu vernehmen, um sie klar und präzis zu formulieren.

10. Die sogenannten linken Sozialisten darunter auch ehrliche Arbeiter, werden die Kommunisten zu einem Block und sogar zur Vereinigung der Organisationen auffordern. Darauf antworten die Kommunisten: «Wir sind bereit, für die Interessen der Arbeiterklasse zur Lösung bestimmter und konkreter Aufgaben mit jeder Gruppe und mit jeder proletarischen Organisation Hand in Hand zu arbeiten. Zu diesem Zwecke schlagen wir eben vor, Sowjets zu bilden. Arbeiterdeputierte, die verschiedenen Parteien angehören, werden in diesen Sowjets alle aktuellen Fragen und alle unaufschiebbaren Aufgaben diskutieren. Der Arbeitersowjet ist die natürlichste, offenste, ehrlichste und gesündeste Form des Bündnisses verschiedener Arbeiterorganisationen für gemeinsame Aufgaben. Im Arbeitersowjet werden wir Kommunisten unsere Parolen und unsere Lösungsmethoden vorschlagen und bemüht sein, die Arbeiter von der Richtigkeit unseres Weges zu überzeugen. Jede Gruppe muss im Arbeitersowjet volle Freiheit der Kritik genießen. Im Kampfe um die vom Sowjet aufgestellten praktischen Aufgaben werden wir Kommunisten stets in den ersten Reihen sein». Dies ist die Form der Zusammenarbeit, die die Kommunisten den sozialistischen, syndikalistischen und parteilosen Arbeitern brüderlich vorschlagen.

Indem sie die Einheit der eigenen Reihen sichern, werden die Kommunisten das Vertrauen des Proletariats und der überwiegenden Mehrheit der armen Bauern gewinnen, in ihre bewaffnete Hand die Macht nehmen und die Ära der sozialistischen Revolution eröffnen.

L. Trotzki

Kadiköy. den 15. April 1931

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