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Leo Trotzki 19320512 Antwort auf drei Fragen

Leo Trotzki: Antwort auf drei Fragen

[Nach Permanente Revolution, 2. Jahrgang 1932, Nr. 11 (Anfang Juni), S. 1]

Auf die drei Fragen des «M[ontag] M[orgen]»: «Glauben Sie, dass die Übernahme der politischen Macht durch die Nationalsozialisten nahe bevorsteht, halten Sie es nicht für das dringende Gebot der Stunde, dass Sozialdemokraten und Kommunisten, unbeschadet prinzipieller Gegensätze, eine gemeinsame Kampforganisation ins Leben rufen, wären Sie bereit, mit Ihrer Person und Ihrem Namen sich für eine solche Organisation einzusetzen?»

antwortete Gen. Trotzki folgendes:

1. Ja. ich glaube, dass, wenn die wichtigsten Organisationen der deutschen Arbeiterklasse ihre gegenwärtige Politik fortsetzen, der Sieg des Faschismus fast automatisch gesichert sein wird, dabei in verhältnismäßig kurzer Zeitspanne. Ob die Zentrumspartei Hitler als Steigbügel dienen wird oder nicht, ist in Berlin besser zu sehen als hier. Nicht das entscheidet. Ein Block dieser beiden Parteien könnte lediglich eine kurze Episode auf dem Wege zur Zertrümmerung der Zentrumspartei darstellen, beginnend mit den katholischen Gewerkschaften. Hitlers Verpflichtungen, auf parlamentarischem Boden zu bleiben (übrigens: wo ist er noch?), sind von gleichem Belang wie die Verpflichtungen, sagen wir, des japanischen Imperialismus, im Kriege keine Giftgase anzuwenden. Solche Verpflichtungen zu fordern, ist lächerlich, ihre Einhaltung erhoffen – unsäglich dumm. In Wirklichkeit bahnen jene Politiker, die Hitlers Parlamentswechsel diskontieren, der Faschisierung Deutschlands bewusst den Weg. Was dabei dem deutschen Volke und vor allem dem gesamten Proletariat winken würde, brauche ich hier nicht erst zu wiederholen.

2. Ja, ich glaube, dass die Kommunistische Partei der Sozialdemokratischen Partei und der Leitung der Freien Gewerkschaften ein Kampfabkommen gegen den Faschismus vorschlagen muss, von unten bis herauf zu den Spitzen. Im Gegenteil zur dekorativen und kraftlosen «Eisernen Front» müsste die Einheitsfront der Arbeiterklasse gegen den Faschismus ganz konkreten, praktischen, kämpferischen Charakter haben. Ihre Ausgangsposition wäre: Verteidigung aller Einrichtungen und Eroberungen der proletarischen Demokratie und in einem weiteren Sinne: Verteidigung der Kultur vor Barbarei.

Eine kühne und offene Initiative der Kommunistischen Partei auf diesem Wege würde nicht nur ihre Autorität zu außerordentlicher Höhe steigen lassen, sondern auch von Grund auf Deutschlands politische Lage verändern. Die Monopolbourgeoisie würde sogleich zu fühlen bekommen, dass mit Hitlers Diktatur spielen mit dem Feuer des Bürgerkrieges spielen heißt, in dem nicht allein papierne Werte zu verbrennen drohten. Unter den zahllosen und formlosen Massen, die Verzweiflung in Hitlers Lager getrieben hat. würde zwangsweise ein Prozess der Differenzierung und des Zerfalls einsetzen. Das Kräfteverhältnis rasch zu Ungunsten des Faschismus wechseln, noch an der Schwelle des Kampfes. Der Arbeiterklasse und dem deutschen Volke würden sich große Perspektiven erschließen.

3. Selbstverständlich stehe ich nicht nur theoretisch sondern auch praktisch voll und ganz auf dem Boden jener Taktik, die ich in mehreren Broschüren, insbesondere der letzten. «Was nun?», entwickelt habe. Jeder neue Tag bringt nur die Bestätigung, dass ein anderer Weg für die deutsche Arbeiterklasse nicht besteht. Die Frage von Deutschlands Geschick ist die Frage des Geschicks Europas, des Geschicks der Sowjetunion, in bedeutendem Maße des Geschicks der ganzen Menschheit für eine große historische Periode. Kein Revolutionär kann umhin, dieser Frage seine Kräfte und sein Geschick unterzuordnen.

Den 12. Mai 1932.

L. Trotzki.

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