Leo Trotzki‎ > ‎1932‎ > ‎

Leo Trotzki 19321020 Brief an die Leitung der Communist League of America

Leo Trotzki: Brief an die Leitung der

Communist League of America

[Nach dem maschinenschriftlichen Text in Lev Davidovič Trockij / International Left Opposition Archives, inventory number 1222, International Institute of Social History, Amsterdam]

Büyükada, den 20. Oktober 1932

An die Leitung der Communist League of America (Opposition)

Liebe Genossen,

Ich beantworte Ihr Schreiben vom 7. Oktober über die Field-Frage.

1. Sie scheinen die Field-Frage in einen gewissen Zusammenhang mit der Weisbord-Frage zu bringen. Ich muss mit dieser letzteren beginnen.

Die Weisbordgruppe hat sich formell an das Internationale Sekretariat gewandt mit dem Ersuchen, zu intervenieren. Weisbord ist aus eigener Initiative zu mir gekommen. Das Internationale Sekretariat wollte meine Meinung über diese Frage wissen und ich hatte keine formellen Möglichkeiten, mich der Meinungsäußerung zu entziehen, sah auch keinen politischen Grund für solch ein Vorgehen. Selbstverständlich hielt ich es für meine Pflicht, in diesem speziellen delikaten Falle alles zu tun, um die Position und Autorität der League der Weisbordgruppe gegenüber zu stärken. Ich sehe einstweilen keinen Grund, alles, was in Prinkipo in dieser Frage gemacht wurde, zu bedauern. Die Weisbordgruppe musste in wichtigsten Fragen die Unrichtigkeit der Position der League gegenüber anerkennen Dies ist ein bedeutender politischer Gewinn. Ihre Antwort auf das Schreiben Weisbords kann weiterhin Ihre Position und Autorität nur stärken. Ich sah das schon am Beispiel des Genossen Field; er hat anerkannt, dass Ihr Antwortschreiben taktvoll und richtig war. Worüber können Sie sich dann in diesem Fall beklagen?

2. Der Fall Field liegt ganz anders, – einfacher und komplizierter. Einfacher, – weil es sich hierbei um einen einzelnen Genossen handelt; komplizierter, – weil unsere praktischen Ziele dabei nicht ganz zusammenzufallen scheinen.

Nach Gesprächen mit dem Genossen Glotzer, nach diesbezüglichen Artikeln im Militant und nach den versöhnlichen Aussprachen mit Gen. Field hatte ich den festen Eindruck gewonnen, dass Fields Mitarbeit in der League nicht dadurch erschwierigt und unmöglich geworden ist, weil Sie ihn etwa als politisch oder moralisch unwürdigen Menschen betrachten oder als uns kernfremden Typus, sondern weil er durch seine Vergangenheit nicht für eine führende Tätigkeit in einer revolutionären Organisation erzogen ist, durch seine geistigen Qualitäten aber auf diesen Weg gestoßen wird. Dieser Widerspruch, der überhaupt nicht so selten vorkommt, könnte in einer großen Organisation überwunden werden. Da aber die League noch immer eine kleine Pionier-Organisation bleibt, so fühlt sie sich gezwungen, schärfere Maßnahmen zur Selbsterhaltung zu ergreifen. So ungefähr stelle ich mir die Sache vor.

Andererseits scheint es mir, dass Genosse Feld durch seine ökonomischen und statistischen Fachkenntnisse für die Linksopposition als Ganzes sehr bedeutende Dienste leisten könnte. Wir brauchen jemanden, der die Weltwirtschaft tagaus tagein aufmerksam verfolgt und der imstande ist, sich und den anderen darüber Rechenschaft abzulegen. Ich schaute mich schon längere Zeit nach solch einem ökonomischen Fachmann der Linksopposition um. Vergebens. Ich glaube kaum, dass wir jetzt einen anderen finden können von Fields Qualifikation.

Ich habe mir natürlich von der Bedeutung der Tatsache, dass Gen. Feld von der New Yorker Lokalorganisation ausgeschlossen worden ist, Rechenschaft abgegeben. Aber solch ein formeller Akt wie der Ausschluss muss nicht nur formell, sondern auch politisch bewertet werden. Man kann einen ausschließen, weil er ein Spitzel ist, ein anderen als innerlich korrupt, eine dritten, weil er eine prinzipiell feindliche Tendenz darstellt. Man kann aber auch jemanden ausschließen, weil der Betreffende – ehrlich und vollwertig an sich - unter den gegebenen Bedingungen die Einheit der Organisation stört und ihre Aktionsfähigkeit bedroht. In diesem letzteren Fall (und das ist der Fall Field), wäre es vielleicht gut, von Anfang an die Hilfe der internationalen Organisation anzurufen, um solch einen Genossen für die nationale Organisation zu neutralisieren und doch nicht zu verlieren. Dies ist kein Vorwurf, sondern eine Anregung für die Zukunft.

Dies sind die allgemeinen Erwägungen, von denen ich ausging. Die Fälle Landau, Gorkin, etc., die Sie anführen und die Sie mit großem polemischen Geschick (an dem ich meine private Freude fand), ausnützen, sind hier nicht maßgebend. Landau war nie ausgeschlossen; er versuchte, die Mehrheit der eigenen Organisation auszuschließen. Als man dagegen Einspruch erhob, konstituierte er seine eigene Fraktion. Zwei konkurrierende „Linke Oppositionen" kämpften um die Anhängerschaft. In diesem Falle sich Landaus anzunehmen, hieße wirklich, unsere deutschen Organisation zu verraten.

Gorkin verließ die Linksopposition, um in Waffenverbindung mit den verdächtigsten politischen Organisationen zu treten. Auch mit der rechten Opposition. Nach den Anklage der spanischen Genossen hat Gorkin schmutzige persönliche Geschichten getan (Geldsachen usw.).

Die Weisbordgruppe kann in gewissem Grade als konkurrierende Organisation aufgefasst werden. Genosse Field in keinem Falle. Auch hat sich Field nicht mit Muste oder den Lovestone-Leuten gegen die League in Verbindung gesetzt. Der Unterschied ist wirklich groß. Dass er die Leitung der League umgegangen hat, ist vom organisatorischen Standpunkte aus nicht richtig. Dass er nach Europa ging, um den Weg zur Linksopposition zu suchen, spricht nicht gegen Field, sondern für ihn. Dies bewies, dass er es mit der Sache ernst meint.

Dies alles hat mich nach ganz ernsthaften Überlegungen bewogen, die Fieldsche Arbeit über Amerika den Sektionen als Diskussionsmaterial zuzuschicken. Die Arbeit enthält wichtige Gedanken und Anregungen und verdient, gelesen und durchdiskutiert zu werden. Auch wenn es zu einer internationalen Entscheidung des Falles Field kommen sollte, könnte diese Arbeit als wichtiges Informationsmaterial für die Sektionen dienen.

Die Tatsache, dass Artikel des Genossen Feld in der Oppositionspresse erschien sind ohne vorangegangene Verständigung mit Ihnen, ist wirklich nicht korrekt. Hierbei nehme ich den entsprechenden Teil der Verantwortung auf mich und bin bereit, falls Sie es für dienlich finden, allen Sektionen eine entsprechende Entschuldigung zuzuschicken.

Ich bleibe aber dabei, dass die Frage Field individuell entschieden werden muss , nicht nur vom Standpunkt der Organisationskonfliktes in New York, sondern auch vom Standpunkt der internationalen Organisation.

Ich würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie diesen Brief ins Englische übersetzen, um ihn allen Mitgliedern der Leitung zugänglich zu machen.

Kommentare