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Leo Trotzki 19321013 Das September-Plenum des EKKI

Leo Trotzki: Das September-Plenum des EKKI

(Flüchtige Randbemerkungen)

[Nach Permanente Revolution, 2. Jahrgang Nr. 24 (3. Oktoberwoche 1932), S. 2]

1. Den Bericht über die revolutionäre Strategie las Kuusinen. Seine Rolle in der finnländischen Revolution von 1918 macht ihn besonders geeignet zum Strategen des internationalen Proletariats.

2. Die Hauptthesen stellen wiederholt fest: «Die relative Stabilisierung des Kapitalismus hat ihr Ende gefunden». Im Jahre 1932? Indes hat doch bereits der VI. Weltkongress vom Ende der Stabilisierung gesprochen. Das X. Plenum des EKKI verkündete die «Dritte Periode», d.h. die Periode, die unmittelbar zum Aufstand des Proletariats führt. Jetzt teilt man uns – ohne Kommentar – mit. die Stabilisierung des Kapitalismus sei wieder zu Ende. Zum wievielten Male?

3. Über China wird gesagt: «Auf einem bedeutenden Teil des Territoriums hat die Sowjetrevolution gesiegt». Eine Revolution kann bürgerlich oder proletarisch sein. Welche von beiden ist im gegebenen Falle zu verstehen? Warum verdeckt die Komintern den Klasseninhalt der Revolution mit der Sowjetform?

4. «Ein neuer imperialistischer Weltkrieg ist zur unmittelbaren Gefahr geworden». Schon der VI. Weltkongress hat die Kriegsgefahr für unmittelbar erklärt. Seit über vier Jahren wiederholt das EKKI die gleiche Formel. Gegenwärtig ist sie jedenfalls der Realität näher als im Jahre 1928. Aber was bedeutet eigentlich in der Sprache der Komintern «unmittelbar»?

5. Den Kommunistischen Parteien wird die Verpflichtung auferlegt, «den realen Kampf gegen Kriegsvorbereitungen den abstrakten und heuchlerisch pazifistischen Deklarationen der Sozialdemokratie» gegenüberzustellen. Das ist richtig. Was aber mit den nicht weniger abstrakten und heuchlerischen Deklarationen des Amsterdamer Kongresses? Ein wunderlich Ding: über die Amsterdamer Maskerade findet sich in der Resolution nicht ein Wort. Muss man sich bereits des eigenen Kindes schämen?

6. Die Thesen geben gelahrte Definitionen der verschiedenen Formen des Faschismus. Es erweist sich: «Die Sozialfaschisten ziehen die gemäßigte und «legale» Anwendung der bürgerlichen Gewalt vor … sie verteidigen die demokratische Fassade und sind nach Tunlichkeit bestrebt, die parlamentarischen Formen aufrecht zu halten». Jetzt haben wir alles verstanden. Das Quadrat ist ein Dreieck, dessen vier Seiten sich in geraden Winkeln treffen.

7. Über Frankreich heißt es, dass zwar die Kommunistische Partei und die revolutionären Syndikalisten schwächer wurden, dafür sich aber dort eine starke revolutionäre Bewegung gegen den Krieg entwickelte. Doch eine Antikriegsbewegung wird bei Schwächung der proletarischen Avantgarde zwangsweise zu einer kleinbürgerlichen Bewegung und wendet sich zu Gunsten des reformistischen Pazifismus.

8. Der deutschen Kommunistischen Partei wird empfohlen, den Kampf «gegen Nationalismus und Chauvinismus. für den proletarischen Internationalismus zu verstärken. Das ist richtig. Was aber mit dem Programm der «nationalen Befreiung»?

9. Der Polnischen Kommunistischen Partei wird zur Pflicht gemacht, «den Einfluss der sozialistischen Partei auf die Massen zu zerstören» und «ihre Schwäche in den Großbetrieben, bei den Eisenbahnern und in der Armee zu überwinden». Ein Rat, wie er einfacher nicht sein kann: den Feind zertrümmern und allmächtig werden. Kuusinen vergisst nur zu zeigen, wie dies zu tun.

10. Für Spanien wird empfohlen, «die Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft in Form der Sowjets» anzustreben. Worin sich dieses Regime von der Diktatur des Proletariats unterscheiden wird, erklärt man uns wie gewöhnlich nicht.

11. Die Einheitsfront wird für England wie übrigens für alle übrigen Länder von unten durchzuführen empfohlen. Mit anderen Worten, das EKKI-Pleuum hat nochmals den Verzicht auf die Einheitsfrontpolitik sanktioniert.

12. Für die Mandschurei wird vorgeschlagen, auf Grund des Partisanenkrieges «eine wählbare Volksregierung» zu schaffen. Eine demokratische Losung? Warum wird sie so formlos gegeben? Warum nur für die Mandschurei? Warum ist sie nicht auf ganz China anwendbar?

13. Der Indischen Kommunistischen Partei wird auferlegt, die Massen vom Einfluss des Nationalkongresses zu befreien.. Zu gleicher Zeit aber verbrüdert sich das EKKI vermittels des Amsterdamer Kongresses mit Patel und steigert künstlich die Autorität des Nationalkongresses.

14. Auf organisatorischem Gebiet empfiehlt das Plenum entschieden den übermäßigen Zentralismus zu liquidieren, das System des nackten Kommandos, usw. Dieser Rat klingt nicht übel aus dem Munde des EKKI, das nun schon das fünfte Jahr keinen internationalen Kongress einberuft und usurpatorisch im Namen der Internationale kommandiert.

15. «Das EKKI besteht (!) darauf, dass die Organisationen der Kommunistischen Jugend sich in wahre Massenorganisationen verwandeln». Ein prachtvoller Rat! Warum aber vegitieren und welken die Jugendorganisationen dahin, allen Ratschlägen Kuusinens zum Trotz? Eben deshalb, weil sie sich noch nicht von seinen Ratschlägen freigemacht haben.

16. Zum Schlusse empfehlen die Thesen allen und jedem um die Reinheit der Doktrin zu kämpfen auf Grund des «Briefes von Stalin». Arme Reinheit, arme Doktrin, arme Komintern!

17. Von den Sowjets wird in den Thesen nur nebenbei, anlässlich Chinas und Spaniens gesprochen. In Bezug auf die übrigen Länder werden, trotz der in den Thesen aufgestellten revolutionären Perspektiven, die Sowjets überhaupt nicht erwähnt; insbesondere wird vor dem deutschen Proletariat die Losung der Sowjets nicht erhoben. Eine Erklärung ist unschwer zu finden. Wirkliche Sowjets lassen sich in Deutschland wie in der Mehrzahl der fortgeschrittenen Länder nicht anders schaffen als auf Grund einer breiten und kühnen Einheitsfrontpolitik. Ultimatismus und Sowjetlosung sind miteinander nicht zu versöhnen. Indem sie auf die Einheitsfront verzichten, verzichten die Stalinisten auf die Sowjets.

Prinkipo, den 13. Oktober 1932.

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