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Leo Trotzki 19320102 Der „Aufstand" vom 7. November 1927

Leo Trotzki: Der „Aufstand" vom 7. November 1927

[Nach Permanente Revolution, 2. Jahrgang Nr. 2 (Mitte Januar 1932), S. 9]

In der Kampagne, die jetzt mit verstärkter Kraft gegen die Linke Opposition geführt wird, nimmt einen ansehnlichen Platz die Frage des Aufstandes vom 7. November 1927 ein. In seinem «historischen» Artikel stellt Stalin diesen «Aufstand» an die erste Stelle als Hauptbeweis für die Politik der Repressalien gegen die Bolschewiki-Leninisten. Wenn im Isolator von Werchne-Uralsk die besten Revolutionäre fürchterlichen Verspottungen und Gewalttaten ausgesetzt sind; wenn sie zur Verteidigung ihrer menschlichen Rechte gezwungen sind, zum Hungerstreik zu greifen; wenn man auf sie ohne Warnung schießt: wenn Rakowski und Hunderte anderer die Verbannungsorte füllen; wenn die wahrhafte Blüte der Partei vernichtet, eingekerkert und erstickt ist; wenn Stalin durch seinen Jagoda Butow erwürgte und Blumkin erschossen hat, so wird dies alles nicht damit erklärt, dass die Linke Opposition die Theorie des Sozialismus in einem Lande nicht anerkannte, mit dem Block mit Tschiang Kai-schek nicht einverstanden war und dass sie heute die Kapitulation vor Hitler ablehnt. Nein! Die blutigen Repressalien sind damit zu erklären, dass die Linke Opposition vor vier Jahren den Versuch eines bewaffneten Aufstandes gemacht haben sollte. Die Organe aller Sektionen der Komintern haben noch einmal ihre unglücklichen, systematisch betrogenen Lesern daran erinnert.

Was ist wirklich am 7. November 1927 geschehen? An der Jubiläums-Demonstration beteiligte sich selbstverständlich auch die Opposition. Ihre Vertreter gingen gemeinsam mit ihren Betrieben, Fabriken, Lehr- und Sowjetanstalten. Viele oppositionelle Gruppen trugen in dem allgemeinen Aufmarsch ihre Plakate. Mit diesen Plakaten sind sie aus den Betrieben und anderen Anstalten herausgegangen. Was wann das für konterrevolutionäre Plakate? Erinnern wir doch an diese:

1. «Erfüllen wir das Testament Lenins!»

2. «Richten wir das Feuer gegen rechtsgegen den Nepman. Kulaken und Bürokraten!»

3. «Für eine wirkliche Arbeiterdemokratie!»

4. «Gegen den Opportunismus, gegen Spaltung,für die Einheit der leninistischen Partei!»

5. «Für ein leninistisches Zentralkomitee!» Arbeiter, Angestellte. Rotarmisten. Studenten und Schüler gingen in einer Reihe mit den Oppositionellen, die ihre Plakate trugen. Es waren keine Zusammenstöße. Kein Arbeiter mit gesundem Verstand konnte diese Plakate als gegen die Sowjetmacht und die Partei gerichtet betrachten. Erst als einzelne Betriebe in den allgemeinen Strom des Demonstration hineingerieten, schickte die GPU laut Anweisung des Stalinschen Sekretariats besondere Abteilungen aus, um die Demonstranten zu überfallen, die friedlich ihre Plakate trugen. Danach sind einzelne Zusammenstöße vorgekommen, die darin bestanden, dass die Abteilungen der GPU sich auf die Manifestanten stürzten, ihnen die Plakate entrissen und ihnen viele Schläge zufügten. Eine auserwählte Gruppe von Rotarmisten-Kommandeuren brach die Tür der Wohnung Smilgas auf und drang ein: auf dem Balkon, hingen Plakate der Opposition und die Bilder von Lenin, Trotzki und Sinowjew. Das also war der Aufstand vom 7. November 1927.

Die Losungen: «Für die Arbeiterdemokratie», «Gegen den Nep-Mann. Kulaken und Bürokraten!», «Für die Einheit der Partei!», wurdenselbstverständlich nicht von den Arbeitermassenvom stalinistischen Apparat als konterrevolutionär aufgefasst. Dennoch wagte noch damals keiner von den Apparatleuten, in jener Periode von einem bewaffneten Aufstand zu sprechen: eine solche Erfindung wäre allzu unverschämt und frech den Teilnehmern der Demonstration gegenüber erschienen. Als, nach mehr als einem Jahr, als Trotzki von Stalin ausgewiesen wurde, die GPU ihn der Vorbereitung eines Aufstandes beschuldigte, handelte es sich nicht um die Demonstration vom 7. November, sondern um etwas Neues, was aber die GPU nicht bei Namen nennen konnte. Nach der Ausweisung Trotzkis wurde diese Beschuldigung von Niemandem mehr wiederholt. Stalin wagte sie nicht in die Presse zu bringen. Allein die Erinnerung darüber war verschwunden, zerstreute sich wie ein Rauch.

Nur im Zusammenhang damit, wie die Tatsachen begonnen haben in Vergesslichkeit zu geraten, hat die stalinistische Schule der Fälschungen begonnen, die Legende vom Versuch eines Aufstandes vom T. November zu verbreiten. Die Tatsache, dass diese Legende jetzt in gewissem Maße, zum Zentralpunkt der Kampagne geworden ist. ist politisch bedeutungsvoll. Das beweist, dass die Handlungen, die die Bolschewiki-Leninisten in Wirklichkeit begehen, den Arbeitermassen und den Parteimitgliedern nicht als «Verbrechen» erscheinen. Stalin beklagt sich direkt, dass man in der Partei, trotz der achtjährigen Kampagne, den Trotzkismus noch immer als kommunistische Richtung betrachtet! Stalin braucht für die Politik als Repressalie einen irgendwie beständigen Stützpunkt, der außerhalb der wirklichen Tätigkeit der Linken Opposition liegt. Diesen Stützpunkt versucht er in dem Polizei-Mythos von dem Aufstand vom 7. November 1927 zu finden. Wenn keine anderen Merkmale wären, so genügte diese Tatsache allein, um zu sagen: schlimm, sehr schlimm steht es mit der persönlichen Diktatur Stalins und seinem plebiszitären Regime!

2. Januar 1932.

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