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Leo Trotzki 19320615 Heran an die Proletarier der „farbigen" Rassen!

Leo Trotzki: Heran an die Proletarier der „farbigen" Rassen!

[Nach Permanente Revolution, 2. Jahrgang 1932, Nr. 13 (Anfang Juli), S. 10 f. Selbstverständlich würden wir heute das Wort „Neger“ nicht verwenden. Dass es Trotzki nicht in einem abwertenden Sinn gebraucht hat, geht aus diesem ebenso wie aus zahlreichen anderen Texten unmissverständlich hervor.]

An das Intern. Sekretariat! Liebe Genossen!

Ich habe eine Kopie des Briefes vom 20. April von der Organisation der Genossen-Neger aus Johannesburg erhalten. Dieser Brief besitzt, wie mir scheint, eine gewaltige symptomatische Bedeutung. Die Linke Opposition (Bolschewiki-Leninisten) kann und muss das Banner der am meisten geknechteten Teile des Weltproletariats werden, also, in erster Linie, auch der Arbeiter-Neger. Worauf gründe ich diese Annahme?

Die LO ist gegenwärtig die konsequenteste und revolutionärste Strömung in der Welt. Ihr scharf kritisches Verhalten zu allen Formen der bürokratischen Selbstherrlichkeit in der Arbeiterbewegung, erlaubt ihr, mit besonderer Aufmerksamkeit, die Stimmen der am meisten ausgebeuteten Teile der Arbeiterklasse, und der Werktätigen überhaupt, zu hören.

Die LO ist nicht nur den Schlägen des stalinschen Apparats ausgesetzt, sondern auch den Schlägen aller bürgerlichen Regierungen. Diese Tatsache, die allen Verleumdungen zum Trotz, allmählich ins Bewusstsein der Massen eindringt, muss der Linken Opp. immer wieder neue, glühende Sympathien der am meisten geknechteten Teile der Arbeiterklasse der ganzen Welt einbringen. Unter diesem Gesichtswinkel scheint mir der Schritt der südafrikanischen Genossen durchaus nicht zufällig, sondern tief symptomatisch zu sein.

In ihrem Brief, mit den 24 Unterschriften (weiter folgt: «auch andere») bekunden die südafrikanischen Genossen ein besonderes Interesse für die Fragen der chinesischen Revolution. Man muss dieses Interesse als völlig begründet anerkennen. Gerade die Arbeitermassen der unterdrückten Völkerschaften, die einen Kampf für die elementarsten nationalen und menschlichen Rechte zu führen haben, riskieren am meisten zu leiden, durch die verwirrten Belehrungen der Stalin-Bürokratie über die «demokratische Diktatur».

Unter dieser falschen Fahne, kann die Politik der Kuomintang, d. h. des gemeinen Betrugs und der straflosen Unterjochung der werktätigen Massen durch ihre eigene nationale Bourgeoisie, noch die größten Schäden der Sache der Befreiung der Werktätigen zufügen.

Das Programm der permanenten Revolution, begründet und geprüft an Hand der unbestreitbaren historischen Erfahrung einer Reihe von Ländern, kann und muss die entscheidende Rolle in der Befreiungsbewegung des Neger-Proletariats einnehmen.

Wenn die Genossen aus Johannesburg bis heute noch keine Möglichkeit besaßen, die Ansichten der LO in allen entscheidenden Fragen kennenzulernen, so kann dies durchaus kein Hindernis dafür sein, dass wir uns mit ihnen schon jetzt möglichst eng zusammenschließen, und ihnen brüderlich helfen in den Kreis unseres Programms und unserer Taktik einzudringen.

Wenn sich an uns 10 Pariser, Berliner oder New Yorker Intellektuelle, die schon in verschiedenen Organisationen gewesen sind, mit der Bitte um Aufnahme in unsere Mitte wenden, möchte ich folgenden Rat erteilen: sie einer Reihe von strengen Prüfungen in allen Fragen des Programms unterwerfen, unter Regen naß machen, an der Sonne trocknen lassen, und dann, nach einer erneuten aufmerksamen Prüfung, einen oder zwei aufnehmen.

Die ganze Sache ändert sich grundsätzlich, wenn sich an uns 10 mit der Masse verwachsene Arbeiter wenden. Der Unterschied in unserem Verhalten zu einer kleinbürgerlichen und zu einer proletarischen Gruppe bedarf keiner Erläuterungen. Doch wenn die proletarische Gruppe in einem Bezirk arbeitet, wo es Arbeiter verschiedener Rassen gibt, und trotzdem nur Arbeiter der privilegierten Nationalität enthält, wäre ich geneigt mich misstrauisch zu verhalten: haben wir es hier nicht mit der Arbeiteraristokratie zu tun? Ist die Gruppe nicht mit passiven oder aktiven sklavenhalterischen Vorurteilen angesteckt:

Eine ganz andere Sache ist es, wenn sich an uns eine Gruppe von Negerarbeitern wendet. Hier bin ich von vorne herein bereit zu glauben, dass wir mit ihnen Einheit erreichen werden, auch wenn sie jetzt noch nicht klar vorhanden ist.

Die Negerarbeiter können ihrer ganzen Lage nach nicht danach streben, irgend jemand zu unterdrücken, zu erniedrigen, zu entrechten: sie suchen keine Privilegien und können sich nur auf dem Wege der internationalen Revolution auf eine höhere Stufe erheben.

Wir können und müssen den Weg finden zum Bewusstsein der Arbeiter-Neger, Arbeiter-Chinesen, Arbeiter-Inder, aller Unterjochten des Menschenozeans der farbigen Rassen, denen das entscheidende Wort in der Entwicklung der Menschheit gehört.

Prinkipo, 15 Juni 1932.

L. Trotzki.

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