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Leo Trotzki 19320423 Trotzki zur Abrüstungskonferenz

Leo Trotzki: Trotzki zur Abrüstungskonferenz

[Nach Permanente Revolution, 2. Jahrgang 1932, Nr. 10, Mitte Mai, S. 2]

Antworten auf die Fragen des Vertreters der «Chicago Daily News», Mr. John Gunther.

1. Die grundlegende Ursache der Krise lässt sich mit einem Wort bestimmen: Kapitalismus. Der besondere Charakter der Krisis wird durch einen anderen Begriff erklärt: Imperialismus, d. h. der monopolistische Kapitalismus, der in seinen auswegslosen Widersprüchen zu verfaulen beginnt. Aufstieg und Fall von Ivar Kreuger sind symbolisch für den ganzen derzeitigen Kapitalismus. Die offiziellen Moralisten lassen auf den Zündholzkönig ihre nachträglichen Blitze einschlagen. Er aber könnte ihnen erwidern: warum habt ihr mir gestattet, jene Produktivkräfte, die unter der Leitung der menschlichen Gesellschaft dieser dienen müssten, nach eigenem Gutdünken zu verwalten?

Ob die kapitalistische Weltordnung die derzeitige Krise überstehen wird? Die Antwort hängt davon ab, was man unter dem Begriff Krise versteht. Konjunkturschwankungen begleiten die gesamte Geschichte des Kapitalismus. In den vergangenen Epochen stieg die Kurve des Kapitalismus durch alle Konjunkturschwankungen hindurch. Jetzt fällt sie. Das schließt Konjunkturschwankungen auch in der Zukunft nicht aus. Im Gegenteil, diese sind unvermeidlich. Aber die jetzige verschärfte Krise kann nur so abgeschwächt werden, dass sie in der nächsten, ziemlich nahen Etappe zu noch schärferen Paroxysmen gelangt. Beendigt kann dieser ganze äußerst schmerzhafte Prozess nur werden durch eine Veränderung des gesamten gesellschaftlichen Systems.

2. Ob ich einen Erfolg der Abrüstungskonferenz erhoffe? Nicht im Geringsten. Darin bin ich aber kaum eine Ausnahme. Das französische Projekt wird schon dadurch charakterisiert, dass es von der Regierung Tardieu eingebracht wird. Zur selben Zeit, da Frankreich die blutige Arbeit Japans im Fernen Osten unterstützt, unterstützt das dankbare Japan die pazifistische Initiative Frankreichs in Genf. Eine unvergleichliche Lehre für alle Völker! Das Projekt Frankreichs läuft darauf hinaus, unter dem Deckmantel des Völkerbundes eine neue Entente zu schaffen mit dem einzigen Ziele, unter Zuhilfenahme der «internationalen» Armee die Vorherrschaft des französischen Finanzkapitals zu stabilisieren.

Aber auch das amerikanische Projekt eröffnet keine Perspektiven. Die Kriege der Gegenwart werden nicht mit jenen Waffen geführt, die am Vorabend des Krieges im Besitz der kriegführenden Länder sind, sondern mit jenen Waffen, die sie im Verlaufe des Krieges selbst herstellen. Die USA gaben in dieser Beziehung der ganzen Welt und besonders Deutschland eine Lehre. Der Ausgang des zukünftigen Krieges wird bestimmt werden durch die technische Kapazität der kriegführenden Länder. Je höher die industrielle Entwicklung eines Landes ist, desto mehr ist es interessiert an einer vorbeugenden «Beschränkung» der Rüstungen, wird es doch diesem Lande dann wesentlich leichter sein, seine Armee mit allem Notwendigen zu versehen, als seinen Gegnern.

Im besten Falle wird die Konferenz mit nichtssagenden Formeln beendet werden. Der unvermeidliche Zusammenbruch der Genfer Konferenz wird zu einem neuen Anstoß für die Aufrüstung werden und wird noch mehr die Kriegsgefahr verdichten.

Die französisch-japanische Politik, sowohl die kriegerische, wie die «friedliche», richten sich immer mehr und ganz offen nicht nur gegen China, sondern auch gegen die Sowjet-Union. Dass Litwinow auf der Genfer Konferenz den ehrlichen Willen der SU zum Ausdruck bringt, es nicht bis zum Kriege kommen zu lassen, das kann von keinem aufmerksamen Beobachter bezweifelt werden. Ich möchte aber hoffen, dass die Delegation der SU einen Moment finden wird, um von den technisch-pazifistischen Vorschlägen, denen selbst in pädagogischer Hinsicht keine große Bedeutung zukommt, zu einer aktiveren Politik überzugehen d. h. offen der Konferenz zu sagen, was ist, und damit die Völker vor der heraufziehenden Gefahr zu warnen. Denn, wenn es auf unserem Planeten eine Kraft gibt, die imstande ist die Aufrüstung zu Lande und zur See zu «beschränken», so ist es der Wille der Volksmassen.

3. Die Zeitungsgerüchte über meine baldige Rückkehr jn die SU dürften kaum auf irgendwelchen ernsthaften Informationen beruhen. Es handelt sich dabei eher um Einfälle, die durch die allgemeine aufregende Situation verursacht werden. Es braucht nicht erst gesagt zu werden, dass jene Fraktion, der ich angehöre, sich im Kriegsfalle voll und ganz der Sowjetregierung zur Verfügung stellen wird. Als auf einen Präzedenzfall kann darauf hingewiesen werden, dass zur Zeit des Bürgerkrieges 1918-20 Stalin, Woroschilow u.a. in scharfer Opposition zu jenem System des Krieges standen, das ich Hand in Hand mit Lenin durchführte, was jedoch die damaligen Oppositionellen nicht hinderte, aktiv an den Kämpfen teilzunehmen.

L. Trotzki

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