Arbeiterkontrolle und Zusammenarbeit mit der UdSSR

Arbeiterkontrolle und Zusammenarbeit mit der UdSSR

Wenn wir von den Losungen der revolutionären Periode sprechen, darf dies nicht allzu eng aufgefasst werden. Sowjets können nur in einer revolutionären Periode gebildet werden. Doch wann beginnt diese? Das lässt sich nicht aus dem Kalender erfahren. Es ist nur durch Aktionen heraus zu tasten. Sowjets müssen geschaffen werden, sobald sie geschaffen werden können.*

Die Losung der Arbeiterkontrolle über die Produktion gehört im Großen und Ganzen der gleichen Periode an wie die Schaffung von Sowjets. Aber auch dies darf man nicht mechanisch auffassen. Besondere Bedingungen können die Massen zur Produktionskontrolle bedeutend früher heranziehen, als sie Bereitschaft zeigen, an die Schaffung von Sowjets heranzugehen.

Brandler und sein linker Schatten – Urbahns – haben die Losung der Produktionskontrolle unabhängig von der politischen Situation aufgestellt. Das hat nichts gebracht als die Diskreditierung der Losung selbst. Dennoch wäre es unrichtig, auf die Losung jetzt, unter den Bedingungen der heraufziehenden politischen Krise, zu verzichten, bloß deshalb, weil noch keine Massenoffensive zu Tage, getreten ist. Für die Offensive selbst braucht man Losungen, die die Perspektive der Bewegung festlegen. Eine Periode der Propaganda muss dem Eindringen der Losung in die Massen unvermeidlich vorausgehen!

Die Kampagne der Arbeiterkontrolle könnte je nach den Umständen unter dem Gesichtspunkt der Produktion oder unter dem der Konsumtion eingeleitet werden. Das Versprechen der Brüningregierung, gleichzeitig mit dem Lohnabbau auch die Warenpreise herabzusetzen, hat sich nicht verwirklicht. Die Frage muss die rückständigsten, heute noch sehr weit vom Gedanken der Machteroberung entfernten Schichten des Proletariats erfassen. Die Arbeiterkontrolle über Produktionskosten und Warenprofite ist die einzig reale Form des Kampfes um den Preisabbau. Bei der allgemeinen Unzufriedenheit könnten Arbeiterkommissionen mit Teilnahme von Arbeiterhausfrauen zur Überprüfung, ans welchen Gründen z. B. – Margarine im Preise steigt. eine sehr wirksame Einleitung zur Arbeiterkontrolle über die Produktion werden. Selbstverständlich ist das nur einer der möglichen Anbahnungswege, als Beispiel herausgegriffen. .Hier wird es noch nicht um Produktionsleitung gehen: darauf wird die Arbeiterfrau nicht sogleich eingehen, dieser Gedanke liegt ihr fern. Aber von der Konsumtionskontrolle wird es ihr leichter sein zur Produktionskontrolle überzugehen und von dieser zur unmittelbaren Produktionsleitung, je nach der allgemeinen Entwicklung der Revolution.

Produktionskontrolle bedeutet im heutigen Deutschland, unter den Bedingungen der jetzigen Krise, Kontrolle nicht nur der beschäftigten, sondern auch der halb beschäftigten und stillgelegten Unternehmen. Das setzt Heranziehung jener Arbeiter zur Kontrolle voraus, die vor der Entlassung in den Unternehmen gearbeitet hatten. Aufgabe muss dabei sein: Ingangsetzung der ruhenden Unternehmen unter Führung der Betriebsausschüsse, auf Grund eines Wirtschaftsplanes. Das führt dicht an die Frage der staatlichen Produktionsleitung heran, d. h. an die Enteignung der Kapitalisten durch den Arbeiterstaat. Die Arbeiterkontrolle bedeutet somit keinen andauernden, «normalen» Zustand, in der Art von Tarifverträgen oder Sozialversicherung. Die Kontrolle ist eine Übergangsmaßnahme unter den Bedingungen höchster Spannung des Klassenkampfes und denkbar nur als Brücke zur revolutionären Nationalisierung der Industrie.

Die Brandlerianer beschuldigen die Linke Opposition, von ihnen die Parole der Produktionskontrolle übernommen zu haben, nachdem sie jahrelang diese Losung verspottet hatte. Diese Beschuldigung klingt recht überraschend! Die Losung der Produktionskontrolle wurde zum ersten Male in breiterem Maßstabe von den Bolschewiki im Jahre 191? aufgestellt. In Petrograd lag die Führung der ganzen Kampagne auf diesem Gebiete, wie auch auf anderen, in Händen des Sowjets. Als Person, die diese Arbeit verfolgt und an ihr teilgenommen hat, bezeuge ich: Wir haben weder an Brandler-Thalheimers Initiative appellieren müssen, noch ihre theoretischen Anweisungen benützen. Die Beschuldigung des «Plagiats» ist mit einiger Unvorsichtigkeit formuliert.

Aber nicht hier liegt das Übel. Viel schlimmer steht es mit dem zweiten Teil der Beschuldigung: bisher hätten die «Trotzkisten» sich einer Kampagne unter der Losung der Produktionskontrolle widersetzt, während sie nun für diese Losung eintreten. Die Brandlerianer sehen hierin unsere Inkosequenz! In Wirklichkeit offenbaren sie lediglich völliges Unverständnis der revolutionären Dialektik, die der Losung der Arbeiterkontrolle zugrunde liegt, indem sie diese zu einem technischen Rezept der «Massenmobilisierung» reduzieren. Sie verurteilen sich selber, wenn sie sich darauf berufen, schon jahrelang eine Losung zu wiederholen, die nur für die revolutionäre Periode taugt. Der Specht, der jahraus jahrein an der Eichenrinde klopft, meint wohl in der Tiefe seiner Seele, der Holzfäller. der mit einem Axtstreich den Baum umlegt, habe an ihm, dem Specht, ein verbrecherisches Plagiat begangen.

Für uns ist somit die Losung der Kontrolle mit einer Periode der Doppelherrschaft in der Industrie verbunden, die dem Übergang vom bürgerlichen Regime zum proletarischen entspricht. Nein, erwidert Thalheimer, Doppelherrschaft müsste «Gleichberechtigung (!) mit den Unternehmern» bedeuten; die Arbeiter aber kämpfen um ihre vollständige Führung in den Betrieben. Sie, die Brandlerianer, werden nicht gestatten, dass man die revolutionäre Losung «kastriere» – wörtlich so! –-. Für sie bedeutet «Produktionskontrolle die Leitung der Produktion durch die Arbeiter» (17. Januar). Warum aber die Leitung dann Kontrolle nennen? In der menschlichen Sprache versteht man unter Kontrolle die Beobachtung und Überprüfung der Arbeit der einen Institution durch eine andere. Die Kontrolle kann sehr aktiv, gebieterisch, allumfassend sein. Sie bleibt aber Kontrolle. Die eigentliche Idee dieser Losung ist aus dem Übergangsregime in den Betrieben entstanden, wo Kapitalist und Administration keinen Schritt mehr ohne Zustimmung der Arbeiter tun können, andererseits aber die Arbeiter noch nicht die politischen Voraussetzungen der Nationalisierung geschaffen, die technische Leitung nicht erobert, die hierzu notwendigen Organe nicht herausgebildet haben. Vergessen wir nicht, dass es nicht nur um die Werkführung geht, sondern auch um den Produktionsabsatz, um Versorgung der Betriebe mit Rohstoff, Materialien, Neuausrüstungen, um Kreditoperationen usw.

Das Kräfteverhältnis im Betriebe wird durch die Macht des allgemeinen Drucks des Proletariats auf die bürgerliche Gesellschaft bestimmt. Die Kontrolle ist, allgemein gesprochen, möglich nur bei unzweifelhafter Übermacht der Kräfte des Proletariats über die Kräfte des Kapitals. Doch ist es falsch zu glauben, in der Revolution würden alle Fragen mit Gewalt gelöst: die Betriebe besetzen kann man mit Hilfe der Roten Garde; sie zu leiten, bedarf es neuer rechtlicher und administrativer Voraussetzungen; außerdem: Kenntnis, Fertigkeit, Organe. Eine gewisse Lehrzeit ist notwendig. Das Proletariat ist daran interessiert, für diese Periode die Leitung in den Händen der erfahrenen Administration zu belassen, sie aber zu zwingen, alle Bücher zu öffnen und über alle Verbindungen und Handlungen wachsame Aufsicht zu üben.

Die Arbeiterkontrolle beginnt beim einzelnen Unternehmen. Kontrollorgan ist der Betriebsausschuss. Die Betriebsorgane der Kontrolle treten miteinander in Verbindung, je nach den wirtschaftlichen Zusammenhängen der verschiedenen Unternehmen untereinander. In diesem Stadium besteht noch kein allgemeiner Wirtschaftsplan. Die Praxis der Arbeiterkontrolle bereitet lediglich die Elemente dieses Planes vor.

Die Produktionsleitung durch die Arbeiter geht schon in hohem Grade, sogar bei den ersten Schritten, von oben aus, denn sie ist untrennbar von der Macht und einem allgemeinen Wirtschaftsplan. Leitungsorgane sind nicht mehr die Betriebsausschüsse, sondern die zentralisierten Sowjets. Die Rolle des Betriebsausschusses bleibt natürlich sehr bedeutend. Aber auf dem Gebiete der Betriebsleitung ist dies nicht mehr eine Führer-, sondern eine Helferrolle.

In Russland, wo mit der Bourgeoisie auch die technische Intelligenz überzeugt war, das bolschewistische Experiment werde sich bloß wenige Wochen halten, und daher Sabotage aller Art vornahm, jegliche Verständigung ablehnte, kam die Arbeiterkontrolle nicht zur Entfaltung. Der Bürgerkrieg schlug überdies die Wirtschaft nieder, indem er die Arbeiter in Soldaten verwandelte. Russlands Erfahrung liefert daher wenig in Bezug auf die Arbeiterkontrolle als besonderes Regime der Industrie. Desto wertvoller ist indes seine Erfahrung von einer anderen Seite her: sie beweist, dass selbst in einem rückständigen Lande bei allgemeiner Sabotage nicht nur der Eigentümer, sondern auch des technisch-administrativen Personals das junge, unerfahrene, von einem Feindesring umgebene Proletariat dennoch die Industrieleitung instand zu setzen vermochte. Was könnte da nicht die deutsche Arbeiterklasse vollbringen!

Das Proletariat ist, wie gesagt, daran interessiert, den Übergang von privatkapitalistischer zu staatskapitalistischer und sozialistischer Produktion mit den geringsten wirtschaftlichen Erschütterungen, dem geringsten Verlust an Nationaleinkommen zu bewerkstelligen. Deshalb wird das Proletariat, hat es sich der Macht genähert oder sogar die Macht durch kühnsten und energischsten Kampf bereits erobert, seine völlige Bereitschaft äußern, in Betrieben, Fabriken, Banken, ein Übergangsregime zu schaffen.

Werden in Deutschland während der Revolution die Beziehungen in der Industrie sich anders gestalten als in Russland? Diese Frage zu beantworten, gar von der Seite her, ist nicht leicht. Der reale Verlauf des Klassenkampfes wird möglicherweise für die Arbeiterkontrolle als besondere Etappe keinen Raum übrig lassen. Bei äußerst angespannter Entwicklung des Klassenkampfes, beim Wachsen des Ansturms der Arbeiter einerseits, einer Sabotage der Unternehmer und Administratoren andererseits, könnte sich ein Platz für Übereinkommen, selbst kurzfristige, als unmöglich erweisen. Die Arbeiterklasse müsste in diesem Falle mit der Macht zugleich die Unternehmungen unter ihre Leitung nehmen. Der gegenwärtige halb paralysierte Zustand der Industrie und das Vorhandensein einer ungeheuren Arbeitslosenarmee, machen einen solchen «verkürzten» Weg ziemlich wahrscheinlich.

Andererseits aber bildet das Vorhandensein mächtiger Organisationen in der Arbeiterklasse, die Erziehung der deutschen Arbeiter im Geiste systematischer Aktionen und nicht der Improvisationen, das langsame Tempo des revolutionären Anlaufs der Massen. Bedingungen, die die Waagschale zugunsten des ersten Weges beeinflussen können. Es wäre daher unzulässig, im Voraus auf die Parole der Produktionskontrolle zu verzichten.

Jedenfalls ist es augenscheinlich, dass für Deutschland noch mehr als für Russland die Parole der Arbeiterkontrolle von der Arbeiterleitung verschiedenen Sinn hat. Wie viele andere Übergangslosungen bewahrt sie ungeheure Bedeutung unabhängig davon, bis zu welchem Grade sie sich in der Tat ab realisierbar erweisen oder ob sie überhaupt zur Verwirklichung kommen wird.

Durch die Bereitschaft, Übergangsformen der Arbeiterkontrolle zu schaffen, bringt die proletarische Avantgarde die konservativen Schichten des Proletariats auf seine Seite, neutralisiert sie gewisse Gruppen des Kleinbürgertums, besonders der technischen, administrativen, Handels- und Bankangestellten. Sollten die Kapitalisten und die ganze obere Schicht der Administration vollkommene Unversöhnlichkeit zeigen und Zuflucht nehmen zur Wirtschaftssabotage, so würde die Verantwortung für die daraus entstehenden harten Maßregeln in den Augen des Volkes nicht auf die Arbeiter, sondern auf die feindlichen Klassen zurückfallen. Dies ist der ergänzende politische Sinn der Losung der Arbeiterkontrolle neben ihrem oben aufgezeigten wirtschaftlichen und administrativen Sinn.

Jedenfalls ist es der Gipfel des politischen Zynismus, wenn Leute, die die Losung der Arbeiterkontrolle in einer nicht revolutionären Situation aufgestellt und ihr damit rein reformistischen Charakter verliehen haben, uns der zentristischen Halbheit bezichtigen, weil wir es ablehnen, Kontrolle und Leitung einander gleichzusetzen.

Die Arbeiter, die bis zu den Fragen der Produktionsleitung durchdringen, wollen und können sich nicht an Worten berauschen. Sie sind von den Betrieben her gewohnt, mit weniger nachgiebigem Material als mit Phrasen umzugehen, und sie werden viel besser als die Bürokraten unseren Gedanken verstehen: das wirkliche revolutionäre Wesen besteht nicht darin, immer und überall Gewalt anwenden zu wollen, und noch weniger, sich an Worten über die Gewalt zu verschlucken. Wo Gewalt Not tut, muss man sie kühn, entschlossen und bis zu Ende gebrauchen. Doch es heißt die Grenzen der Gewalt kennen; wissen, wo Gewalt mit Manöver zu kombinieren, den Schlag – mit Verständigung. An Lenin-Gedächtnistagen wiederholt die Stalinbürokratie die eingepaukten Phrasen vom «revolutionären Realismus», um während der übrigen 364 Tage ihrer um so ungebundener zu spotten.

Die prostituierten Theoretiker des Reformismus versuchen in Brünings Notverordnungen gegen die Arbeiter die Morgenröte des Sozialismus zu entdecken. Vom «Kriegssozialismus» Hohenzollerns zum Polizeisozialismus Brünings!

Die linken Bourgeoisideologen träumen von kapitalistischer Planwirtschaft. Doch der Kapitalismus hat bereits bewiesen, dass er fähig ist. planmäßig nur die Produktionskräfte im Interesse des Krieges zu vergeuden. Abgesehen von allem anderen: wie die Abhängigkeit Deutschlands, mit seinen ungeheuren Ein- und Ausfuhrziffern, vom Weltmarkt regeln?

Wir unsererseits schlagen vor, mit dem Sektor der sowjetisch-deutschen Beziehungen zu beginnen, d.h. mit der Ausarbeitung eines breiten Planes der Zusammenarbeit zwischen der sowjetischen und der deutschen Wirtschaft im Zusammenhang und als Ergänzung zum zweiten Fünfjahresplan. Dutzende und Hunderte großer Betriebe könnten voll in Gang gesetzt werden. Die Arbeitslosigkeit Deutschlands gänzlich liquidiert werden – kaum wären dazu mehr als zwei, drei Jahre nötig – auf Grund eines Wirtschaftsplanes, der wenigstens diese beiden Länder allseitig umfassen würde.

Die kapitalistischen Wirtschaftsführer Deutschlands können natürlich keinen solchen Plan schaffen, denn er würde ihre soziale Selbstvernichtung bedeuten. Die Sowjetregierung aber kann und muss unter Mitwirkung der deutschen Arbeiterorganisationen, vor allem der Gewerkschaften und der fortschrittlichen Vertreter der deutschen Technik, einen vollkommen realen Plan ausarbeiten, der wahrhaft grandiose Perspektiven zu eröffnen imstande wäre. Wie kläglich stünden alle jene «Probleme» der Reparationen und ergänzenden Zollpfennige da im Vergleich zu den Möglichkeiten, die durch Verknüpfung der natürlichen, technischen und organisatorischen Hilfsmittel der sowjetischen und der deutschen Wirtschaft erschlossen würden!

Die deutschen Kommunisten propagieren die Erfolge des Sowjetaufbaus. Das ist eine notwendige Arbeit. Sie ergehen sich dabei in süßlichen Beschönigungen. Das ist überflüssig. Am schlimmsten aber ist. dass sie die Erfolge wie die Schwierigkeiten der Sowjetwirtschaft nicht zu verbinden wissen mit den unmittelbaren Interessen des deutschen Proletariats, mit Arbeitslosigkeit, Lohnabbau und der allgemeinen wirtschaftlichen Ausweglosigkeit Deutschlands. Sie wissen und wünschen nicht die Fragen der sowjetisch-deutschen Zusammenarbeit auf streng sachlicher und zugleich tief revolutionärer Grundlage zu stellen.

Bei den ersten Schritten der Krise – nun sind es schon über zwei Jahre her haben wir diese Frage in der Presse gestellt. Die Stalinisten verkündeten sogleich, wir glaubten, an friedliches Zusammenleben von Sozialismus und Kapitalismus, wir wollten den Kapitalismus retten usw. Sie haben nur eines nicht vorausgesehen und begriffen: welch machtvoller Faktor der sozialistischen Revolution ein konkreter Wirtschaftsplan der Zusammenarbeit sein könnte, würde er zum Gegenstand der Diskussion in Gewerkschaften. Betriebsversammlungen, unter den Arbeitern nicht nur beschäftigter, sondern stillgelegter Unternehmen gemacht, mit der Losung der Arbeiterkontrolle über die Produktion verbunden werden und sodann mit der Parole der Machteroberung. Denn eine wirklich planmäßige internationale Zusammenarbeit ist nur bei einem Außenhandelsmonopol in Deutschland zu verwirklichen, bei Nationalisierung der Produktionsmittel, mit anderen Worten: nur bei Diktatur des Proletariats. Auf diesem Wege könnte man neue Arbeitermillionen, parteilose, sozialdemokratische, katholische, dem Machtkampf zuführen.

Die Tarnow schrecken die deutschen Arbeiter damit, der industrielle Verfall als Folge der Revolution würde schreckliches Chaos, Hunger usw. mit sich bringen. Vergessen wir nicht: diese Leute haben den imperialistischen Krieg unterstützt, der dem Proletariat nichts zu bringen vermochte als Qualen, Elend und Erniedrigungen. Dem Proletariat die Leiden des Krieges unter Hohenzollerns Fahne aufbürden – ja; die Opfer der Revolution unter dem Banner des Sozialismus? – nein, niemals!

Das Gerede davon, «unsere deutschen Arbeiter» würden «solche Opfer» nicht tragen wollen, beinhaltet mit der Schmeichelei gleichzeitig eine Verleumdung der deutschen Arbeiter. Die deutschen Arbeiter sind unglücklicherweise allzu geduldig. Die sozialistische Revolution würde von ihnen nicht den hundertsten Teil jener Opfer erfordern, wie sie der Hohenzollern-Leipart-Welssche Krieg verschlungen hat.

Von welchem Chaos sprechen die Tarnow? Das halbe deutsche Proletariat ist aufs Pflaster geschleudert. Selbst bei Milderung der Krise in ein, zwei Jahren – würde sie in 5 Jahren in noch gräulicheren Formen wiederkehren. Nicht zu sprechen davon, dass die Todeskonvulsionen des Kapitalismus unvermeidlich zum Kriege führen. Mit welchem Chaos schrecken die Hilferding? Ginge die sozialistische Revolution von der vollblütigen kapitalistischen Industrie aus – was, allgemein gesprochen, unmöglich ist –, so könnte sie in den ersten Monaten und Jahren der Wechsel des sozialen Regimes, bei Umstellung der alten Proportionen und bei Ungefestigtheit der neuen, eine vorübergehende Senkung der Wirtschaft bewirken. Doch der Sozialismus im heutigen Deutschland hätte von einer Wirtschaft auszugehen, deren Produktivkräfte bloß zur Hälfte arbeiten. Die Wirtschaftsregulierung besäße somit von allem Anfang an 50 Prozent Reserven. Das ist mehr als ausreichend, um die Schwankungen der ersten Schritte zu überdecken, die scharfen Stöße des neuen Systems abzudämpfen und es selbst vor zeitweiligem Niedergang der Produktionskräfte zu sichern. In der bedingten Sprache der Ziffern ausgedrückt: müsste die soziale Revolution von hundertprozentiger kapitalistischer Wirtschaft in der ersten Zeit auf 75 und sogar 50 Prozent zurückgehen, so könnte von fünfzigprozentiger kapitalistischer Wirtschaft die proletarische Revolution sich lediglich auf 75 und 100 Prozent erheben, um sodann einen mit nichts bisher Dagewesenem vergleichbaren Aufschwung zu nehmen.

* Erinnern wir daran, dass in China die Stalinisten die Bildung von Sowjets in der Periode des revolutionären Aufstiegs verhinderten, nachdem sie aber beschlossen hatten, in der Periode der Niedergangswelle den Kantoner Aufstand zu organisieren, die Massen zur Schaltung der Sowjets erst am Tage des Aufstands aufriefen.

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