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Leo Trotzki 19330428 Brief an Alois Neurath

Leo Trotzki: Brief an Alois Neurath

[Nach dem maschinenschriftlichen Text in Lev Davidovič Trockij / International Left Opposition Archives, inventory number 968, International Institute of Social History, Amsterdam]

Büyükada, 28. April 1933

Lieber Genosse Neurath,

Auf Ihren vorletzten Brief habe ich Ihnen nicht geantwortet, weil ich wegen Ottos Fortreise ohne deutschen Mitarbeiter geblieben bin, und deutsch selber zu schreiben fällt mir doch ziemlich schwer. Gestern ist ein Genosse aus Deutschland gekommen, und jetzt wird das deutsche Ressort wieder klappen.

Die SAP-Frage ist unbestreitbar eine wichtige Frage. Ich meinerseits bin bereit, alles zu tun, um mit den SAP-Leuten eine Verständigung zustande zu bringen. Jedenfalls kann es nicht auf dem Wege der organisatorisch-persönlichen Kombinationen, sondern auf dem Wege der ehrlichen prinzipiellen Auseinandersetzung vor sich gehen. Ich habe einen kleinen Aufsatz für inneren Gebrauch geschrieben und ihn in russischer Sprache an Otto geschickt. Hoffentlich werden sie davon Kenntnis erhalten und mir ihre Meinung mitteilen. Hätte ich Bewegungsfreiheit, so würde ich mit Freude nach Prag oder Paris fahren, um mich mit den Leuten persönlich auseinanderzusetzen. Wollte jemand von Ihnen zu mir kommen, so würde Ich das herzlich begrüßen; selbstverständlich müssen wir alles tun, um jetzt, wo alles noch in Gärung ist und noch nichts sich endgültig herauskristallisiert hat, unsere eventuelle Zusammenarbeit mit der SAP in Gang bringen. Andererseits aber müssen wir jeden voreiligen organisatorischen Schritt vermeiden, der dann einen Rückschlag hervorrufen konnte. So etwas könnte für unsere weiteren Beziehungen fatal werden.

Ihre Bemerkung, dass sie „nicht die Möglichkeit und nicht das Recht" hatten, unmittelbar auf diese Entscheidung Einfluss zu nehmen, weil sie vorläufig nur all sympathisierende Gruppe in Betracht kämen, scheint mit verfehlt zu sein, niemand betrachtet die tschechoslowakische und deutschböhmische Opposition als eine Sektion zweiten Ranges. Nur die Spaltung macht es bisweilen unmöglich die organisatorische Frage zu regeln. Dass dieser bedauerliche Zustand sie politisch in irgendwelcher Hinsicht lähmen sollte, das kann ich nicht zugeben.

Ich halte die Frage der Zeitung Unser Wort für die wichtigste aller Fragen in dem jetzigen Augenblick, wenigstens für die deutschsprechenden Sektionen und Gruppen der LO. Könnte nicht Ihre Organisation in eine gewisse ganz konkrete Abmachung mit der Redaktion von Unser Wort eingehen? Zum Beispiel Sie verpflichten sich, so und so viel Exemplare zu vertreiben und abzurechnen; die Redaktion verpflichtet sich, Ihnen in jeder Nummer so und soviel Zeilen zur Verfügung zu stellen und einmal monatlich eine ein- oder zweiseitige Beilage. Wir sind jetzt finanziell ziemlich auf dem trockenen, als Organisation und auch mehr oder weniger individuell. Wir müssen uns unsere eigenen Dollarkrise recht vernünftig anpassen. Das kann nur dadurch geschehen, dass wenigstens die deutschsprachigen Sektionen sich auf eine Zeitschrift konzentrieren, sie gemeinsam ausbauen und durch eigene Flugschriften, eventuell Broschüren usw. ergänzen.

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