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Leo Trotzki 19330613 Brief an H. Wilfert

Leo Trotzki: Brief an H. Wilfert

[Nach dem maschinenschriftlichen Text in Lev Davidovič Trockij / International Left Opposition Archives, inventory number 367, International Institute of Social History, Amsterdam]

13. Juni 1933

Lieber Genosse Wilfert!

Es war eine ausgezeichnete Idee von Ihnen, mir über die Ascher Angelegenheit reinen Wein einzuschenken. Jetzt fühle ich mich mehr oder weniger im Bilde. Die neuerliche Entwicklung in Westböhmen ist weit davon entfernt, nur westböhmisch zu sein; sie ist vielmehr international. Die Zersetzung der Sozialdemokratie greift um sich, aber auch die in Zersetzung begriffene Kommunistische Partei ist absolut unfähig, diesen Prozess ideologisch und politisch zu befruchten. Diese Aufgabe fällt ausschließlich der Linken Opposition zu. Wir müssen uns den Weg zu den besten sozialdemokratischen Elementen schlagen, und, wie ich aus Ihren Brief ersehe, haben Sie es in Asch zu tun verstanden.

Ich weiß nicht, ob Sie meinen Brief über unsere Taktik der SAP gegenüber erhalten haben, jedenfalls schreibe ich nach Paris, dass man Ihnen diesen in deutscher Fassung zuschickt. Es ist dieselbe Frage: das Verhalten der linken kommunistischen Opposition zu der linken sozialdemokratischen Opposition. Die Frage ist von großer Wichtigkeit. Aus der Erfahrung der westböhmischen Genossen werden auch die anderen manches lernen müssen. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden.

Da die Bewegung doch mehrere Orte in Westböhmen ergriffen hat, wird es der Parteivorstand nicht leicht haben, alle insgesamt auszuschließen. Was sind die politischen und organisatorischen Pläne der Opposition um Genossen Lorenz herum? Geben diese ein Bulletin für inneren Gebrauch heraus? So eine Veröffentlichung scheint mir der Lage gemäß vollständig notwendig zu sein. Wenn die Opposition politisch und organisatorisch zerfahren bleibt, so wird sie von den Bürokraten zerschlagen. Es lässt sich leicht verstehen, dass die Opposition sich sträubt, aus der Partei frühzeitig herausgeworfen zu werden, bevor sie festen Fuß fasst. Dies kann aber erreicht werden nur unter der Bedingung, dass die entschiedensten Elemente der s-d Opposition eine fest geschlossene innere Fraktion bilden mit einem eigenen Bulletin, in dem sie alle ihre grundlegenden Differenzfragen aufstellen. Für die Diskussion könnte die neu erschiene Zitatensammlung „Leninismus gegen Stalinismus“ von Nutzen sein. Auch könnte und sollte man die Aufmerksamkeit der leitenden Genossen der s-d Opposition auf die elf Punkte des programmatischen Beschlusses der Vorkonferenz der Linken Opposition lenken, denn dort sind in ganz kurzer Fassung alle die wichtigsten Probleme der neuesten Gegenwart zusammengefasst. Allerdings ist seither eine wichtige Änderung eingetreten in Bezug auf die Frage Alte oder neue Partei in Deutschland.

Könnte man die leitenden Genossen der s-d Opposition nicht dazu bewegen, für Unser Wort über Ihren Kampf zu schreiben?

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