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Leo Trotzki 19330826 Erklärung verbesserter Entwurf

Leo Trotzki: Erklärung

(verbesserter Entwurf)

[Nach dem maschinenschriftlichen Text in Lev Davidovič Trockij / International Left Opposition Archives, inventory number 1258, International Institute of Social History, Amsterdam.]

Die unterzeichneten Organisationen haben, im vollen Bewusstsein der auf ihnen lastenden geschichtlichen Verantwortung beschlossen, ihre Kräfte zur gemeinsamen Arbeit an der Wiedergeburt der revolutionären proletarischen Bewegung im internationalen Rahmen zu vereinigen. Zur Grundlage ihres Handelns machen sie folgende Prinzipien:

1. Die Todeskrise des imperialistischen Kapitalismus, die keinen Raum übrig lässt für die Politik des Reformismus (Sozialdemokratie, 2. Internationale, Bürokratie der Gewerkschaftsinternationale), stellt gebieterisch die Aufgabe des revolutionären Kampfes um die Eroberung der Macht und die Errichtung der proletarischen Diktatur als den einzigen Weg zur Umgestaltung der kapitalistischen Gesellschaft in die sozialistische.

2. Die Aufgabe der proletarischen Revolution hat ihrem eigentlichen Wesen nach internationalen Charakter. Das Proletariat kann die vollendete sozialistische Gesellschaft aufbauen nur auf der Grundlage der Weltarbeitsteilung und internationaler Zusammenarbeit. Die Unterzeichneten lehnen entschieden die Theorie vom „Sozialismus in einem Lande“ ab, die die Grundlagen des proletarischen Internationalismus untergräbt.

3. Mit nicht geringerer Energie muss zurückgewiesen werden die Theorie der Austromarxisten wie der linken Reformisten und Zentristen überhaupt, die unter dem Deckmantel des internationalen Charakter der sozialistischen Revolution abwartende Passivität im eigenen Lande predigen und damit in Wirklichkeit das Proletariat dem Faschismus in die Arme treiben. Die proletarische Partei, die unter den heutigen geschichtlichen Bedingungen der Ergreifung der Macht ausweicht, begeht schlimmsten Verrat. Das siegreiche Proletariat eines einzelnen Land muss seine nationale Diktatur festigen durch den sozialistischen Aufbau, der solange notgedrungen unvollständig und widerspruchsvoll bleibt, und gleichzeitig alle Kräfte auf die Ausbreitung der sozialistischen Revolution auf die anderen Ländern richten. Der Widerspruch zwischen dem nationalen Charakter der Machtergreifung und dem internationalen Charakter der sozialistischen Gesellschaft wird gelöst nur durch die kühne revolutionäre Tat.

4. Die aus der Oktoberrevolution entstandene dritte Internationale, die den Grundstein zur revolutionären Politik in der Epoche des Imperialismus legte und dem Weltproletariat die erste Lehre des revolutionären Kampfs um die Macht erteilte, fiel einer Reihe von geschichtlichen Widersprüchen zum Opfer. Die verräterische Rolle der Sozialdemokratie, die Jugend und Unerfahrenheit der kommunistischen Parteien führte zum Zusammenbruch der revolutionären Nachkriegsbewegung im Westen und Osten. Die isolierte Lage der proletarischen Diktatur in einem zurückgebliebenen Lande verlieh der immer konservativeren und national beschränkten Sowjetbürokratie außerordentliche Machtfülle. Die sklavische Abhängigkeit der Kominternsektionen von der Sowjetspitze führte ihrerseits zu einer neuen Reihe schwerer Niederlagen, zur bürokratischen Entartung der Theorie und Praxis der kommunistischen Parteien, zu ihrer Schwächung und ihrem Verfall.

5. Das Vordringen des Faschismus in Deutschland stellte die höchste Probe für die Arbeiterklasse in Gestalt ihrer Organisationen dar. Die Sozialdemokratie erhielt die Möglichkeit, noch einmal jene Bezeichnung zu bekräftigen, welche Rosa Luxemburg ihr gegeben hatte: ein „stinkender Leichnam“. Die Reinigung der Arbeiterbewegung von den Organisationen, Ideen und Methoden des Reformismus ist die Hauptvoraussetzung für den Sieg über den Kapitalismus.

6. Mit nicht geringerer Gewalt offenbarten die deutschen Ereignisse den Zusammenbruch der 3. Internationale. Trotz ihrem 14-jährigen Bestehen, den Erfahrungen grandioser Kämpfe, der moralischen Unterstützung durch den Sowjetstaat und den reichlichen Mitteln für die Propaganda legte die KP Deutschlands unter den außergewöhnlich günstigen Bedingungen der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise eine vollständige revolutionäre Unzulänglichkeit an den Tag, die ihren endgültigen Zusammenbruch herbeiführte. Die heutige Komintern, die nichts aus der deutschen Katastrophe gelernt hat, ist nur imstande, den revolutionären Aufstieg des Proletariats zu hemmen.

7. Die Lage des Weltkapitalismus, die grauenvolle Krise, welche die Volksmassen in nie dagewesenen Elend stürzt, die revolutionären Bewegungen der unterdrückten Kolonialmassen, die Perspektive eines neuen Zyklus von Kriegen, welche alle menschliche Kultur zu vernichten droht – das sind die Umstände, die gebieterisch den Zusammenschluss der proletarischen Vorhut zu einer neuen (der 4.) Internationale verlangen. Die Unterzeichneten verpflichten sich, mit all ihrer Kraft dazu beizutragen, dass sich diese neue Internationale in möglichst kurzer Zeit herausbildet auf dem unerschütterlichen Fundament der von Marx und Lenin aufgestellten theoretischen und strategischen Prinzipien.

8. Bereit zur Zusammenarbeit mit allen Organisationen, Gruppen und Fraktionen, die in der Tat sich vom Reformismus oder vom bürokratischen Zentrismus (Stalinismus) weg entwickeln zur revolutionären marxistischen Politik, erklären die Unterzeichneten zugleich, dass die neue Internationale keinerlei Versöhnlertum gegenüber dem Reformismus und Zentrismus, keine wie auch immer gearteten Pläne zur „Vereinigung von 2. und 3. Internationale“, keinerlei Abweichen in den Fragen der „nationalen Verteidigung“, des Aufstandes, der proletarischen Diktatur und des internationalen Charakters der sozialistischen Revolution zulassen darf.

9. Ihrer Klassenbasis, ihren sozialen Grundlagen, den unbedingt herrschenden Eigentumsformen nach bleibt die UdSSR auch heute noch ein Arbeiterstaat, d.h. ein Werkzeug zur Errichtung der sozialistischen Gesellschaft. Die Verteidigung der Sowjetunion vor dem Imperialismus und der inneren Konterrevolution wird die neue Internationale als eine ihrer Hauptaufgaben auf ihre Fahne schreiben. Die revolutionäre Verteidigung der UdSSR kann erfolgreich nur sein unter Voraussetzung völliger Unabhängigkeit der internationalen proletarischen Organisationen von der Sowjetbürokratie und der unablässigen Bloßstellung ihrer falsche Methoden vor dem Angesicht der Arbeitermassen.

10. Die notwendige Voraussetzung für die Erziehung der revolutionären proletarischer Vorhut im nationalen wie auch im internationalen Maßstab ist die Parteidemokratie. Ohne Freiheit der Kritik, Wählbarkeit, Kontrolle von unten über den Apparat gibt es keine revolutionäre Partei.

Die Erfordernisse der Konspiration in den illegalen Verhältnissen verändern unweigerlich die Formen des inneren Lebens der revolutionären Partei, indem sie die Möglichkeit zu breiten Diskussionen und Wahlen beschneiden. Doch auch unter den schwersten Bedingungen und Umständen bewahren die Grunderfordernisse eines gesunden Parteiregimes all ihre Kraft: ehrliche Unterrichtung der Partei, Freiheit der Kritik und eine wirkliche innerliche Verbundenheit zwischen Führung und Parteimehrheit.

Indem sie den Willen der revolutionären Arbeiter zertrat und zerstampfte, verwandelte die reformistische Bürokratie die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften in ohnmächtige Sammelbecken von Millionenmassen. Indem sie die innere Demokratie erstickte, erstickte die Stalinbürokratie die Komintern. Die neue Internationale wie die ihr angehörenden Parteien müssen ihr ganzes inneres Leben aufbauen auf den Grundlagen des demokratischen Zentralismus.

11. Die Unterzeichneten schaffen durch Abordnung von Vertretern eine Ständige Kommission und übertragen ihr:

a) die Ausarbeitung eines programmatischen Manifestes als der Geburtsurkunde der neuen Internationale;

b) die Vorbereitung einer kritischen Übersicht über die heutige Arbeiterbewegung in allen ihren Organisationen und Richtungen (ein Kommentar zum Manifest);

c) die Ausarbeitung von Thesen über alle Grundfragen der revolutionären Strategie und Taktik des Proletariats;

d) die Vertretung der unterzeichneten Organisationen nach außen hin;

e) Die rechtzeitige Einberufung des internationalen Kongresses, der endgültig die neue Internationale ausrufen muss.

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