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Leo Trotzki und Arne Swabeck 19330227 Protokoll der Besprechung

Leo Trotzki und Arne Swabeck: Protokoll der Besprechung am 27. Februar 1933

Über die Lage in der amerikanischen League

[Nach dem maschinenschriftlichen Text in Lev Davidovič Trockij / International Left Opposition Archives, inventory number 1245, International Institute of Social History, Amsterdam]

Gen Swabeck: Man kann jetzt ganz bestimmt eine viel schnellere Entwicklung in Bezug auf die verschärften Gegensätze innerhalb des amerikanischen Imperialismus und seiner Rolle als Weltmacht, als auch auf die Verschärfung des Klassenkampfes erwarten und das auch in naher Zukunft. Für uns bedeutet das eine große Perspektive. Wir nehmen an, dass in Zukunft in Amerika die Rolle der Arbeiterorganisationen an Wichtigkeit sehr gewinnt. Dabei werden die großen Probleme der Gewerkschaftsbewegung aufgerollt werden und die theoretischen Fragen der Gewerkschaften und des allgemeinen Klassenkampfes. Das schließt natürlich auch eine gewisse Entwicklung des Reformismus nicht aus. Bis jetzt haben die reformistischen Parteien mehr gewonnen als die kommunistische. Als die am ehesten mögliche Perspektive scheint, dass sich die Entwicklung so rasch verschärfen wird, dass vielleicht der Sozialreformismus nicht Schritt halten kann. Das gibt große Möglichkeiten für die KP. Sozialdemokratie, Kompartei und Gewerkschaften sind heute noch klein. Die KP ist ebenso schlecht oder sogar noch schlechter als die anderen Komparteien und umfasst heute höchstens 8000 Mitglieder. Natürlich steht auch die LO vor großen Problemen, besonders bei einer so kleinen Kompartei in einem so großen Lande. Ich glaube, dass wir doch bereits schon einige Maßnahmen getroffen haben, um die LO auf die kommende Entwicklung vorzubereiten.

In ihrer ersten Periode wuchs unsere Organisation schnell, während dann bis ungefähr Ende 1930 ein Stillstand eintrat. Anfang 1931 bauten wir unser Zentrum und den Apparat auf und zählten damals ungefähr 100 Mitglieder. Zur Zeit unserer 2. Konferenz war die Organisation auf 150 Mitglieder angewachsen und heute haben wir ungefähr 210-212. Im Ganzen zeigt dies, dass wir doch gewisse Fortschritte erzielt haben. Einen Vorteil hatten wir darin, dass der Hauptkern eine einheitliche Gruppe war, die die gleichen Ansichten hatte und so aus der Partei ausgeschlossen wurde. Es gab keine Differenzen in Bezug auf Plattform, Thesen und den Klassenkampf im Allgemeinen. Kleine Meinungsverschiedenheiten gab es selbstverständlich. Anfang 1931 beschlossen wir das Expansion Program, das hauptsächlich ein propagandistisches Programm war und u.a. das Wiedererscheinen des „Militant" als Wochenorgan beschloss. Während dieser Periode kamen Elemente zu uns, die sonst vielleicht nicht zu uns gekommen wären; sie kamen hauptsächlich aus literarischen Gründen, selbstverständlich nicht alle. Mit diesem Programm begannen wir, organisatorische Schritte zu unternehmen, hauptsächlich in der Richtung der Erweiterung und Festigung der Mitgliedschaft. Unser Einfluss ist im Allgemeinen größer als das organisatorische Wachsen, heute haben wir nicht den richtigen Kontakt mit der Partei, was hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass die Partei einen außerordentlich scharfen Kampf gegen die LO führt. Sie schließt z.B. Mitglieder schon aus, wenn diese nur unsere öffentlichen Versammlungen besuchen. Jedoch haben wir schon manchmal feststellen können, dass wir Einfluss auf Parteimitglieder haben, z.B. in der Frage unserer Kampagne zur Lage in Deutschland, ferner auf den Versuch der Parteibürokraten, uns als Mörder hinzustellen; auch im Bezug auf die Antikriegsfrage. Unsere mangelhafte Verbindung mit der Partei ist eine Schwäche. Unsere Meinung ist, dass wir bisher eine Propagandaperiode durchgemacht haben und uns jetzt mehr direkt am Klassenkampf beteiligen müssen. Das bedeutet nicht eine Wendung, sondern einen weiteren Schritt auf unserem Wege.

In den prinzipiellen Fragen sind wir uns einig. Die Differenzen ergeben sich nur bei der Auswirkung dieser Probleme. Ein wichtigstes Problem ist, Kader zu schaffen, die über alle Fragen urteilen können.

In den internationalen Fragen muss die gesamte Organisation orientiert sein und Stellung nehmen können, Seit Langem schon sind wir bes. mit den Methoden des Gen. Shachtman nicht einverstanden. Er betrachtete alles als eine persönliche Frage, von Briefen zeigte er uns oft nur ein kleines Stück und verteidigte das damit, dass die Briefe „persönliche" seien. Deshalb war die League bisher immer in den Internationalen Fragen sehr langsam und deshalb war unser internationaler Kontakt zu schwach. Auch die Haltung den Gen. Glotzer ist ähnlich der des Gen. Shachtman. Er kam nach Amerika zurück, gab eine Deklaration ab, in der er sich scharf von den Ansichten des Gen. Shachtman abgrenzte. Jetzt hat er sich mit Gen. Shachtman vereinigt, um die Majorität zu bekommen und erklärt dabei, dass er damals nur mit den internationalen Ansichten des Gen. Shachtman nicht einverstanden gewesen sei.

Die interne Lage hat sich immer mehr verschärft. Gen. Carter veröffentlichte einige Artikel über Engels Ansichten. Diese Artikel sehen wir für falsch und gefährlich an, denn sie waren eine Verteidigung der sozialdemokratischen Ansichten. Diese Differenz gab den Anstoß zur weiteren Verschärfung der inneren Lage, waren allerdings nicht der Grund dafür. Die Cartergruppe ist eine selbständige Gruppierung, steht aber in Verbindung mit Gen. Sh.

Im letzten Plenum haben wir die Resolutionen einstimmig angenommen; auch die Resolution über die internationale Frage, die von der Minderheit erst als ganz falsch bekämpft wurde. Auch die Resolution über die Carter-Frage, die eine Resolution der Verurteilung der Ansichten und Methoden der Cartergruppe war, wurde einstimmig angenommen, – Nach dem Plenum aber hat sich der Kampf wiederum fortgesetzt und noch verschärft.

Das Nationalkomitee zählt 9 Mitglieder; davon bilden 5 die Mehrheit. 3 die Minderheit und 1 unterstützt im allgemeinen die Minderheit, (Spector). Das New Yorker Lokalkomitee hat 5 Mitglieder, dort aber ist die Minderheit in der Mehrheit. Auf dem Plenum wurde von uns der Vorschlag gemacht, dass das New Yorker Lokalkomitee entweder reorganisiert wird oder dass 1 oder 2 Vertreter der Mehrheit hinzu kooptiert werden. Damit war auch die Minderheit einverstanden und eine diesbezügliche Resolution wurde angenommen. Eine spätere Erklärung der Minderheit hat diese Frage aber wieder aufgerollt. Heute versucht man, die falsche Position, die man in den europäischen Fragen gehabt hat, abzuleugnen. Die Minderheit war dagegen, einen offiziellen Vertreter der League zur Vorkonferenz zu senden, wie sie auch gegen die Vorkonferenz überhaupt war.

Die Minderheit hat prinzipienlose Kampagnen in verschiedenen Branchen eingeleitet, in New York, Chicago, Boston, und auch Resolution gegen die Mehrheit annehmen lassen.

Die Differenzen bestehen nicht in prinzipiellen Fragen, sondern vor allem in der Frage: welche Konzeption hat man von einer kommunistischen Organisation, welche Methoden soll man anwenden? Die LO kann nicht immer ein literarischer Zirkel bleiben. Ich will nicht behaupten, dass die Minderheit letzteres will, in der Praxis aber läuft ihre Haltung darauf hinaus. Mehr Beteiligung am Klassenkampf oder mehr literarische Arbeit? Wir fordern von jedem Mitglied eine größere Verantwortlichkeit und größere Aufopferungsfähigkeit; wir sind gegen die persönlichen Kombinationen.

Auf dem Plenum wurde eine Resolution gegen Carter einstimmig angenommen und seine Tendenzen als scholastisch verurteilt.

Gen. Trotzki: Diese Gruppe ist nicht im Zentralkomitee vertreten?

Gen Swabeck: Nein, nur in der Jugendorganisation, Dort hat sie die Mehrheit, wurde aber nicht gewählt, sondern vom Nationalkomitee bestimmt.

Nach dem Plenum stimmte die ganze Cartergruppe nicht über die internationale Resolution ab. Sie forderte mehr Information. Wir glaubten, dass diese Stellung die Minderheit näher an uns bringen sollte. In New York haben wir die Wahl eines neuen Exekutivkom. Vorgeschlagen, weil Carter dort der dominierende Faktor ist. Wir haben der Minderheit eine Einheitsfront dagegen angeboten; sie hat aber abgelehnt und ist eine Kombination gegen uns eingegangen.

Trotzdem die Minderheit in der Frage der Kooptierung in New York auf dem Plenum mit uns einverstanden war und zusagte, keine Opposition dagegen zu machen, ging sie aber doch dann mit der Cartergruppe in dieser Frage gegen uns. Die Kooptierung war aber eine Lebensnotwendigkeit. Wir haben in New York die Notwendigkeit empfunden, die soziale Basis dieser Gruppe zu ändern, die nicht genügend proletarisch ist. Dieser Zustand kompliziert in einer fraktionellen Situation die Lage und verschärft sie. Wir schlugen vor, für sechs Monate nur Arbeiter aufzunehmen und die anderen als Sympathisierende zu betrachten, bis sich die soziale Basis dieser Gruppe geändert hat. Ferner muss jedes Mitglied zu einer aktiven Tätigkeit in einer Massenorganisation verpflichtet werden, und über diese Tätigkeit Bericht zu erstatten. Diese Resolution wurde von der Shachtman-Carter-Kombination scharf bekämpft, bes. in Ihrem ersten Punkt – und wurde schließlich von der NY-Lokalorganisation abgelehnt. Diese unsere Ansicht vertreten wir auch für die gesamte Organisation.

Anlässlich der Reise nach Kopenhagen und der einsetzenden stalinistischen Hetze machte die Minderheit den Vorschlag, eine Versammlung über dieses Thema einzuberufen, Shachtman und Eastman sollten sprechen. Wir hatten nichts gegen diese Versammlung, hielten es aber [für] ausgeschlossen, Eastman als Redner heranzuziehen. Wir haben uns in drei Versammlungen sehr scharf über diese Frage gestritten und mussten schließlich die Disziplinfrage stellen. Die Versammlung hat nicht stattgefunden.

Gen. Trotzki: Ging der Streit um die Versammlung oder um Eastman?

Gen. Swabeck: Um Eastman.

In Boston haben wir eine Gruppe von 7 Mann; 4 davon sind 1928 von der Partei zu uns gekommen. Die Genossen sind immer mit uns uneinig gewesen in der Gewerkschaftsfrage, von Anfang an bis heute. Sie vertreten eine Art Schwanzpolitik der stalinistischen 3. Periode gegenüber. Im Nationalkomitee sind wir in der Gewerkschaftsfrage im Großen und Ganzen einig. Wir haben immer mit den Bostoner Genossen gestritten, ihnen lange Briefe geschrieben usw. Sie haben es in einigen Fällen sogar abgelehnt, Beschlüsse durchzuführen. In den Fragen der Kooptierung, den internationalen Fragen und der Frage der Internationalen Delegierten bestand eine Verbindung zwischen der Bostongruppe und der Minderheit.

Seit ungefähr April oder Mai 1932 begann die Minderheit als organisierte Fraktion zu arbeiten, mit eigenem Zentrum, eigenen Finanzen usw. Damals haben wir dagegen keinerlei Maßnahmen ergriffen. Eine solche Fraktionsbildung bedeutet aber den ersten Schritt zur Spaltung. Wir haben erst vor einigen Monaten die Genossen zusammengerufen, die mit uns einverstanden sind, vorher nicht. Wir haben keine besonderen Einwände gegen eine Fraktion mit einem politischen Programm; in keiner politischen Frage aber gibt es Meinungsverschiedenheiten und in keiner Frage hat die Minderheit eine besondere Plattform aufgestellt. Das geben sie auch selbst zu. In diesen Sinne bleibt die Frage der Fraktion prinzipienlos uns sehr gefährlich für die League. Auf einer solchen Basis kann keine Disziplin entstehen und auch keine Autorität für die Leitung.

Die Stärke der League bestand in ihrer ersten Periode darin, dass es eine einige Führung gab. Seit April 1932 ist das anders geworden und das vermindert jetzt ernsthaft die Autorität der Leitung. Es gibt dafür schon genügend Beispiele.

Als Weisbord nach Amerika zurückkam, setzte er sich nicht mit uns in Verbindung und schrieb uns auch nicht. Er teilte uns nur mit, dass er eine öffentliche Versammlung veranstalte, wo er über die Frage seines Besuches bei Trotzki sprechen werde. Wir seien dazu eingeladen und wenn wir es wünschen, könne ein Vertreter von uns sprechen. Damit waren wir allerdings gar nicht einverstanden und lehnten das vollständig ab. – In der New Yorker Lokalorganisation gab es einige versöhnlerische Tendenzen gegenüber Weisbord. Wir beschlossen, nicht an der Versammlung teilzunehmen und unsere Gen. sollten ebenfalls nicht hingehen, mit Ausnahme von 1 oder 2 Berichterstattern. Einige Genossen der versöhnlichen Tendenz erklärten, sich nicht darum zu kümmern, es waren ungefähr 4 oder 5. Zur Versammlung sind schließlich doch nur 2 gegangen, einer, der von dem Beschluss nichts wusste, und einer, der offen erklärte, sich um den Beschluss gar nicht zu kümmern. Wir haben auch in diesem Falle keine Maßnahmen vorgeschlagen. Als aber dieser Fall vorgebracht und kritisiert wurde, bildeten Minderheit und Cartergruppe eine Kombination gegen das Nationalkomitee und nahmen auch eine Resolution gegen das Nationalkomitee an.

Gen. Trotzki: Die Minderheit stimmte in der Lokalorganisation gegen das Nationalkomitee?

Gen. Swabeck: Sie hat nicht dafür (für die Resolution) gestimmt, aber dafür gesprochen, besonders Shachtman, aber auch Abern und Glotzer. Bei der anschließenden Wahl wurde der Gen., der die Weisbordveranstaltung besucht hatte, trotzdem auf der Liste der Minderheit ins Lokalexekutivkomitee gewählt. Er ist erst 6 Monate in der League. Von den 11 Mitgliedern der lokalen Leitung in NY unterstützen 2 die Mehrheit und diese Leitung wurde gewählt auf der Basis einer Deklaration des Gen. Shachtman. Er möchte eine Lokalleitung haben, die gegen das Nationalkomitee ist. Dies ist ein anderes Beispiel der prinzipienlosen Kombination; wir hatten auch in diesem Falle der Minderheit ein Zusammengehen gegen die Cartergruppe vorgeschlagen,

Als ich abreiste, machte ich den Vorschlag, Gen. Cannon an meiner Stelle als Nationalsekretär zu bestimmen, Die Minderheit wandte sich sehr scharf dagegen.

Gen. Trotzki: Wen schlug die Minderheit vor?

Gen. Swabeck: 1. Sie stellte diesem Vorschlag die Finanzfrage entgegen.

2. Sie sagten, Gen. Cannon habe vorher nicht alle seine Aufgaben erledigt. (Vor 2½ Jahren hat er nicht für die Organisation gearbeitet. Er war in einer so schlechten wirtschaftlichen Lage, dass er eine Arbeit angenommen hatte.)

3. Sie schlugen ein Sekretariat aus 2 Genossen vor (Cannon und Abern), die freiwillig und nicht bezahlt arbeiten sollten.

Die Lohnfrage war nie eine ernste Frage, aber wir halten 2 Sekretäre für unmöglich, besonders von zwei verschiedenen Fraktionen, wie Cannon und Abern.

Die beiden Fraktionen unterscheiden sich in den Auffassungen der Konzeption, der Methoden, besondere jetzt, wo Maßnahmen zur verstärkten direkten Teilnahme am Klassenkampf ergriffen werden müssen. Die persönlichen Kombinationen der Minderheit sind sehr gefährlich, wenn hier keine Änderung eintritt, muss es eine Spaltung geben. Es gibt keinen anderen Weg. Wir haben die Minderheit gefragt, ob sie auch in Europa und auf der Vorkonferenz vertreten sein wolle. Sie verlangen, dass wir schnell die 3. Konferenz einberufen. Dagegen haben wir nichts. Wir möchten aber genügend Zeit haben, um alle Fragen genau zu diskutieren; wie können wir unsere neuen Schritte besser durchführen, wie ist die amerikanische Lage; wie die Weltlage, wie orientiert man sich richtig?

Gen. Trotzki: Wie setzt sich die Redaktion zusammen?

Gen. Swabeck: Aus 5 Genossen: Cannon, Shachtman, Abern, Spector, Swabeck.

Gen. Trotzki: Wo liegt die Entscheidung: beim Editor oder bei der Kommission?

Gen. Swabeck: Bei der Kommission; aber eine kollektive Arbeit mit Shachtman ist fast unmöglich; er lässt die Gen. lange warten, redigiert die Zeitung viel zu individuell.

Das Datum der 3. Konferenz ist bereits für Ende Juni – Anfang Juli festgesetzt.

Es ist möglich, dass bis dahin genügend Zeit ist. Wir müssen aber neue Thesen haben, denn die alten genügen nicht mehr. Fundamental müssen behandelt werden die drei Krisenjahre und der verschärfte Klassenkampf. Erforderlich ist in der Hauptsache genügend Zeit, damit sich die internationale Organisation ausführlich an der Diskussion beteiligen kann. Wir möchten die Hilfe der Internationalen Sektionen und ihren Rat, besonders in unserer gegenwärtigen Situation. Wenn die Minderheit ihre Methoden nicht ändert, bleibt nichts anderes als die Spaltung. Das Spielen mit prinzipielles Fragen kann nicht geduldet werden, besondere in einer so jungen Organisation wie die League.

Gen. Trotzki: Es ist nicht klar, worum sich die ganze Sache dreht. Ich habe nur feststellen können, dass die Mehrheit des ZK aus Genossen besteht, die sozusagen mehr amerikanisch sind, d.h. es sind ältere Genossen, die schon vor Entstehung der KP in revolutionären Organisationen waren, in der IWW, während die Führer der Minderheit jüngere Genossen sind, die nicht in den Gewerkschaften gearbeitet haben und nicht in den revolutionären Organisationen. Das andere ist, dass nach den Mitteilungen des Genossen Swabeck in den lokalen Organisationen die Arbeiter, besonders die mit Gewerkschaftserfahrung mehr mit der Mehrheit zusammengehen, während die Intellektuellem usw., die zur Organisation mehr oder weniger auf ideologischem Gebiet gekommen sind, mit der Minderheit gehen. Diese Einteilung ist nicht ganz exakt, stimmt aber im Großen und Ganzen. Es ist wichtig, inwieweit es den Tatsachen entspricht, denn es gibt gewisse soziale Stützpunkte und da die Organisation mehr propagandistisch tätig war, so kann man sich daraus erklären, warum diese Differenzen oder Divergenzen, die in der sozialen Zusammensetzung der Organisation fundiert sind, noch nicht zum Durchbruch gekommen sind. Alles drehte sich bisher um die für beide Gruppen richtigen propagandistischen Formeln und da aber die verschiedene Zusammensetzung der beiden Gruppen und die verschiedene Tradition – oder das Nichtvorhandensein der Tradition bei einer der Gruppen – noch keinen politischen Ausdruck finden, so suchen sie sich sozusagen Nebenwege in organisatorisch-persönlichen Fragen usw. Das ist das gefährlichste, Allein die Tatsache, dass die beiden Fraktionen verschiedene soziale Zusammensetzung haben und verschiedene Tradition, genügt nicht, um eine Spaltung notwendig zu machen, denn jede Partei entsteht aus verschiedenen Gruppen, Elementen usw. ist sozial nicht gleichartig und jede Partei ist ein Schmelztiegel, es muss aber eine aktive Tätigkeit vorhanden sein. In der League fällt die heutige Lage zusammen mit dem Beginn einer mehr energischen Tätigkeit nach außen. Ob die League dadurch zum Schmelztiegel wird, das ist die Frage, auf die es ankommt. Dies hängt bis zu einen gewissen Grade auch von den Möglichkeiten und Erfolgen ab; wenn Erfolge sich erweisen, wird das auch die besten Elemente zusammenschweißen. Bei Misserfolgen und schleichender Entwicklung kann das Missbehagen in einer Spaltung zum Ausdruck kommen.

Warum beteiligten sich so wenig Mitglieder an der Abstimmung über die Resolution des Plenums über die Frage der Kooptierung?

Gen Swabeck: Auf dem Plenum wurden alle Resolutionen einstimmig angenommen und deshalb entstand die Frage: „ihr habt alles einstimmig beschlossen, weshalb dann Kooptierungen?“ Wir haben diese aber vorgeschlagen, weil wir wussten wie ernst die Situation trotz der Einstimmigkeit noch ist. Wir mussten der Minderheit auf die Finger schauen und deshalb haben wir Garantien verlangt.

Gen. Trotzki: Wie steht Gen. Spector?

Gen. Swabeck: Die Frage des Gen. Spector ist von nebensächlicher Bedeutung. Wir hatten in Toronto eine Gruppe von anfangs 27 od. 25 Mitgliedern, die aber bis auf ungefähr 10 sank, Daran hat man dem Gen. Spector die Hauptschuld gegeben. Er trägt gewiss einen Teil der Schuld, denn er tat nicht alles, was er hatte tun müssen, Es ist dort zur Spaltung gekommen, weil die Gruppenmehrheit verlangte, dass er ein bestimmtes Arbeitsquantum leisten müsse. Spector verlangte, dass man seine Gruppe anerkennen müsse. In der Mehrheit der Torontogruppe befinden sich Elemente ähnlich der Cartergruppe. Wir haben eine Resolution angenommen, in der wir die politischen Tendenzen Spectors unterstützen, aber in der wir auch die Vereinigung der beiden Gruppen verlangen. Seit dem Plenum umfasst die Spectorgruppe 13 Mann, ferner stehen noch 6 Sympathisierende an der Seite. – Diese Frage spielt jedoch in unserem Konflikt keine Rolle.

Ob unsere Meinungsverschiedenheiten persönliche oder politische Fragen sind? Es sind bei solchen Auseinandersetzungen immer persönliche Fragen mit enthalten, besonders im Anfang, wenn die politischen Differenzen nicht klar hervortreten. Unsere Ansicht nach sind es politische Differenzen, obwohl sie nicht klar sind und keine scharfe Linie haben.

Gen. Trotzki: Eine Spaltung würde die League töten, und die Bewegung sehr kompromittieren. Man kann doch nicht den Arbeitern die Spaltung erklären durch die konfusen sozialen Unterschiede und andererseits durch deren Ausdruck in organisatorischen und persönlichen Formen. Wenn eine Organisation politisch erzogen ist und die Beteiligten Erfahrungen in Fraktionskämpfen haben, kann man doch die Reibungen bremsen bis man auf große politische Differenzen stößt, oft aber ist es so, dass die Auseinandersetzungen nur persönlich und nur organisatorisch erscheinen. Die Eigenart der Situation besteht darin, dass die Schärfe des Kampfes nicht dem Entwicklungsstadium der Fraktionsformierung entspricht. Die beiden kämpfenden Fraktionen befinden sich sozusagen als Fraktionen im Kinderalter, sie haben keine ausgeprägte Form. Andererseits sind sie aber als Fraktionen bereits organisiert und stellen die League mehr oder weniger vor die Spaltung. Und das kann sie töten. Wenn die Spaltung eintritt nach vorherigen scharfen politischen Kämpfen, kann sie selbstverständlich und natürlich sein; so aber, wie die Dinge in der League liegen, glaube ich, ist auch ein persönliches Verschulden vorhanden. Dass der Konflikt so frühzeitig mit solcher Schärfe entbrannt ist und dass man nicht versteht, zu mildern, das scheint mir auch ein negatives Symptom für die Leitung zu sein. Nehmen wir z.B. die Frage der Kooptierungen: Gen. Swabeck hat selbst anerkannt, dass dies für die Popularität der Leitung keine glückliche Maßnahme war. Ich frage mich, ob wirklich das Resultat diese Maßnahme rechtfertigt, denn die Ziffern sind sehr interessant. die Mitglieder und die Lokalorganisationen sehen, dass alle Resolutionen einstimmig angenommen sind und man schlägt ihnen Kooptierungen vor, um die „Mehrheit" zu festigen. Die Mitglieder fragen sich: „welcher Mehrheit? – Ihr habt doch nicht die Möglichkeit gefunden, euren Standpunkt so zu klären, um die Minderheit zu zwingen, Farbe zu bekennen.“ Durch den Kooptierungsvorschlag ist unter den Mitgliedern Unzufriedenheit entstanden, sie haben diese Maßnahme einerseits als undemokratisch empfunden und andererseits als fraktionskämpferisch, als sehr gefährlich für die Einheit der Organisation. Bei der negativen Abstimmungen waren also ganz gute Beweggründe maßgebend. Die Mitgliedschaft will nicht, dass man ihr künstlich eine Leitung aufzwingt und zweitens hat sie genügend Besorgnis um die Einheit der Organisation. Das Resultat war die Abstimmung gegen die Mehrheit und die Erschütterung der Stellung der Mehrheit, trotzdem sie ihre Stellung gerade festigen wollte, Es war eine unzweckmäßige Maßnahme und man hat dabei vielleicht zu viel organisatorische Unduldsamkeit zur Schau getragen. Wie die Dinge liegen, wäre es auf die Dauer vielleicht doch besser, keine Kooptierungen durchzuführen.

Auch die Frage mit dem Sekretariat ist mir nicht ganz klar. Selbstverständlich ist es ganz natürlich, dass man Cannon als Sekretär vorgeschlagen hat, aber vielleicht würde ich doch an Stelle Cannons sagen: „ich möchte doch, dass als 2. Sekretär der Vertreter der Minderheit mitarbeitet". Das wäre ein Versuch, gemeinsam die strittigen Fragen zu regeln und bei täglicher Zusammenarbeit würden vielleicht doch die Reibungen gemildert werden. Die persönlich-organisatorischen Streitigkeiten stehen in keinem Verhältnis zur Tiefe der prinzipiellen Differenzen. Es scheint mir doch, dass seitens der Mehrheit ein Moment organisatorischen „Ultimatismus" mitgespielt hat, man muss im Auge behalten, dass eine Spaltung in nächster Zeit für die Organisation einen fatalen Schlag bedeuten würde.

Die 3. Konferenz im Juni/Juli: Was kann sie bei der gegebenen Lage geben? Sie kann vielleicht gute Resolutionen annehmen, aber Im Bezug auf die Streitigkeiten der Gruppierungen kann man sagen: 110 dort und 100 hier oder umgekehrt. Es wird beim Alten bleiben. Die Mehrheit hat nur zu verlieren, denn sie kann nicht hoffen, dass sie 8 Vertreter erhält und die Minderheit 1. Bei einer solchen Lage spielt das persönliche Verhältnis eine sehr große Rolle. Natürlich, wenn man sich sagt, die Spaltung ist unvermeidlich, ich habe meine 51% und ich steure nun darauf los, die anderen herauszuwerfen, – dann kann man einen solchen Weg bis zum Ende gehen, aber man muss dafür politische Gründe haben. Die Internationale Organisation hat die Aufgabe, hier zu bremsen. Man muss die amerikanischen Genossen warnen; wir können uns keinesfalls den Luxus einer Spaltung in Amerika gestatten, auf keinen Fall. Hätte die LO mehr Geld, müsste man einige Genossen des IS nach Amerika delegieren. Man muss diese Perspektive sehr scharf aussprechen: was hoffen die Genossen von der neuen Konferenz und was können sie davon hoffen? 110 und 100. Wenn man darauf lossteuert, einige Prozent Mehrheit auf seiner Seite zu haben und alles zu ändern, dann wird man nur Mitglieder verlieren, denn es wird sich sogleich ein Moment herausbilden, das zur Seite gehen wird.

Dass die League einer Initiative fähig ist, das beweist das dreimal wöchentliche Erscheinen des Militant. Und in dieser Frage gab es keine Meinungsverschiedenheiten, die League marschiert hier zusammen.

Welche Meinungsverschiedenheiten gab es in der Weisbordfrage?

Gen Swabeck: Ich habe den Brief des Gen. Shachtman über die Weisbordfrage gelesen, wonach im Nationalkomitee Meinungen gewesen wären, die sich aussprechen, die League zu verlassen, wenn ihr Weisbord aufgezwungen werden würde. Eine solche Darstellung ist ganz unverantwortlich.

Wir stellen die Frage nicht, dass eine Spaltung kommen muss, sondern wir stellen die Frage, wie wir eine Spaltung vermeiden können. Aber die Genossen der Minderheit treiben es dazu, wir sind uns einig, dass wir die Genossen mit allen Mitteln halten müssen, aber wir halten es auch für notwendig, die Lage zu erklären, so wie sie ist.

Ein Wort zur Kooptierung. Es war zweifellos eine unglückliche Taktik, aber wir waren auch in einer unglücklichen Situation: es gab eine Lokalorganisation, in der die Minderheit die Mehrheit darstellte. Etwas haben wir tun müssen und der Vorschlag der Kooptierung wurde auf den Plenum einstimmig angenommen, die Minderheit erklärte dort, dagegen nicht opponieren zu wollen. Wir mussten annehmen, dass diese Frage keine Streitfrage werden würde, andernfalls hätten wir diesen Verschlag nicht gemacht.

Gen. Trotzki: Um die Kooptierung zu rechtfertigen, mussten Sie eine Resolution vorschlagen, die die Minderheit zwingt, dagegen zu stimmen. Das hätte dann der Organisation die Notmaßnahmen erklärt. Aber ein solcher Weg war vielleicht unmöglich, denn es waren keine so tiefgehenden Meinungsverschiedenheiten vorhanden, und gerade das machte die Kooptierung zu einer Maßnahme der Willkür.

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