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Leo Trotzki 19340111 Die SAP, die IKL und die Vierte Internationale

Leo Trotzki: Die SAP, die IKL und die Vierte Internationale

Ein Brief an eine Gruppe von SAP-Genossen

[Erschienen im Internationalen Bulletin der IKL, eigene Rückübersetzung nach Writings of Leon Trotsky (1933-34), New York ²1975, S. 201-208]

Liebe Genossen,

In Ihrem Brief vom 27. Dezember werfen Sie ein paar Fragen auf, sowohl besondere als auch allgemeine. Ich werde versuchen, sie so vollständig wie möglich zu beantworten.

Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der SAP ist Ihnen bekannt. Nach der Abspaltung von der Partei bekam der Oppositionsflügel der Sozialdemokratie die Möglichkeit zu einer fortschrittlichen Entwicklung. Eine Minderheit der Brandlerianer bekam die Möglichkeit, sich vorwärts zu bewegen, indem sie sich von ihrer Organisation abspalteten. Diese beiden Gruppen wurden zueinander gezogen durch ihre fortschrittlichen Seiten (ihren Bruch mit der alten Bürokratie) und durch ihre negativen Seiten (ihre theoretische Gestaltlosigkeit, Mangel einer klaren revolutionären Strategie und so weiter). Die Entwicklung der SAP wurde jedoch durch die Machtübernahme der Nazis mechanisch abgeschnitten. Aber daraus haben gewisse Führer der SAP völlig irrige Vorstellungen bezüglich der politischen Bedeutung ihrer eigenen Erfahrung und der Bedingungen für die Bildung einer revolutionären Partei im Allgemeinen gezogen.

Der Kampf der SAP gegen die Kommunistische Liga trägt keinen fortschrittlichen Charakter; er ist konservativ; er ist ein Kampf zur Bewahrung ihrer eigenen Formlosigkeit und des Vorrechts, politische Ideen nicht bis zu Ende zu denken. Wie es immer in solchen Fällen passiert, ist dieser Kampf im Bewusstsein der SAP gebrochen und erscheint ihnen als Kampf gegen unser „Sektierertum“. Eine revolutionäre Organisation, deren Kader die strategischen Lehren des letzten Jahrzehnts nicht in Fleisch und Blut übergegangen sind, kann unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht die nötige Widerstandskraft gegenüber den Zerfallstendenzen besitzen; und in jedem Fall wird sie sich als unfähig zur Führung wirklicher Massen erweisen.

Bei der Definition des Sektierertums greifen die Führer der SAP nicht zum marxistischen sondern zum gewerkschaftlichen Kriterium, das heißt zum Maß der nackten Zahlen, „den Massen“. Sie haben die Gesetze, die zum Übergang von einer prinzipiellen Qualität zu einer Massenquantität führen, nicht verstanden; sie haben nicht über die objektiven und subjektiven Vorbedingungen nachgedacht, die für einen solchen Übergang notwendig sind.

Genossen der SAP stellen die Frage oft auf diese Weise: Warum bleibt die Linke Opposition so isoliert, trotz richtiger Prinzipien, trotz marxistischer Analyse der Ereignisse und so weiter? Die Antwort ist klar: Weil ihr das Geschick fehlt, die eigenen Prinzipien zu verschweigen und sich anderen anzupassen. Solch ein Argument enthüllt völlig das antihistorische, antidialektische und primitive Denken der Kritiker selbst. Unsere großen Lehrer, Marx und Engels blieben von 1850 bis 1864 in einem Zustand von furchtbarer politischer Isolierung. Die russischen Revolutionäre mit Lenin an ihrer Spitze waren von 1907 bis 1912 grausam isoliert und noch im Juli 1914 nahm ihre Isolierung einen Charakter an, der fast hermetisch war. Unsere Kritiker, denen wenig zum Nachdenken gegeben ist, haben die folgenden Tatsachen von nicht geringer Bedeutung übersehen:

1. Die russische Linke Opposition, die die konsequentesten, dynamischsten Tendenzen des russischen Proletariats ausdrückte musste verhältnismäßig geschwächt werden, als die Bürokratie aus der Revolution herauswuchs und das Proletariat in den Hintergrund stieß.

2. Die Linke Opposition, die die Verbindung zwischen der Oktoberrevolution und der internationalen Revolution ausdrückte, musste verhältnismäßig geschwächt werden, wenn die Schwäche der internationalen Revolution zum Ausdruck kam

3. Der Linken Opposition wurde der erste grausame Schlag unmittelbar nach der Kapitulation der deutschen Kommunistischen Partei 1923 versetzt; die Niederlage des polnischen Proletariats und des englischen Generalstreiks 1926 schwächten, indem sie die Vorhut des Weltproletariats schwächten, die Linke Opposition als Vorhut der Vorhut; der Zusammenbruch der Chinesischen Revolution von 1927 schwenkte den Maßstab entscheidend zu Gunsten der Theorie und Praxis des „Sozialismus in einem Lande“; und schließlich, ohne auf eine ganze Reihe von dazwischen liegenden Ereignissen des gleichen Typs einzugehen, versetzte die deutsche Katastrophe von 1933 dem Weltproletariat die schwersten Schläge. Mit diesen unerhörten geschichtlichen Niederlagen als Hintergrund konnte die Opposition durch ihre theoretische Analyse zahlenmäßig kleine Kader erziehen, aber konnte keine Massen führen.

4. Der Niedergang und die Demoralisierung der Komintern musste in den Augen der Massen alle revolutionären Gruppierungen kompromittieren, besonders jene, die durch ihre Herkunft mit der Komintern verbunden waren.

5. Schließlich muss man die von der stalinistischen Bürokratie organisierte elfjährige Verleumdungskampagne auf der ganzen Welt hinzufügen. In der ganzen politischen Geschichte der Menschheit kann man kaum eine Verfolgung finden, die so reich an finanziellen Ressourcen und einem Apparat war, der so systematisch und hartnäckig, inhaltlich so vergiftet war und gleichzeitig als Deckmantel die Autorität des ersten Arbeiterstaats hatte.

Die Führer der SAP verschließen ihre Augen vor all diesen „Kleinigkeiten“. Und zusätzlich vergessen ist, zu zeigen, wo es neben unserer eine andere revolutionäre Gruppierung gibt, die ihre Fähigkeit zur Führung der Massen in dieser Periode gezeigt hätte. Wenn die eine oder andere Organisation, besonders die SAP, teilweise, rein empirische, der Natur der Dinge nach vorübergehende und außerdem äußerst instabile „Erfolge“ erzielte, verdankt sie das in einem hohen Grad der kritischen und politischen Arbeit der Linken Opposition.

Schließlich – und zur gegenwärtigen Zeit ist das von äußerster Wichtigkeit – gibt es zu Hunderten und Tausenden Tatsachen, die denen, die politische Symptome entziffern können, zeigen, dass die Linke Opposition den Blockadering schon durchbrochen hat. Die Linke Opposition dringt in verschiedene Zirkel der Arbeiterklasse ein und bereitet den Triumph des Marxismus auf einer neuen geschichtlichen Stufe vor. Zu der Anzahl solcher Symptome gehört das Verhalten der SAP selbst. Während sie mit der rechten Hand zusammen mit Tranmæl die mehrdeutige, diplomatische und auch schädliche Resolution unterschreibt, sah sie sich gezwungen, mit der linken Hand zusammen mit uns die Erklärung zugunsten der Vierten Internationale zu unterschreiben – das einzige fortschrittliche revolutionäre Dokument der letzten Periode. Offensichtlich konnte dieses Dokument nicht zu unmittelbaren Wundern führen; aber es wird einen Weg finden trotz der Schwankungen selbst jener, die zu seinen Unterzeichnern gehören.

Um eine Grundlage für ihr Recht auf ideologische Formlosigkeit zu haben, haben die Führer der SAP eine besondere Theorie erfunden, die man in dem Ausdruck zusammenfassen kann: „redet nicht über die Dinge, wie sie sind.“ Entgegen allem, was uns von Marx, Engels und Lenin gelehrt worden ist und in völligem Widerspruch zu dem, was uns unsere Erfahrung lehrt, stützt sich dieses Prinzip auf die unbewusste oder halbbewusste Verwirrung einer pädagogischen und einer agitatorischen Herangehensweise an eine besondere Gruppe in einem besonderen Fall mit der prinzipiellen Position einer Partei in ihrer Beziehung zum Proletariat, anderen Parteien und geschichtlichen Ereignissen.

Bei einer Versammlungen von Arbeitern, die monarchistisch oder katholisch sind, würde ich mit dem Altar und dem Thron vorsichtig umgehen. Aber im Programm meiner Partei und ihrer gesamten Politik muss ihr Verhältnis zur Religion und Monarchie mit völliger Genauigkeit formuliert sein. Auf einem Treffen von reformistischen Gewerkschaftern kann ich als Gewerkschaftsmitglied gezwungen sein, manches ungesagt zu lassen; aber die Partei als Ganzes, in ihren Zeitungen ihren öffentlichen Versammlungen und Erklärungen, ist verpflichtet, alles zu sagen.

Sollten Polizeibedingungen die legale Presse zwingen, in ihren Formulierungen vorsichtig zu sein, muss die Partei daneben eine illegale Presse haben. Wenn Marxisten fordern, dass „Dinge ausgesprochen werden, wie sie sind“, haben sie nicht jede einzelne Rede in einer besonderen Lage im Sinn, sondern die Politik der Partei als Ganzes. Die Partei, die aus „taktischen“ Gründen ihre Position versteckt, ist keine revolutionäre Partei, weil sie die fortgeschrittenen Arbeitern abstößt, weil sie sich an die Vorurteile der rückständigen Arbeitern anpasst. Und die rückständigen Arbeiter können nur durch die fortgeschrittenen Arbeitern umerzogen werden.

Aber sogar auf einer besonderen Versammlung muss man zwar allen notwendigen Takt nutzen, um an eine bestimmte Gruppe heranzukommen, aber man darf nicht vergessen, dass unter ihnen Arbeiter auf verschiedenem Niveau sind und dass es zwar notwendig sein kann, sich in der Darstellungsmethode an die rückständigen Arbeitern anzupassen, es aber unzulässig ist, seine politische Position ihnen anzupassen. Zum Beispiel kann es gegenwärtig keine einzige politische Massenversammlung geben, auf der revolutionäre Marxisten nicht verpflichtet sind, in der einen oder anderen Form die Idee der Vierten Internationale vorzubringen. Auch wenn diese Losung heute zahlenmäßig nur eine Handvoll zusammenbringt, ist sie trotzdem unermesslich wichtiger und fruchtbarer, als allgemeine Phrasen zu wiederholen oder Kritik zu präsentieren, die zwar richtig sein mag, aber nicht die klare und notwendige Schlussfolgerung zieht. In jedem Fall kann keine „taktische“ Überlegung Verbrüderung und Umarmung mit politischen Betrügern und Verrätern vor den Augen der Arbeitern entschuldigen.

Die wichtigsten strategischen Lehren des letzten Jahrzehnts wurden von uns in den Elf Punkten formuliert, mit denen Sie vertraut sind. Diese kurzen Thesen stützen sich auf die kollektive Arbeit der Internationalen Linksopposition. Bevor wir über „Sektierertum“ diskutieren, sollte man seine eigene Haltung gegenüber den in diesen Elf Punkten formulierten Grundproblemen bestimmen. Dies ist immer unsere Forderung an die Genossen der SAP gewesen und wir behalten diese Forderung gerade heute bei. Ohne eine genaue Kritik unserer prinzipiellen Position und der sich aus ihr ergebenden Methoden kann die Beschuldigung des „Sektierertums“ nur ein leerer Klang bleiben.

Hätten die Führer der SAP die Dokumente studiert, die tragische Erfahrung des Anglo-Russischen Komitees erwogen und diskutiert, die eine gewisse geschichtliche Bedeutung hatte, würden sie jetzt nicht das Experiment ihres eigenen „Deutsch-Norwegischen Komitees“ machen, eine blasse Kopie des pathetischen Originals. Es bedürfte nicht vieler Mühe, zu zeigen, dass alle zur Verteidigung des prinzipienlosen und hoffnungslosen Blocks mit Tranmæl vorgebrachten Argumente nur Wiederholungen, fast Wort für Wort, der von Stalin, Bucharin und Losowski zur Verteidigung ihres Blocks mit Purcell und Citrine verwendeten Argumente sind. Missachtung für Theorie, die nur die Verallgemeinerung der Praxis der Vergangenheit ist, nimmt auch in diesem gegebenen Beispiel grausame Rache.

Gelegentlich kann man den folgenden Vorwurf von unseren Verbündeten hören: die Linke Opposition analysiert die Lage ziemlich realistisch und sie bringt die richtigen Losungen; aber warum nimmt sie so eine unnachgiebige Haltung gegenüber den außerhalb der Zweiten und Dritten Internationale stehenden Organisationen ein? Warum verlangt sie von ihnen „100 Prozent“ Marxismus? Hinter dieser äußerst charakteristischen Herangehensweise ist eine ganze Welthaltung versteckt, in der man kaum 51 Prozent Marxismus finden kann.

Eine revolutionäre Organisation muss natürlich möglichst aufmerksam die objektive Lage studieren, um nicht ihre eigenen Sehnsüchte mit der Stimmung der Massen zu verwechseln. Aber die Partei wird diese objektiven Bedingungen nur nutzen und die Führung der Massen erringen können unter der Voraussetzung, dass sie Folgendes hat: ideologischen Zusammenhalt, Einmütigkeit im Kampf und unbesiegbare Disziplin. Das wichtigste geschichtliche Instrument in unserer Epoche ist die Partei des Proletariats. Dieses Instrument muss aus dem besten Stahl geschmiedet, gut gehärtet und scharf geschliffen werden. Nur wenn ein solches Werkzeug vorhanden ist, ist es möglich, das geschichtliche Rohmaterial erfolgreich zu bearbeiten.

Eine realistische Untersuchung der objektiven Bedingungen auf der einen Seite und eine unversöhnliche Strenge in der eigenen Beziehung zur eigenen Partei auf der anderen Seite – das sind zwei organisch unzertrennliche Seiten des Marxismus. Ohne eine wissenschaftliche Orientierung, ohne eine Berücksichtigung des Zustands der Massen, ohne die Beachtung äußerer Hindernisse kann man nur die Politik des Sektierertums und des Abenteurertums haben. Ohne einen tagtäglichen Kampf für prinzipielle Reinheit und Unnachgiebigkeit der Partei kann man nur kleinbürgerliches Sich-Abzappeln in den Wellen der Geschichte haben.

Sie sind sich zweifellos bewusst, dass ich zusammen mit meinen engsten deutschen Freunden für eine möglichst schnelle Verschmelzung mit der SAP stand, in der Hoffnung, dass die Erziehung einer vereinigten Organisation durch unsere gemeinsame Erfahrung in Verbindung mit wechselseitiger Kritik beschleunigt würde. Aber nach anfänglichem Schwanken lehnten die Führer der SAP die Verschmelzung ab. Der unmittelbare Grund wurde von der Frage der Beziehung zur Norwegischen Arbeiterpartei geliefert (oder dem Londoner Büro, was praktisch ein und dasselbe ist). Sie weigerten sich, sich mit uns zu verschmelzen, um die Möglichkeit der Fortsetzung ihrer unglücklichen Romanze mit Tranmæl zu haben.

Eine besondere Theorie wurde vorgebracht, um diese ordinäre Wirklichkeit zu verschönern: die Theorie des übermäßigen Einflusses einer einzigen „Persönlichkeit“, der Gefahr eines „persönlichen Regimes“ und so weiter. Aus dem Blickwinkel des Marxismus sind Individuen gefährlich oder nützlich je nachdem, welche Ideen und Methoden sie vertreten. Glücklicherweise, oder unglücklicherweise, hat niemand von uns irgendwelche anderen Mittel zur Verfügung als das Ausüben von ideologischem Einfluss; das heißt: wir haben weder Staatsmacht noch die Kontrolle über die mit ihr verbundenen Staatsfinanzen noch irgendwelchen bezahlten Agenturen. Unter diesen Bedingungen ist die vorgebliche Furcht vor einer „Person“ in Wirklichkeit Furcht vor gewissen bestimmten Ideen. Halbe Feindseligkeit in Beziehung auf die Prinzipien der Linksopposition geht Hand in Hand mit dem Drang, das eigene Recht auf Formlosigkeit zu bewahren, die anscheinend fähig ist, eine große Anziehungskraft auf die „Massen“ auszuüben.

Um ihr Hinneigen zu Tranmæl, Maurín und ihresgleichen – selbstverständlich, nur zu selbstverständlich! zum Wohle der „Massen“ – wurde eine Legende in Umlauf gebracht, dass wir es uns zum Ziel gesetzt hätten, die Führer der SAP zu „kompromittieren“ und ihnen ihre Anhänger abspenstig zu machen. Es ist offensichtlich, dass jeder ideologische und politische Kampf die Gefahr beinhaltet, die Autorität der Führer zu senken, die stur ihre Fehler fortsetzen und mit dem Anpassen ihrer Argumente an die Menschen ihre Neigung verdecken, neutral zu bleiben.

Genau deshalb drängte ich auf eine Verschmelzung, so dass die notwendige Diskussion auf ordentliche und friedliche Weise im Rahmen einer einzigen Organisation stattfinden könnte. Die Idee, irgend eine Art von künstlichen Maßnahmen zu verwenden, um die Führer der SAP zu „kompromittieren“ und zu „beseitigen“, ist so absurd, dass es kaum der Mühe wert ist, dabei zu verweilen. Wir sind uns nur zu wohl bewusst, wie knapp wir gegenwärtig mit qualifizierten revolutionären Arbeitern ausgestattet sind, und deshalb neigen wir am allerwenigsten dazu, ihre Zahl künstlich zu verringern. Und nebenbei, welche Motive könnte es dafür geben? Tatsächlich fühlen die Genossen die sich mit ihrer Haltung, den halben Weg zu gehen, nicht trennen wollen, dass die Kritik am Neutral-bleiben-Wollen, bösartige persönliche Kritik sei. So ist es immer der Fall gewesen.

In Freud und Leid war es nicht möglich, auf der gegebenen Stufe die Verschmelzung zu verwirklichen. Unsere deutsche Sektion muss natürlich ihre völlige organisatorische Freiheit behalten. Bedeutet das einen Bruch mit der SAP im Bereich der Vorbereitung der Vierten Internationale? Nein, das wäre falsch. Die Bildung der Vierten Internationale ist ein sehr komplexer Prozess und ich vertraue darauf, dass in diesem Prozess die Tätigkeit der Internationalen Kommunistischen Liga eine sehr herausragende Rolle spielen werden, aber dennoch nicht die einzige.

Ihr drückt die Sehnsucht aus, dass die Liga die Achse werden soll, um die herum alle jene revolutionären Elemente sich kristallisieren würden, die mit der Zweiten und Dritten Internationale gebrochen haben. Diese Formulierung ist richtig, aber, wie Ihr selbst bemerkt, nicht ganz vollständig. Auch die Jugend, die zu keiner Internationale gehört und das große Reservoir für die Zukunft darstellt, muss einbezogen werden. Aber auch die Zugehörigkeit von Gruppen, die sich von den alten Internationalen abspalten, darf man sich nicht so vorstellen, als würde sie ganz einer geraden Linie folgen. Zum Beispiel spaltete sich die Mitglieder der SAP von den beiden alten Internationalen ab, näherten sich uns dann, schwankten aber und hielten in einer gewissen Entfernung von uns.

Ergibt sich daraus, dass wir alle Versuche der gemeinsamen Arbeit mit ihnen zurückweisen müssen? Das wäre wirkliches Sektierertum im Geiste der Bordigisten, dass sie weiter an ihren eigenen Fingern saugen werden, bis die Geschichte Verstand annimmt und sie bittet, die Führung zu übernehmen. Die Ideen der Linksopposition propagieren, immer mehr neue Anhänger für die Reihen der Internationalen Kommunistischen Liga gewinnen, einzeln und in Gruppen, eine Agitation unter den Massen unter der Losung der Vierten Internationale durchführen, unsere eigenen Kader schulen, unsere theoretische Position vertiefen – so ist unsere grundlegende Arbeit in der unmittelbar bevorstehenden Periode. Aber diese Arbeit schließt Verschmelzungen, Übereinkünfte, Blocks mit Organisationen, die sich uns nähern und für die Schaffung einer neuen Internationale arbeiten wollen, nicht aus.

Es stimmt, in der letzten Periode haben die Führer der SAP eine immer größere Freundlichkeit nach rechts in Beziehung auf die Zentristen und sogar Reformisten an den Tag gelegt und eine wachsende Feindseligkeit in Beziehung auf uns. Sollte diese Entwicklung weiter in dieselbe Richtung gehen, würde sie natürlich den Bruch der SAP mit uns anzeigen und in Verbindung damit den unausweichlichen Zusammenbruch der SAP selbst, weil, wie oben gesagt wurde, nur eine prinzipielle und gehärtete Organisation, die unter internationaler Kontrolle steht, die Widerstandskraft gegen die Zerfallstendenzen unserer Epoche besitzen kann. Ich denke jedoch nicht, dass die Sache, was die SAP angeht, hoffnungslos ist. Wenn unsere Argumente nicht halfen oder nicht ausreichend halfen, dann wird die Rettungsaktion von den Taten der „Freunde“ von rechts kommen. Man braucht keine Zweifel zu haben, dass Tranmæl und Co. in der unmittelbaren Zukunft diesen Utopisten, die es für möglich halten, durch geschickte Manipulationen Feinde in Freunde zu verwandeln, ein paar objektive Lehren bieten werden.

Es wäre ein unrechtmäßiger Anspruch, um nicht von Abenteurertum zu reden, zu erklären, dass die neue Internationale heute schon errichtet wurde. Natürlich fordern Sie das nicht.

Wir errichten nur das Fundament und bereiten das Bauholz vor. Aber über diesem Bauholz entfalten wir gegenwärtig das Banner der Vierten Internationale, so dass alle wissen sollen, was für eine Art von Bauwerk da errichtet wird. Sollte der eine oder andere Teilnehmer an diesem Bau morgen zu dem Schluss gelangen, dass die Arbeit über seine Kräfte geht oder nicht seinen Wünschen entspricht, würde es uns leid tun, aber wir würden weiter die Wände errichten. Im Interesse der gemeinsamen Arbeit sind wir bereit, vernünftige Zugeständnisse in allen praktischen Fragen zu machen; aber wir machen das Schicksal der Vierten Internationale nicht vom guten Willen dieses oder jenes Verbündeten abhängig.

In diesem Moment arbeiten wir Dokumente aus, die sich mit den grundlegenden Fragen der proletarischen Strategie befassen, zuerst und vor allem dem Verhältnis zum Krieg. Wir werden jede Anstrengung unternehmen, um mit unseren Verbündeten in dieser Frage Einmütigkeit zu erreichen. Wenn wir es nicht schaffen, werden wir die Dokumente in unserem eigenen Namen herausgeben. Das Leben wartet nicht mehr. Um rechtzeitig marxistische Antworten auf Ereignisse zu geben, bedeutet die neue Internationale aufzubauen.

Welche Haltung sollten Sie unter den Bedingungen, unter denen Sie sich befinden, einnehmen? Ich denke, dass man mit prinzipieller Selbstbestimmung beginnen muss. Wie die Dinge heute stehen (nicht durch unsere Schuld), müssen Sie zwischen der Liga und der SAP wählen. Aus Ihrem Brief ist deutlich, dass Ihre Gruppe ihre Haltung in den Fragen der Norwegischen Arbeiterpartei, des Londoner Büros und so weiter nicht bestimmt hat. Diese und vergleichbare Fragen werden zusammen als Prüfsteine für die Bestimmung einer richtigen marxistischen Linie im Verlauf der nächsten paar Monate dienen. Es ist Ihre Pflicht, Ihre eigene Position zu bestimmen. Natürlich nicht innerhalb der nächsten 24 Stunden; die Dokumente müssen studiert, die notwendigen Daten gesammelt, die Fragen von heute müssen mit der Erfahrung des Anglo-Russischen Komitees und so weiter verglichen werden. Sollte sich all dies nicht als ausreichend erweisen, wird es notwendig sein, die endgültige Entscheidung zu vertagen, bis neue Ereignisse den Test gebracht haben. Persönlich habe ich nicht die leisesten Zweifel, dass die Ereignisse in dieser Frage wie in allen größeren Fragen für die Internationalen Kommunisten arbeiten werden. Unnötig zu sagen, dass ich Sie auch gerne mit dieser Gewissheit anstecken würde, um Sie zum Herüberkommen in unsere Reihen anzuziehen.

Mit Internationalen Kommunistischen Grüßen.

L. Trotzki

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