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Leo Trotzki 19341230 Erklärung an die Presse

Leo Trotzki: Erklärung an die Presse

[Nach Unser Wort, Halbmonatszeitung der IKD, 3. Jahrgang, Nummer 1 (53), Anfang Februar 1935, S. 1]

In der die Ermordung Kirows betreffenden Anklageschrift wird auch mein Name erwähnt; Dieser Umstand hat einigen Presseorganen den Vorwand gegeben, von meiner Verwicklung in den terroristischen Akt vom Smolny zu sprechen. Eine der Zeitungen, die zu nennen oder hier zu charakterisieren ich nicht für notwendig erachte, behauptet, dass meine Teilnahme an dieser Affaire «bewiesen» sei.

In Wirklichkeit ist in der Anklageschrift, selbst wenn man jedes Wort für bare Münze nimmt, lediglich gesagt, ein «gewisser Konsul» habe Nikolajew angeboten, einen Brief an Trotzki weiterzuleiten. Diese so außerordentlich wichtige Aussage wurde von Nikolajew erst 20 Tage nach seiner Verhaftung gemacht. Die Anklageschrift sagt nicht aus, wie Nikolajew auf das Angebot des unbekannten Konsuls geantwortet hat und ob der Brief überhaupt geschrieben und weitergeleitet wurde. Es ist wohl anzunehmen, dass die Anklage nichts verschwiegen hatte, wenngleich es nicht für den Standpunkt der Rechtsprechung, so doch für die Propaganda Greifbares geboten hatte. Was mich persönlich betrifft, so kann ich nur hinzufügen:

1) In meinem Bekanntenkreis befinden sich keine andern Konsuln als solche, die mir das Visum verweigert haben.

2) Wenn der mysteriöse Konsul in Leningrad meine Adresse kennt, so hat er jedenfalls vergessen, mir die seinige mitzuteilen.

Nach dem Gesagten ist es wohl kaum notwendig, allzu sehr zu betonen, dass ich während den fast 40 Jahren revolutionärer Arbeit als Marxist vom Standpunkt der Interessen der Arbeiterbewegung das Mittel des individuellen Terrors abgelehnt habe – selbst gegen den Zarismus und nicht nur gegen den Arbeiterstaat. Dutzende meiner Artikel, in den verschiedensten Sprachen veröffentlicht, sind der erbarmungslosen Kritik des individuellen Terrors gewidmet. Ich habe keinen Grund, diese Auffassung heute zu ändern.

Im Rahmen dieser kurzen Erklärung kann ich weder bei der Analyse der politischen Umstände verweilen, die zum Entstehen der terroristischen Gruppe Nikolajew geführt haben, noch bei der Beleuchtung der Ziele, in deren Interesse man meinen Namen in diese unsinnige und verbrecherische Tat hineinreißen will. Ich widme dieser Frage eine besondere Broschüre, die dieser Tage erscheinen wird.

L. TROTZKI

30. Dezember 1934.

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