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Leo Trotzki 19350607 Der 7. Weltkongress der KI

Leo Trotzki: Der 7. Weltkongress der KI

[Nach Unser Wort. Halbmonatsschrift der IKD, 3. Jahrgang 1935, Nr. 8, Anfang August 1936 (Nr. 60), S. 3]

[Der 7. Weltkongress ist inzwischen zusammengetreten. Der nachstehende Artikel verliert dennoch nichts von seiner Aktualität.

Red.]

Es scheint, dass der 7. Weltkongress doch zusammenkommen soll (so besagt jedenfalis eine Nackricht der russischen weißen Zeitung in Paris) nach einer Pause von just 7 Jahren. Man kann mit völliger Sicherheit behaupten: wäre nicht unsere Organisation da, wäre die Fahne der Vierten Internationale nicht aufgerollt, lägen nicht die letzten Erfolge unserer französischen Freunde vor, die 3. Internationale hätte weiterhin auf den 7 Kongress warten müssen. Wie der letzte französische Parteitag, so wird auch der 7. Komintern-Kongress sich hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich, um die Bolschewiki-Leninisten und die Vierte Internationale drehen.

Wir haben nach dem Hitlersieg den politischen Tod der Dritten Internationale festgestellt. Das Beispiel der 2. Internationale beweist aber, dass bei politischen Organisationen mit Massenbasis der Tod im Sinne der fortschrittlichen Entwicklung lange nicht gleichbedeutend ist mit dem Tod im Sinne der konservativen Selbsterhaltung. Trotz ihres schmählichen Bankrotts bewahrt die Dritte Internationale in der Sowjetbürokratie eine ungeheure Reserve und das allein kann ihr noch sehr große Möglichkeiten nicht nur für weiteres politisches Vegetieren sondern auch für das Anrichten ungeheuren politischen Schadens an dem Weltproletariat sichern. Die ganze Frage ist, ob die Sowjetbürokratie noch immer der 3. Internationale bedarf.

In dieser Hinsicht befindet sich die Sowjetbürokratie in einem schroffen Widerspruch. Ihre aktuelle Politik, insbesondere die internationale, die eine immer ausschlaggebendere Rolle gewinnt, macht für sie die Komintern eher zu einem Hindernis als zu einer Hilfe. Verschwände aber die Komintern, so würde ihr Platz sogleich durch die gegnerische Vierte Internationale eingenommen werden, und das würde für Stalin und seine Clique den vollständigen ideologischen Zusammenbruch bedeuten, das heißt den eklatanten Bankrott aller der Fälschungen und lügnerischen Konstruktionen, auf denen die Generallinie aufgebaut ist. Davor nicht zurückschrecken könnte Stalin nur in einem Falle, nämlich wenn er bereit wäre, als konsequenter Bonaparte aufzutreten, d. h. mit der Oktobertradition offen zu brechen und sich irgendeine Krone aufzusetzen. Wie weit auch die „ideologischen“ und politischen Voraussetzungen für den offenen bonapartistischen Staatsstreich gediehen seien, es hieße doch viel zu viel wagen, sich auf diesen Weg zu begeben: das Sowjetproletariat ist immerhin ein bestimmterer und standhafterer geschichtlicher Faktor als das französische Kleinbürgertum im Anfang des vorigen Jahrhunderts und demgemäß die bolschewistische Tradition viel schwerwiegender als die jakobinische von damals. Stalin muss an dem Schein des Bolschewismus festhalten und daher angesichts der Gefahr der Vierten Internationale den 7. Weltkongress zusammenrufen.

Die Hauptfrage wird natürlich der Krieg sein. Hier muss man auf einen taktischen Rückzug gefasst sein. Stalin hat sicherlich den höchst ungünstigen Widerhall seiner berüchtigten Erklärung nicht vorausgesehen. Die Führer der französischen Partei sind in einer fast panischen Stimmung nach Moskau gefahren. Von Leon Blum haben sie eine wichtige Lektion erhalten: Man soll sein patriotisches Pulver nicht jetzt schon vollständig verpuffen, sonst steht man am Anfang des Krieges moralisch und politisch entwaffnet da. Die Stalinisten haben schon im Parlament Kriegskredite verweigert. Begründung? Es gibt faschistische Offiziere. Die Armee des Imperialismus soll eine demokratische sein, d.h. den Prinzipien der „Volksfront“ entsprechen (erinnern wir uns daran, dass die Reden Noskes im Reichstag zum Hohenzollernschen Kriegsetat immer auf diesen Ton abgestimmt waren). Etwas in diesem Sinne wird auch der 7. Weltkongress beschließen. Der Sinn des Beschlusses wird ungefähr sein: Nicht heute schon den französischen, tschechoslowakischen usw. Imperialismus offen unterstützen, sondern die Arbeiter allmählich, mit größerer Vorsicht auf die Unterstützung des Imperialismus im Moment des Krieges vorzubereiten. Mit anderen Worten: die Niederwerfungsstrategie in Bezug auf die elementarsten Gebote des Marxismus wird für eine gewisse Zeit durch die Ermattungsstrategie abgelöst. Setzt aber Stalin seinen im Kommuniqué zum Ausdruck gebrachten Willen durch, so könnten wir ihm natürlich nur dankbar sein. Das wäre aber wirklich viel zu schön, für das Proletariat wie für uns.

Man kann sicher sein, dass kein einziger von den zum Kongress, abkommandierten „Führern“ den Mut aufbringen wird, über Sinowjews Schicksal eine Frage zu stellen. Von den sechs Kongressen, die die Geschichte der Komintern bis jetzt kennt, präsidierte Sinowjew auf fünf Kongressen. Jetzt sitzt er im Gefängnis, weil er angeblich den Kapitalismus durch terroristische Akte gegen die Sowjetbürokratie herstellen wollte. In diesem persönlichen Schicksal kommt die himmelschreiende Wendung der Sowjetbürokratie zum Ausdruck. Aber kann sich ein Cachin oder ein Pieck darum scheren? Solange er Posten und Gehalt hat, ist es ihm egal, ob Sinowjew den revolutionären Weltkongress präsidiert oder als Konterrevolutionär im Gefängnis sitzt. Wir aber müssen die Frage Sinowjews auf die Tagesordnung der Arbeiterklasse stellen, insbesondere im Zusammenhang mit dem 7. Weltkongress.

Wer wird diesmal die großen Reden halten und die großen Resolutionen verfassen? Etwa Bela Kun? Er ist der passendste Mann dazu, insbesondere, wenn man sich der berühmten Rede Lenins auf dem Plenum des EKKI am Vorabend des Dritten Weltkongresses erinnert: Die Rede war ja fast ausschließlich Bela Kun gewidmet und hatte zum Leitmotiv die knappe Formel von den „Dummheiten des Bela Kun“. Nicht zufällig ist die Komintern auf Bela Kun gekommen.

Der andere Kandidat ist Dimitrow. Seine jüngste, ganz unerwartete Karriere ist ausschließlich durch seine Haltung vor dem Nazigericht verursacht worden. Wir applaudierten ihm alle, insbesondere wenn wir seine Haltung mit der des Vorsitzenden der stalinistischen Parlamentsfraktion, Torgler, verglichen. Man soll aber die Dinge nicht übertreiben. Die russischen Revolutionäre, nicht nur die Bolschewiki, z. B. auch die sozialrevolutionären Terroristen, haben sich in ihrer Mehrheit vor den Zarenschergen immer würdig und mutig benommen. Das galt als Regel, nicht als Ausnahme. Man verachtete denjenigen, der sich als Hasenfuss erwies, man verehrte aber gar nicht denjenigen, der seinen Mann stellte. Es ist schon höchst charakteristisch für das moralische. Niveau der Kominternbürokratie, dass man Dimitrow wegen tapferer Haltung vor Gericht zu einem Halbgott erhob. Jedenfalls hatte Dimitrow nie Gelegenheit gefunden oder gesucht, sich als Marxist, als Bolschewik, im Gegensatz zu der stalinistischen Generallinie zu zeigen. Er machte die gesamte Schandpolitik der Epigonen mit, auf allen ihren Stufen und trägt die volle Verantwortung dafür.

Zu den Beschlüssen des Kongresses werden wir noch rechtzeitig Stellung nehmen. Diese Zeilen sind nur vorläufige Bemerkungen.

7. 6. 1935

L. TROTZKI

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