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Leo Trotzki 19350323 Die Lage im Stockholmer Jugendbüro

Leo Trotzki: Die Lage im Stockholmer Jugendbüro

[eigene Übersetzung nach Writings of Leon Trotsky (1934-35), New York 1971, S. 232-234]

An das Internationale Sekretariat

Kopien an Mitglieder des Plenum

Kopie an Genossen Held


Liebe Genossen:

Die Lage mit dem Jugendbüro von Stockholm ist völlig unerträglich geworden. Das Büro verwandelte sich in eine Privatangelegenheit der SAP. Auf der Konferenz der IAG griff der offizielle Vertreter des Stockholmer Büros [Willy Brandt] die Genossen Sneevliet und Schmidt an, die die Vierte Internationale verteidigten. Und diese Losung, das darf nicht vergessen werden, liegt der Jugendorganisation zugrunde, zu der wir unsere Zugehörigkeit erklärt haben. Die Leute der SAP setzen ihr übliches Spiel fort. Sie unterschreiben ein paar Dokumente für die Vierte Internationale; dann bekämpfen sie die Politik, die sich daraus ergibt. In Wirklichkeit sind wir die einzigen Feinde, die die SAP bekämpft. Wir nehmen es nicht tragisch, so lange die SAP in ihrem eigenen Namen handelt. Aber wie können wir es dulden, wenn ein Vertreter des Jugendbüros es sich gestattet, die qualifizierten Vertreter des Programms der Vierten Internationale anzugreifen? Kann es geduldet werden, dass die SAP, die weder ideologisch noch politisch eine große Sache darstellt, auf unseren Rücken klettern soll, um uns leichter anzugreifen?

Die führende Stellung der SAP im Stockholmer Jugendbüro wird durch den Umstand erklärt, dass seit der Jugendkonferenz de Kadt aus der Verhaftung des Genossen Schmidt Vorteil zog und sich die Vertretung der OSP unter den Nagel riss, die SAP gegen uns unterstützte und ihr eine führende Stellung verschaffte. Und umgekehrt hat der junge Mann der SAP das Mandat von de Kadt verwendet, um Schmidt anzugreifen, weil Schmidt sein Programm nicht verraten wollte.

Es gibt noch die schwedische [sozialistische] Jugend. Leider kennen wir sie sehr wenig. Aber was wir von den führenden Strömungen der Partei wissen, erfüllt uns mit keinerlei Vertrauen. Ich erinnere, dass die Führer der schwedischen Jugend nicht wollten, dass Held in Stockholm wohnt, obwohl er ein Mitglied des Büros war, damit er nicht in ihre Organisation eindringen könne. So haben schon vor dem Beginn der Zusammenarbeit die Führer der schwedischen Jugend ihre grimmige Feindschaft gegen unsere Tendenz und gegen unsere Ideen gezeigt. Die SAP stützt sich auf diese Feindschaft. Das ist natürlich. Aber wie können wir diese völlig verrottete Kombination decken und sogar unterstützen? Genosse Held ist auch in Oslo, und der junge Mann der SAP kommt zur Pariser Konferenz, um uns anzugreifen. Ich frage mich, was macht die SAP und besonders ihr junger Vertreter? Sie behaupten, 5000 Mitglieder in Deutschland zu haben. Das kann nicht kontrolliert werden. Wir haben nur mit der Emigrantenclique Kontakt, die opportunistische Manövrierer und keine Marxisten sind. In verschiedenen Ländern hängen sie an bürokratischen Cliquen und an Individuen vom Typ von de Kadt, um das Programm der Vierten Internationale zu bekämpfen.

Ich möchte keinen Vergleich der ideologischen Kräfte machen. Als eine Tendenz haben wir eine Tradition, eine Lehre, Literatur und Programm. Die SAP hat nichts. Nehmen wir die quantitative Seite. Die vereinigte niederländische Partei hat ihre 5.000 Mitglieder, was sehr gut nachkontrolliert werden kann. So weit ich weiß, ist die Mehrheit ihrer Mitglieder Jugendliche.

Unsere französische Sektion hat eine große Arbeit unter der Jugend entwickelt. Ihr genauer Einfluss kann bei der genauen Zahl auf der letzten Konferenz der „Entente der Seine“ gesehen werden (auf dieser Konferenz bekämpften uns die SAP-Leute, wobei sie ein Dreizehntel der Mitglieder bekamen).

Unsere belgische Jugend hat schon wichtige Arbeit in der JGS entwickelt. Die Jugendorganisation der WPUS stellt eine beachtliche Kraft dar und entwickelt sich erfolgreich. Ich überspringe unsere Jugend in Lateinamerika, China, Schweden, Spanien etc. Ich zitiere nur die Tatsachen, die nachgeprüft werden können.

Und die UdSSR? Wenn man nur die Ausschlüsse der „Trotzkisten“ in den letzten paar Monaten berücksichtigt, haben wir das Recht zu versichern, das unsere zahlreichen Kräfte dort, von den ideologischen und politischen Traditionen ganz zu schweigen, um ein vielfaches wichtiger sind als die Kräfte der SAP und der schwedischen Jugend zusammen.

Welches Interesse haben wir dann, die gegen die Vierte Internationale und besonders gegen uns als Strömung gerichtete Arbeit der SAP durch unsrre Autorität zu decken? Ich habe unserer Jugend Vorwürfe gemacht, dass sie gegenüber der Jugendkonferenz zu nachgiebig und gleichgültig war. Ich muss feststellen, dass die Trägheit immer noch weitergeht. Sie haben ein Unterbüro in Paris geschaffen, wo unsere Jugend, die etwas Ernsthaftes darstellt, auf gleicher Basis mit B. Goldenberg vertreten ist, der außer menschewistischer Verwirrung nichts darstellt. Sie bringen es sogar fertig, zusammen mit Goldenberg eine Broschüre über die Zweite und Dritte Internationale herauszubringen. Die Leichtfertigkeit überschreitet hier jedes Maß. Wir haben schon ein gemeinsames Dokument mit der SAP unterschrieben, die es dann verriet und angriff. Wie können wir in einem gemeinsamen Dokument die Zweite und Dritte Internationale kritisieren, wenn wir nicht über die Notwendigkeit einer Vierten übereinstimmen? Durch solches Vorgehen macht man Fragen von geschichtlicher Bedeutung lächerlich. Unsere Jugend braucht Härtung, braucht unserer Epoche angemessene Militanz. Woher werden sie diese Härtung kriegen, wenn sie sich durch die Manövrierer einer unbedeutenden Clique terrorisieren lassen. Dieses Verhalten wird damit enden, uns international zu kompromittieren und die Kader unserer eigenen Jugend zu zersetzen.

Das nachdrückliche Eingreifen des Internationalen Sekretariats scheint völlig dringlich zu sein. Hier sind die ersten Maßnahmen, die völlig unverzichtbar zu sein scheinen:

1. Alle unsere Jugendsektionen müssen sich selbst klar und schonungslos bezüglich der Haltung des Vertreters des Stockholmer Büros auf der Pariser Konferenz aussprechen; es ist notwendig, ihn offiziell zu verurteilen und sich förmlich von ihm loszusagen. Die Lossagungen müssen in allen unseren Organen veröffentlicht werden

2. Das Stockholmer Büro muss umorganisiert werden. Das Minimalprogramm der Organisation erfordert, dass das Büro durch einen Vertreter der niederländischen Partei und einen Vertreter der französischen Sektion vervollständigt wird. Das Fünferbüro muss seinen Sitz festlegen und sein Sekretariat benennen.

3. Das Unterbüro in Paris muss sofort aufgelöst werden. Wenn die SAP oder die Schweden nicht einverstanden sind, um so schlimmer für sie. Wir werden unsere Aufgabe ohne erhabene Leitung finden.

Angesichts der ruchlosen Arbeit, die die SAP jetzt in Frankreich durchführt, wäre es absolut kriminell, diese Angelegenheit in die Länge zu ziehen und die Doppeldeutigkeit fortzusetzen. Ich bitte mit größten Nachdruck, dass Sie diese Frage so bald wie möglich aufgreifen.

Crux

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