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Leo Trotzki 19351003 Ein gefährliches Symptom in unseren Reihen

Leo Trotzki: Ein gefährliches Symptom in unseren Reihen

[Eigene Übersetzung nach The Crisis of the French Section (1935-36), New York 1977, S. 55-58, hier S. 55, 57f.]

An das Internationale Sekretariat

Liebe Genossen:

Von verschiedenen Seiten kommt die Nachricht, dass es SAPistische Tendenzen bezüglich der Volksfrontpolitik auch in unseren Reihen gibt, zumindest bei ein paar Individuen und kleinen Gruppen von Genossen. Diese Tatsache scheint mir von entscheidender Wichtigkeit. Doppeldeutigkeit oder Ausweichen in dieser Frage zuzulassen, würde bedeuten, uns selbst der äußersten politischen Demoralisierung auszusetzen.

Wenn sich manche Genossen über den „scharfen Ton“ unserer Kritik an der SAP beschweren, können zumindest die älteren Genossen nicht anders als an die Geschichte der Diskussion zwischen den Marxisten und Revisionisten erinnern. Marxisten wurden immer beschuldigt, den falschen Ton zu verwenden. Nicht so sehr von den Revisionisten selbst, als von den schwankenden Elementen, die die Diskussion verschwommen machen, um die scharfen Ecken stumpfer zu machen und zu vermeiden, die Probleme präzise zu stellen. Man braucht nicht erst zu sagen, dass manchmal der Ton eines Artikels zu unverblümt sein kann und jede hat das Recht und die Pflicht, Verfasser und Herausgeber darauf aufmerksam zu machen. Aber die Elemente, die immer und fast ausschließlich über den Ton sprechen, zeigen, dass es der Inhalt ist, der sie tatsächlich aufregt, egal ob sie das merken können und wollen. Eine Diskussion über den Ton und den zulässigen Grad von Schärfte ist darüber hinaus ziemlich steril. Sie wird viel fruchtbarer, wenn es den politischen Boden betritt, wohin die Probleme von Volksfront und Sozialpatriotismus tatsächlich in erster Linie gehören.

(…)

6. Wir können jetzt wirklich erleichtert aufatmen, dass die SAP endlich aufgehört hat, unsere Analysen und unsere Losungen in etwas verwässerter Form zu wiederholen und versucht, ihre eigenen politischen Farben zu zeigen. Um die Fragen des Krieges, des Siebten Weltkongresses [der Komintern] und der Volksfront (Spartacus) haben sie jetzt ihr Gesicht gezeigt. Sollen naive Seelen glauben, dass unser „Sektierertum“ und unsere „allzu strenge Kritik“ sie von der Vierten Internationale weg gedrängt haben. Ihr lügt, meine Herren, werden wir antworten: Ihr seid gewöhnliche Pazifisten (für Entwaffnung), ihr seid zweitklassige Brandlerianer (Eure Haltung gegenüber dem Siebten Weltkongress); ihr seid Menschewiki (Eure Position gegenüber der politischen Verbrüderung mit der Bourgeoisie – „Volksfront“). Wenn alle guten Genossen in unseren Reihen die Tiefe unserer Unterschiede verstehen, dann werden sie auch verstehen müssen, dass der Ton der Polemik der Schärfe unserer Unterschiede entsprechen muss. Sonst würden die Arbeiter glauben, dass es um zweitrangige Unterschiede innerhalb der selben Familie geht. Der Marxismus benimmt sich hier auf unversöhnliche Weise gegenüber dem nach rechts neigenden Zentrismus. Da bedeutet einen Kampf bis zum Ende, ohne Überlegungen bezüglich des Feingefühls.

(…)

Crux [Trotzki]


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