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Leo Trotzki 19350730 Tagebucheintrag

Leo Trotzki: Tagebucheintrag

[Nach Tagebuch in Exil. Köln-Berlin 1958, S. 196-198]

30. Juli

In den letzten vierzehn Tagen sind viele kleine Ereignisse zu verzeichnen. Der Parteichef Tranmael und der Justizminister Lie kamen, um uns kennenzulernen. Es ergab sich, dass wir uns (auf Drängen Dritter) gemeinsam photographieren ließen. Ich dachte mit Besorgnis an die gemeinsame Aufnahme. Doch glücklicherweise –, kam die Aufnahme auch dem Minister nicht gelegen. Nach etwa zwei oder drei Tagen wurden wir benachrichtigt, dass die Aufnahmen »nicht gelungen wären«, N. und ich waren mit der Findigkeit unserer hohen Gäste sehr zufrieden. Das Gespräch gestaltete sich einseitig: ein Redakteur des Zentralorgans der Partei interviewte mich in Anwesenheit Tranmæls (Chefredakteur) und des Justizministers. Wir verbrachten die Zeit auf eine nette Art. Lie versicherte, dass die Sowjetregierung keinerlei Druck ausübe, um meine Niederlassung in Norwegen zu behindern. Offensichtlich haben sie bis zum Tage unserer Ankunft in Oslo nichts gewusst. Ebenso möglich ist aber auch, dass sie Norwegen im Vergleich zu Frankreich als das »kleinere Übel« betrachten. Im Arbeiderbladet wurde ein in sehr freundschaftlichem Ton abgefasster Artikel veröffentlicht.

Vor einigen Tagen drang ein faschistischer Reporter (vom Wochenblatt ABC) in den Hof unseres Hauses ein und photographierte N. und mich in unseren Liegestühlen. Als N. sich ihm zuwandte, suchte er das Weite. Es war noch gut, dass er nur eine Kamera in den Händen hatte. Jan holte ihn im Dorf ein, wo er gerade dabei war, sich telefonisch ein Taxi zu bestellen. Der arme Faschist zitterte am ganzen Leibe vor Furcht, schwor, dass er nicht photographiert hätte usw. Jedoch die Aufnahme erschien im ABC zusammen mit einem grimmigen Artikel: ob die Polizei wohl die zerstörerische Tätigkeit Trotzkis im Auge behalte? Die Aufnahme rechtfertigt diese Tonart nicht: wir ruhen friedlich in unseren Liegestühlen… Vorgestern kamen zwei Arbeiter aus Oslo gefahren, zwei Brüder, sie sind eher Kleinunternehmer, Baumeister. Sie hatten in Amerika gelebt, sprechen Englisch, sind nicht mehr jung, sympathisieren mit der Komintern und nehmen an der Gesellschaft der »Freunde der UdSSR« teil. Es ergab sich eine langwierige und recht ungereimte Diskussion (infolge der Sprachschwierigkeiten). Doch der Typus des norwegischen »Stalinisten« trat für mich ganz deutlich in Erscheinung.

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