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Leo Trotzki 19361009 Brief an Franz Pfemfert

Leo Trotzki: Brief an Franz Pfemfert

[Nach der maschinenschriftlichen Abschrift, Lev Davidovič Trockij / International Left Opposition Archives, inventory number 319, International Institute of Social History, Amsterdam.]

9. Oktober 1936

Lieber Genosse Pfemfert,

Besten Dank für die zugeschickten Zeitungsausschnitte. Um jedes Missverständnis zu beseitigen will Ich Sie und die anderen Freunde darauf aufmerksam machen, dass Herr Puntervold nur mein Advokat ist, politisch steht er mir ganz ferne, daher beschränken sich unsere Beziehungen nur auf den Prozess. Über allgemeine politische Dinge schreiben Sie über das Passkontor.

Der Heinrich Mann beruft sich, wie ich sehe, auf seine „Phantasie" zur Rechtfertigung seiner Liebedienerei. Von welcher „Phantasie" ist eigentlich die Rede? Von der, die die Möglichkeit eröffnet große Ereignisse aktiv vorauszusehen? Oder von derjenigen die es erlaubt an das schon Geschehene und Verknöcherte sich bequem anzupassen? Das letztere vermögen sehr gut auch die französischen Akademiker, die vermittels ihrer senilen „Phantasie" außerordentliche Tugenden sogar beim Prinzen von Monaco entdecken. Marx, Engels, Lenin wussten die Byzantinier und Sykophanten, auch dir sehr „linken“, prachtvoll zu verachten, die sich auf ihre poetischen oder sonstigen Adels-Vorrechte berufen um sich in einer schwierigen Stunde unter den Tisch zu verstecken. In Marxens Briefen kann man [ein] paar sarkastische Zeilen sogar über einen Freiligrath finden mit seinem „Der Dichter steht auf einer höheren Warte" …

Ich glaube, dass ich einen Prozess in der Tschechoslowakei führen werde, wenn wir darüber mit Dr B. Bill zu vollem Einverständnis kommen. Ich habe ihm schon die Vollmacht geschickt. Eine Zusammenkunft wäre notwendig. Ist sie jedoch möglich?

Die besten Grüße von uns Beiden an A. I. [Ramm-Pfemfert]

und an Sie.

Ihr L. T.

Selbstverständlich können Sie von diesem Briefe oder von einem Teile dessen denjenigen Gebrauch machen den Sie für gut befinden.

L.

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