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Leo Trotzki 19361023 Brief an Leo Sedow

Leo Trotzki: Brief an Leo Sedow

[Nach der maschinenschriftlichen Abschrift, Lev Davidovič Trockij / International Left Opposition Archives, inventory number 325, International Institute of Social History, Amsterdam.]

Copie

23. X. 1936

Lieber Ljowa,

Ich habe Briefe Olbergs gefunden: 12 an mich, 12 an Dich. Die Briefe an Dich sind meistens kleine Zettel. Sie beginnen im März 1930 und enden im Januar 1931. Sie beziehen sich auf die Zusendung von Postkarten mit Nachrichten an die Verbannten in der SU; auf Aussuchen von Zitaten u. Büchern für mich; ein wenig auf deutsche politische Dinge (Wahlen, Kompartei, Opposition). Die Briefe an mich haben mehr theoretisch politischen Charakter, beziehen sich meist auf Deutschland. - Aus diesen Briefen sieht man, dass Olberg – wie mehrere junge Leute – mir für meine Arbeiten gewisse Dienste aus Berlin leistete. Sein „Vorzug" bestand darin, dass er die russische Sprache beherrschte. Das erklärt auch warum er dann in Berührung mit Dir trat. Er wusste jedenfalls zwei Dinge: Dass Deine Frau nach Kopenhagen gegangen war, dass Du in Berlin verblieben warst . Dieses Zeugnis ist von größter Bedeutung!

Ich hatte diese alte Korrespondenz vollständig vergessen (solcher Olbergs gab es in den letzten 8 Jahren Dutzende!). Ich vermute, dass auch Du Dich der Sache nicht genügend gut erinnerst. Auf Olberg selbst machte der Briefwechsel natürlich einen größeren „Eindruck", Insbesondere wenn er schon damals eine doppelte Rolle spielte. Auch wenn dies noch nicht der Fall war, musste er sich sehr über alles interessieren, was mich und Dich anging. Mein Eintreffen naoh Kopenhagen war ein „Ereignis". Da er in Berlin in gewisser Verbindung mit Dir stand, konnte, ja musste er wissen, dass Du nach Kopenhagen nicht fahren konntest. Das erklärt vollständig seine Haltung auf dem Prozess. Er musste eine Direktive von mir bekommen haben. Durch wessen Vermittlung? Dich konnte er nicht nenne; für ihn wäre es zu unvorsichtig, denn er wusste ja wie die Dinge lagen (Im Unterschied von Golzman, Berman und David, die einfach ins Blaue hinein logen). Daher nannte er Deine Frau. Er hatte dabei Pech; sie heißt nicht Suzanne und sie ging nicht direkt aus Kopenhagen noch Berlin. Aber diese kleinen Schönheitsfehler seines Zeugnisses, die nebenbei beweisen, dass es keine „Direktive" gab, vermindert den Wert desselben Zeugnisses in Bezug auf die entscheidende Frage: gingst Du nach Kopenhagen; ja oder nein; keinesfalls. Im Gegenteil. Sie verleihen dem Zeugnis die – jedenfalls ungewollte, aber desto mehr überzeugende Note der Wahrhaftigkeit. Daher messe ich dieser Frage die größte Bedeutung bei. Im russ. Bul. ist diese Seite der Sache nicht hervorgehoben und das muss später so oder anders nachgeholt werden.

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Der künftige Prozess in Moskau wird zur Aufgabe (nicht zur einzigen) haben, die Locher der letzten Prozesse zu stopfen. Herr X wird sagen: Wir standen mit Golzman im Hotel Bristol in Berlin und da musste er es mit Kopenhagen verwechselt haben … Herr Y wird sagen: Senin war der Vermittler bei der Zusammenkunft Trotzkis mit Berman, mit Hilfe von Böggild (der tot ist). Herr Z wird sagen: Trotzkis „Brief" an Dreizer war mit einer Tinte geschrieben, die nach Wunsch zum Vorschein kommt und dann wiederum verschwindet, etc. etc. - Daher ist es sehr wichtig, den Fälschern keine Zeit für neue Fälschungen zu lassen, sondern die Untersuchung im schnellsten Tempo durchzuführen.

Dieser Brief ist gleichzeitig für die Herrn Advokaten: Puntervold, Rosenthal, Bill und Adler bestimmt.

Beste Grüße,

Dein Alter

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