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Leo Trotzki 19360905 Brief an Leo Sedow

Leo Trotzki: Brief an Leo Sedow

[Nach der maschinenschriftlichen Abschrift, Lev Davidovič Trockij / International Left Opposition Archives, inventory number 307, International Institute of Social History, Amsterdam.]

An Leon Sedoff – Paris 5. September 1936

Lieber Ljowa,

1. Ich schreibe Dir deutsch um die Kontrolle zu erleichtern. Bitte Deutsch zu antworten. Adresse: Leo Trotzky Zentralpasskontor Oslo, immer rekommandiert. Das Erhalten dieses Briefes bitte durch ein Telegramm „erhalten" zu bestätigen,

2. Du weißt wohl aus den Zeitungen, dass ich hier durch Vermittlung des Advokaten Michael Puntervold einen Prozess gegen die hiesigen Agenten u. die Nazis anfange. Da Moskau sich hütet meine (wie auch Deine) Auslieferung zu fordern, gibt es keinen anderen Weg, um das Verbrechen ans Licht zu bringen. Ist ein paraleller Prozess in Frankreich möglich? Das bezweifle ich. Viel besser wäre es, wenn Du als Zeuge in meinem Prozess erscheinst. Bei der gegebenen internationalen Lage kann man seitens eines norwegischen Gerichtes viel mehr Objektivität erwarten als seitens eines französischen. Ein Prozess in Oslo würde auch Deine Sache aufklären. Daher erscheint es mir vernünftiger alle Anstrengungen hier zu konzentrieren. Du kannst darüber einen französischen Advokaten zu Rate ziehen und mir Bescheid sagen.

3. Jedenfalls muss man jetzt alle Materialien für Puntervold sorgfältig vorbereiten: Dokumente, Zeitungsausschnitte, Hypothesen für die „dunklen" Stellen des Amalgams. etc. Alles in Original und in deutscher Sprache!

Auch alle Zeugen ausfindig machen. Im Einvernehmen mit mir wird dann Herr Puntervold die norwegische Übersetzung der wichtigsten Dokumente besorgen.

4. Die Verurteilten wurden und werden als „Trotzkisten" hingestellt. Es ist notwendig auf Grund der Tatsachen zu beweisen, dass sie alle – von den Lockspitzeln gar nicht zu reden – seit 1929 mit dem Trotzkismus nichts zu tun hatten (ihre Erklärungen im 1929 gegen die Opposition, ihr Kampf gegen uns, unsere schonungslose Kritik der Kapitulanten im Bulletin – chronologisch darstellen mit kurzen Zitaten!)

5. Sehr wichtig ist die Geschichte mit dem lettischen Konsul im ersten Gerichtsverfahren (Jan. 1935). An der Hand von Prawda, Iswestija etc. muss man jetzt diese Geschichte von Anfang bis zu Ende wiederherstellen (zuerst des anonymen Konsuls als Organisator des Mordes an Kirow und „Vermittler" zwischen den Terroristen und mir; Protest aller Konsuln in Sow. Un.; die Preisgabe des lettischen Konsuls Skynen (?); sein völliges Verschwinden aus dem zweiten Prozess etc. – alles chronologisch, exakt, mit kurzen Auszügen und Belegen.

6. Gleichzeitig ist zu beweisen. dass die Stalinagenten (in Norwegen sicher ebenso wie in Frankreich) im Januar 1935 mich ausschließlich auf Grund der Tätigkeit dieses Konsuls anklagten, jetzt aber diesen Konsul mit keinen Wort erwähnen! Die erste Konstruktion ist durch eine andere ganz verschiedene ersetzt!

7. Die „Geständnisse" der Angeklagten im ersten und zweiten Prozess muss man sehr sorgfältig vergleichen um die beiden Szenario aufzudecken (kurze aber vollständig ausreichende Zitate gegenüberstellen).

XXX

Der Prozess setzt bedeutende Unkosten voraus. Daher: sobald wie möglich mit dem englischen und amerikanischen Verleger abschließen und die Voranzahlung an die oben angegebene Adresse senden. Das Geld von dem tschechischen Verleger behalte für Deine Ausgaben in Paris. - Mama umarmt Dich. Gesundheitlich geht es uns nicht schlecht.

Beste Grüße.

Dein Papa

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