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Leo Trotzki 19361110 Brief an Michael Puntervold

Leo Trotzki: Brief an Michael Puntervold

[Nach der maschinenschriftlichen Abschrift, Lev Davidovič Trockij / International Left Opposition Archives , inventory number 280, International Institute of Social History, Amsterdam]

Avskrift

10. November 1936.

Sehr geehrter Herr Puntervold,

Soeben bekomme ich folgendes Telegramm von meinem Sohn aus Paris: „Archives partielles deuxième importance, confiees Institut hollandais filiale Paris, cambriolees Guepeou. Me constitue Partie civlle. Leon."

Der Sachbestand ist folgender. Vor paar Wochen habe ich meinem Sohn geschrieben : „Du sollst sobald wie möglich den Pariser Teil der Archive in Sicherheit bringen, denn die GPU wird sicher versuchen, sich deren durch Einbruch zu bemächtigen. „Aus dem Telegramm geht hervor, dass mein Sohn einen Teil meiner Archive dem holländischen Institut für Geschichte (Direktor Universitätsprofessor Postumus) anvertraut hat, und dass die von ihm überreichten Dokumente sich bei der Pariser Filiale des Institutes befanden. Auf welche Weise die GPU über meinen Brief oder über das Abkommen zwischen meinem Sohn und dem holländischen Institut Bescheid bekommen hat, das weiß ich natürlich nicht. Sie sehen aber mit welcher Promptheit mein Verlacht zur Wirklichkeit geworden ist.

Mein Sohn telegraphiert, die gestohlenen Dokumente wären von zweiten Bedeutung, Vielleicht sagt er es nur um mich zu beruhigen. Jedenfalls kennt er meine Archive nicht genügend, um sich sogleich ein abschließendes Urteil bilden zu können. Das alles muss ich noch in Erfahrung bringen, Eines ist aber klar, die GPU (d. h. Stalin) versteht sehr gut, dass ich In meinen Händen alle notwendigen Materialien habe, um die schändlichste und infamste aller Anklagen zu entlarven und zu vernichten. Die GPU-Einbrecher suchten in meinen Archiven nicht Beweisstücke gegen mich, nein, sie suchten die Beweisstücke gegen sie selbst, gegen ihr eigenes Verbrechen. Sie scheinen mit ihrem Einbruch ziemlich fehlgeschlagen (falls mein Sohn sich nicht irrt). Die Einbrecher können jetzt aber versuchen, in die gestohlenen Papiere ihre eigenen Fabrikate zu unterbringen. Ich weiß nicht, ob man Zeit gehabt hatte, das vollständige Verzeichnis der überreichten Dokumente fertigzustellen. Aber auch in diesem Falle kann die GPU versuchen, ein authentisches Dokument durch ein anderes, falsches zu ersetzen. – Und zu bedenken, dass gerade in diesem Moment ich an Händen u. Füßen gebunden bin, damit ich mich gegen die GPU-Verbrecher nicht verteidigen kann. . .

Herr Puntervold. Ich wiederhole hier nochmals, was ich schon mehrere Mals Ihnen gesagt habe: Stalin wird alles wagen, vor nichts zurückhalten, denn es handelt sich für ihn um sehr vieles, um nicht zu sagen, um alles . -

Stalin kann einen Einbruch auch hier, in Norwegen, versuchen – um meine Papiere zu bekommen, mit meinem Kopf zusammen. Eine neue Kutjepow-Affäre halte ich für höchst wahrscheinlich. Der Einbruch in Paris scheint einstweilen mehr Blamage als Gewinn gebracht zu haben. Da heißt es, den schlechten ersten Einbruch durch einen zweiten gut zu machen. Ich ersuche Sie jedenfalls, eine Kopie dieses Briefes an Herrn Askwig zu zu schicken.

Das ist aber nicht alles. Ich habe hier mit mir einen Teil meines Archivs, darunter sehr wichtige Dokumente. Von manchen möchte ich photographische Aufnahmen machen. Die Anderen möchte ich auf der Schreibmaschine kopieren lassen. Hoffentlich lässt es sioh ohne große Unkosten zustande bringen. Könnten Sie mir hierüber Auskunft geben? Die Photokopien würde ich dann in zwei-drei Banken deponieren, hier und im Auslande. Ich machte darüber von Ihnen sobald wie möglich Bescheid bekommen.

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Soeben finde ich die Kopie meines Briefes an meinen Sohn. An 10 Oktober schrieb ich ihm:

Die GPU wird alles tun, um sich meines Archives zu bemächtigen. Das beste wäre, das Archiv in einem soliden wissenschaftlichen Institut zu deponieren. Prof. Posthumus wollte es für das holländische Institut kaufen. Besser wäre es vielleicht ein amerikanisches Institut zu finden … Die Frage kann dringend werden.“

Das Telegramm meines Sohnes über den Einbruch ist vom 8. November. Meine Warnung erwies sich somit wirklich als „dringend".

Leo Trotsky (sign. )

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