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Leo Trotzki 19360319 Demjan Bjedny führt einen Auftrag aus

Leo Trotzki: Demjan Bjedny führt einen Auftrag aus

[Nach Unser Wort. Halbmonatszeitung der IKD, Jahrgang 4, Nr. 8 (72), Mitte April 1936, S. 4]

Der reaktionäre Belletrist Aldanow, Autor von historischen Romanen, in denen die Freiheitsbewegungen der Menschheit vom Gesichtspunkt eines aufgeschreckten Spießers gezeichnet werden, befasste sich in den letzten Jahren mit geschichtlichen Aufzeichnungen zur Oktoberrevolution. In einem seiner Feuilletons versucht er auf Grund einer lächerlichen Untersuchung des Budgets der Prawda von 1917 nachzuweisen, dass die Bolschewiki von den Deutschen «doch» Geld bekommen haben. Allerdings reduzieren sich dabei die Millionensubsidien auf eine recht bescheidene Summe, dafür aber richten sich die geistigen und sittlichen Eigenschaften des Geschichtsschreibers selbst in ihrer ganzen Größe auf. In dem folgenden Feuilleton erzählt Aldanow, wie Trotzki im Juni 1918 dem deutschen Diplomaten Grafen Mirbach erklärt habe, dass wir, die Bolschewiki, «schon tot sind, aber noch niemand da ist, der uns begraben könnte». Mirbach selber wurde bekanntlich bald von linken Sozialrevolutionären ermordet. Die Erzählung, die nach den Worten eines gewissen Botmer, der sich auf den toten Diplomaten beruft, wiedergegeben ist. ist so absurd, dass sie an sich keine Beachtung verdiente. Im Juni 1918, d.h. just in dem Intervall zwischen der Unterschreibung des Brest-Litowsker Gewaltfriedens und der Abreise an die Front von Kasan, teilte Trotzki vertraulich – und wem? einem hohenzollernschen Diplomaten! – mit, der Bolschewismus sei schon tot». Der Klatsch geht hier bereits in Gefasel über.

Aber jeder Schund findet seinen Käufer. So auch diesmal. Die Prawda vom 30. Januar brachte ellenlange Knüttelverse von Demjan Bjedny, in denen die Mitteilung der Botmer-Aldanow für unbestreitbare Wahrheit hingenommen wird, als endgültigen Beweis für den «permanenten Verrat» Trotzkis. Die Prawda ist heute das persönliche Organ Stalins. Demjan Bjedny führt einen persönlichen Auftrag aus. Heute bringt die Prawda es noch nicht fertig, Verse zu veröffentlichen zu dem Thema, wie Lenin und Trotzki vom deutschen Stab Geld erhielten, aber die moralische Entwicklung der bonapartistischen Bürokratie geht immerhin in diese Richtung Bei Aldanow bildet der Empfang der hohenzollernschen Subsidien durch die Bolschewiki und Trotzkis Gespräch mit dem hohenzollernschen Diplomaten wenigstens ein Ganzes. Bei der Prawda und ihrem «Poeten» ergibt sich bisher noch kein Ganzes. Aber gleichwohl: der Auftrag wird ausgeführt. Sein Sinn kommt in vier Zeilen zum Ausdruck:

«Wie schade doch, dass man in Berlin

Es eher wusste als wir.

Der Weg der Vergeltung für solche Führer

Geht dorthin, von woher es keine Umkehr gibt.»

Diese «poetische» Schlussfolgerung stützt sich natürlich nicht auf angebliche Gespräche längst vergangener Zeiten, sondern auf die wirklichen Ereignisse unserer Tage. Die Vierte Internationale ist diesen Herren ein Dorn im Auge. Das Wachsen der leninistischen («trotzkistischen») Opposition in der UdSSR beängstigt die Usurpatoren. Darum müssen sie ihre Inspiration bei Aldanow-Botmer suchen.

Allein, derselbe Demjan Bjedny hat über Trotzki auch einmal in anderem Ton geschrieben, dazu mitten Im Brand des Bürgerkriegs, als Menschen und Ideen ernster Prüfung unterzogen wurden. Anlässlich des Gerüchts, General Denikin, der Oberstkommandierende der Weißen Armee, beabsichtige, sich am Amur krönen zu lassen, schrieb Demjan Bjedny in den Iswestija, ungefähr 16 Monate nach den angeblichen Geständnissen Trotzkis, an Mirbach, folgende Zeilen:

«Schau nicht drein wie ein Held, König.

Zweimal stechen wir dich,

Unser Stich, der ist sicher,

Wir schlagen mit doppeltem Trumpf.

Lenin und Trotzki, unsere Zwei.

Ja versuch nur, stich nur!

Wo bleibt da dein Schwung, Denikin?

Unsere Zwei, die ist mit nichts zu stechen.»

Diese Versschöpfung wird, beiläufig gesagt, auch von Aldanow zitiert; doch zum Unterschied zum Gespräch mit Mirbach, ist sie nicht erfunden, sondern ein völlig echtes Produkt des Demjanschen Schaffens und steht gedruckt in den Iswestija vom 19. Oktober 1919.

So widerwärtig es auch ist, sich auf all das einzulassen, aber der Leser wird sich hoffentlich nicht über uns beschweren: einige gereimte Zeilen geben viel besser die Atmosphäre von 1919 und die damaligen Stimmungen der Partei wieder, als alle nachträglichen Folianten voller Fälschungen und Verleumdungen. «Lenin und Trotzki, unsere Zwei». Ja wieso denn? Wie konnte der Mensch, der dem erlauchten Boten des Kaisers verräterische Erklärungen machte, mit Lenin eine «Zwei» bilden? Und wo ist denn Stalin? War es etwa Demjan Bjedny, der im Kreml wohnte, der mit allen Spitzen der Partei zusammenkam, ja, wir man sagt, im Speiseraum des Sowjets der Volkskommissare aß, nicht bekannt, dass die «Zwei» Lenin und Stalin waren? Oder kannte Demjan Bjedny Stalin nicht? Nein, arbeitete er doch mit ihm bereits in den legalen bolschewistischen Publikationen seit 1911 zusammen, vielleicht auch noch früher. Er kannte vorzüglich Stalin, seine Vergangenheit, sein spezifisches Gewicht, seine Intellektuellen Fähigkeiten. Demjan wusste, was er schrieb. Wenn er aber nicht gewusst haben sollte, wieso hätten dann wohl die Iswestija. das offizielle Regierungsorgan,Strophen drucken können wo fälschlicherweise Trotzki statt Stalin stand? Oder geschah es einfach des Reimes wegen? Wie und warum schließlich schwieg die Partei zu den heiligenschänderischen Strophen? Dem ist noch hinzuzufügen: damals verlangte niemand von Demjan Bjedny Lobesverse – danach stand damals nicht der Sinn, auch die Menschen waren nicht danach – die Verse drückten einfach aus, was in der Luft lag.

Die Geschichte kann man nicht wie einen Haufen alter Lumpen in einen Kessel stecken und zu sauberem Papier verkochen. Ein russisches Sprichwort sagt: «Was mit der Feder geschrieben ist. haut keine Axt wieder heraus». Die Geschichte jener Jahre aber ist nicht nur mit einer Feder geschrieben, und jedenfalls nicht nur mit der Feder Demjan Bjednys. Wenn 1919 Bjedny, mitgerissen von der großen Welle, den literarischen Auftrag der Massen ausführte, so führt er 1936 nur den Auftrag Stalins aus. Dieser Auftraggeber verfolgt durchaus nicht literarische, sondern rein praktische Ziele. Demjan Bjedny wurde, wie wir bereits wissen, befohlen, eine Begründung für die Notwendigkeit zu liefern, Trotzki dorthin zu schicken «von woher es keine Umkehr gibt».

Die Erfüllung dieses Auftrags gedenkt Stalin offenbar den «Poeten» aus der Schule des Generalkommissars Jagoda anzuvertrauen.

Das werden wir uns merken!

Alpha.

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