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Leo Trotzki 19360111 Die Sowjetsektion der IV. Internationale

Leo Trotzki: Die Sowjetsektion der IV. Internationale

[Nach der Broschüre Arbeiterstaat, Thermidor und Bonapartismus, Verlag Unser Wort, Paris 1936, S. 32-38]

In der sogenannten Kommunistischen Partei der Sowjetunion geht eine neue Säuberung ihrem Ende entgegen, die diesmal den bescheidenen Namen «Prüfung der Parteipapiere» trägt. Der Unterschied zwischen dieser Säuberung und allen vorhergehenden besteht darin, dass sie ohne jede, und sei es auch nur dekorative Teilnahme der Partei selbst geschieht: weder allgemeine Versammlungen, noch persönliche Bußfälle, noch öffentliche Entlarvungen, noch Zeugenverhöre. Die Nachprüfung geschieht gänzlich hinter den Kulissen: handelt es sich ja doch bloß um die «Papiere». In Wirklichkeit werden infolge dieser bescheidenen technischen Nachprüfung im Durchschnitt rund 10% ausgeschlossen. Die Prüfung der Kandidaten ist nicht beendet. Doch schon jetzt sind weit mehr als 200.000 Mann aus der Partei hinausgeworfen; das war, beiläufig bemerkt, annähernd die Gesamtmitgliederzahl der Bolschewistischen Partei zu der Zeit, wo sie das Proletariat zur Machteroberung führte.

Die «Prawda» vom 2. Januar gibt ein Verzeichnis der Grundkategorien der Ausgeschlossenen: «Von Trotzkisten, Sinowjewisten, Opportunisten, Doppelagenten, Klassenfremdlingen, Halunken, Abenteurern bis zu ausländischen Spionageagenten». Die Aufzählung stellt, wie man sieht, die allgemeine Formel aller thermidorianischen Amalgame dar. Sich über die Vermengung der Trotzkisten mit Halunken und Spionen «empören», wäre völlig naiv. Jedes Regime, das mit dem Volke auf schlechtem Fuße steht, verfolgt einerseits die Revolutionäre, andererseits die kleinen Verbrecher. Diese beiden Kategorien bevölkerten seit jeher Seite an Seite die Gefängnisse der Bourgeoisie in der ganzen Welt. Kerenski behauptete seinerzeit, die Bolschewiki stäken mit den Schwarzhundert und deutschen Spionen unter einer Decke. Stalin bleibt ganz in der Tradition. Statt uns über das stalinistische Amalgam zu «empören», untersuchen wir es lieber näher.

Vor allem springt die Tatsache ins Auge, dass unter den mehr als 200.000 Ausgeschlossenen an erster Stelle offiziell die «Trotzkisten» genannt werden. Heißt das, dass diese eine so zahlreiche Gruppe bilden oder aber, dass die «Bürokratie, nachdem sie die «Überreste» und «Splitter» der Trotzkisten nicht weniger als ein dutzendmal liquidiert hat, diese nach wie vor als ihren gefährlichsten Feind betrachtet. Sowohl das eine wie das andere. Wir werden hier auf Grund der offiziellen Angaben nachweisen, dass die Zahl der allein bei der letzten Säuberung (zweite Hälfte 1935) ausgeschlossenen Bolschewiki-Leninisten nicht geringer ist als zehntausend, richtiger aber weit mehr. Was hingegen die Furcht der Bürokratie vor dieser «Kategorie» betrifft, so spricht davon die Bestialität der Repression zur Genüge.

Trotzkisten und Sinowjewisten werden in den offiziellen Darstellungen gewöhnlich zu einer einzigen Kategorie gerechnet: die Sinowjewisten stellten stets eine rein Leningrader Gruppierung dar, die in den anderen Teilen des Landes nur Einzelanhänger zählte und abgesehen von ihrem Mangel an Festigkeit, keine selbständige politische Physiognomie hatte. Wir erhalten somit 6 Kategorien Ausgeschlossener: 1. die Bolschewiki-Leninisten. 2. die «Opportunisten» (mehr der Symmetrie und der Verschleierung halber aufgenommen: in Teilberichten ist von ihnen gewöhnlich gar keine Rede), 3. die Doppelagenten und Klassenfremdlinge (ehemalige Weiße usw.), 4. Halunken und Abenteurer, 5. ausländische Spione. Mit diesen oder jenen Abweichungen wiederholen sich diese Kategorien in den Bezirksberichten, Korrespondenzen, Leitartikeln usw.

Bevor wir zur Untersuchung der Frage übergehen, wie groß die Zahl der ausgeschlossenen Leninisten ist, lassen wir uns bemerken, dass wir weder in den uns vor Augen gekommenen Listen der Ausgeschlossenenkategorien noch in den Kommentaren auch nur ein einziges Mal Hinweisen auf Menschewiki oder Sozialrevolutionäre begegnet sind. Politisch existieren diese beiden Parteien nicht. Ihre reaktionäre Politik im Jahre 1917 verschloss ihnen, wie Gen. Tarow unlängst ganz richtig bemerkte, den Zugang zu den neuen Generationen von Stadt und Land. Die einzige ernste Opposition im Lande sind, wie der jugoslawische Genosse Ciliga, gestern noch Stalins Gefangener, mehrfach unterstrich, die Bolschewiki-Leninisten. Das bedeutet, die Opposition gegen den Bonapartismus geht nicht von den Prinzipien der kleinbürgerlichen Demokratie aus, sondern von den Errungenschaften der Oktoberrevolution, und marschiert unter deren Banner. Prägen wir uns diese Tatsache fest ein, denn sie ist von kolossaler Bedeutung für die Zukunft.

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Nach allen vorangegangenen Säuberungen und Zertrümmerungen scheint einem die Tatsache fast unwahrscheinlich, dass unter den verschiedenen Kategorien der Ausgeschlossenen – d. h. von nicht hunderten, nicht einigen Tausend, sondern von mindestens 200.000 – die Bolschewiki-Leninisten an erster Stelle stehen. Wie viel aber mögen sie nun genau sein? Die Sowjetpresse hütet sich ängstlich, irgendwelche Ziffernergebnisse in dieser Beziehung bekannt zu geben. Lediglich in einzelnen Artikeln und Notizen, im Bezirks- und Unterbezirksmaßstab, kommen gelegentlich direkte oder indirekte – meistens indirekte – Hinweise auf die Zahl der ausgeschlossenen «Trotzkisten» vor. Mit diesen Angaben wollen wir uns also nunmehr beschäftigen.

Ein Artikel von Chatajewitsch, Sekretär des Dnjepropetrowsker Bezirks, teilt mit, dass in der Zeit der Dokumentenprüfung in seiner Satrapie 3446 Personen, 8% der gesamten Organisation, aus der Partei ausgeschlossen wurden, wobei es, wie es heißt, gelang, nicht nur Einzelfälle aufzustöbern, sondern auch ganze in der Partei verborgene konterrevolutionäre trotzkistisch-sinowjewistische Gruppen». Ihre Gesamtzahl gibt Chatajewitsch nicht bekannt. Dafür aber gibt er andere Ziffern: «1500 Weißgardisten, Kulaken, Teilnehmer an den Petljura-, Machnowski- und anderen Banden; 300 Halunken und Schieber, die sich mit gefälschten Papieren in die Partei eingeschlichen hatten» («Prawda», 26.XII.1935). Diese zwei Gruppen stellen zusammen 1800 Personen dar. Außerdem spricht der Artikel noch vage von «ausländischen, in die Partei eingeschlichenen Spionen»; doch dabei kann es sich nur um Einzelne oder um ein paar Dutzend, keineswegs um mehr handeln. Nach Abzug der genannten Kategorien bleiben auf dem Konto der Trotzkisten, Sinowjewisten und überhaupt der Oppositionellen aller Art nicht weniger als 1600 Personen. Oder verheimlicht Chatajewitsch noch irgendeine Kategorie Ausgeschlossener? Welche? Warum? Selbst wenn auf das Konto der «Trotzkisten» nur die Hälfte, oder auch nur ein Drittel der genannten Zahl käme, so ergäbe sich immer noch eine imposante Ziffer (500 bis 1000). Selbstverständlich ist diese Ziffer bis dahin eine rein hypothetische.

In derselben Nummer der «Prawda» wird in einer kleinen Notiz gemeldet, dass in der Asow-Schwarzmeer-Provinz 4324 Personen aus der Partei ausgeschlossen wurden, 7% aller geprüften Fälle, wobei sich herausstellte, dass «in einigen Stadtorganisationen konterrevolutionäre trotzkistisch-sinowjewistische Gruppen bestanden («Rote Axai»-Werke, provinziales Bodenamt, Garten- und Weintrust)». Welchen Teil der •Ausgeschlossenen diese Gruppen ausmachen, sagt die Notiz nicht, dafür aber gibt sie zu, dass auch nach der Kontrolle in den Organisationen der Provinz «unentlarvte Feinde» geblieben sind.

In der westsibirischen Provinz wurden 3576 Parteimitglieder (11%) und 1935 Kandidaten 12,8%) ausgeschlossen. Der Sekretär Eiche schreibt in der «Prawda»: «Unter den Ausgeschlossenen waren die meisten Kulaken und weißgardistische Koltschaksoldaten – fast ein Drittel. Danach kommen die Trotzkisten und Sinowjewisten»... (23. XII. 1935). Aus diesen Worten geht hervor, dass die Bolschewiki-Leninisten der Zahl nach an zweiter Stelle stehen. Alle Ausgeschlossenen teilen sich, nach Abzug der Weißen, in nicht mehr als vier Kategorien. Verteilt man die Ausgeschlossenen gleichmäßig, so käme auf jede Kategorie mehr als 900 Mann … Indessen sagt Eiche selbst, dass die Trotzkisten und die Sinowjewisten die umfangreichste Gruppe nach den Weißen bilden: folglich muss die Zahl der ausgeschlossenen Bolschewiki-Leninisten allein in der westsibirischen Provinz keinesfalls weniger als 1000 betragen, was rund 20% aller Ausgeschlossenen darstellt. «Von der Gesamtzahl der aus der Partei ausgeschlossenen Trotzkisten und Sinowjewisten – sagt Eiche – arbeitete rund die Hälfte in den Lehranstalten... Das trotzkistisch-sinowjewistische Geschmeiß (!) klammerte sich besonders eifrig an den ideologischen Zweig, indem es versuchte, diesen für die Propaganda auszunutzen». Es handelt sich offensichtlich um neue Parteimitglieder aus der studierenden Arbeiterjugend. Man darf annehmen, dass, was den hohen Prozentsatz von Bolschewiki-Leninisten betrifft, Sibirien eine Ausnahme bildet: es spielt offenbar der Einfluss seitens der Verbannten auf die Jugend mit (dieselbe Erscheinung war, beiläufig gesagt, auch unter dem Zarismus zu beobachten).

Im Charkower Bezirk wurden von 50.000 Personen mehr als 4.000 ausgeschlossen. Der Sekretär Saizew zählt nach Kategorien nur 2350 von den höchsten Behörden kontrollierte Ausschlussfälle auf, darunter: 907 Kulaken und Weißgardisten, 594 moralisch Zersetzte und Disziplinverletzer, 120 Halunken und Schieber, 42 bürgerliche Nationalisten, schließlich 120 Trotzkisten. Hier besitzen wir also bereits eine ganz genaue Ziffer, dabei ohne Erwähnung von Sinowjewisten. Berücksichtigt man, dass in Charkow, der Satrapie der S. Kossior, Petrowski & Co. die Schläge gegen die Opposition seit 1923 mit einer für ihre brutale Rücksichtslosigkeit in der ganzen Union besonders berüchtigten Wucht erfolgten, so erscheint sogar die bescheidene Zahl von 120, die mehr als 5% der Ausschlüsse (2356) ausmacht, wahrhaftig staunenswert.

Es ist allzu klar, dass die Bürokratie nicht den geringsten Anlass hat noch haben kann, den Einfluss der Bolschewiki-Leninisten zu übertreiben. Die in die Presse gedrungenen Ziffern heißt es daher als Minimalziffern betrachten. Außerdem pflegte die Stalinclique schon seit 1924 die Oppositionellen als «moralisch Zersetzte» und sogar als «Weißgardisten» auszuschließen. Man kann nicht zweifeln, dass gerade die einflussreichsten und aktivsten B.-L. eben als zu einer dieser Kategorien gehörig ausgeschlossen wurden: umso leichter wird man mit ihnen im Konzentrationslager oder auf dem Wege in die Verbannung fertig.

Nimmt man den westsibirischen Koeffizienten, so erwiese sich, dass die Zahl der ausgeschlossenen Trotzkisten und Sinowjewisten in der ganzen Union nicht weniger als 40.000 beträgt. Wir sagten bereits, warum diese Zahl für übertrieben zu halten ist. Aber nehmen wir selbst den offenkundig zu niedrig angesetzten Charkower Prozentsatz ausgeschlossener Trotzkisten, d. h. über 5%, so ergibt sich bei 200.000 Ausgeschlossenen mehr als 10.000. Nimmt man schließlich eine Ziffer in der Mitte zwischen der westsibirischen und der von Charkow, so erhalten wir 20.000: diese Zahl wird wohl der Wirklichkeit am nächsten kommen.

Die ungeheure politische Bedeutung der angeführten Daten wird jeder verstehen. Es bleibt die Frage: warum verschleiert die Bürokratie einerseits die ziffernmäßige Bilanz und gibt sie andererseits immerhin Teilresultate bekannt, die für die allgemeine Orientierung aufschlussreich genug sind? Sehr einfach: die Bürokratie vermeidet es aus allen Kräften, für die Bolschewiki-Leninisten Reklame zu machen; gleichzeitig aber ist sie gezwungen, einen Warnungsschrei auszustoßen: hütet Euch, «sie» sind zahlreich, «sie» wachsen! Jedenfalls ist von «Überresten» keine Rede mehr.

Die unversöhnlichsten Feinde der Bürokratie, die ihre Lage als herrschende Kaste zu verewigen trachtet, waren und bleiben die Bolschewiki-Leninisten. Kein Wunder, wenn die Stalinclique in dem amalgamierten Verzeichnis die «Trotzkisten» an die erste Stelle setzt. Durch ihren ganzen Kampf verdienen sie diese Ehre. Schon die Art, wie die letzte Säuberung durchgeführt wurde, bestätigt schlagend ihren wachsenden Einfluss. Die Bürokratie vermag mit ihren Feinden nicht mehr mit Hilfe, oder auch nur vor dem Angesicht der von ihr terrorisierten Partei fertig zu werden. Die öffentliche Säuberung wird durch eine im Stillen ersetzt, d. h. ganz und gar in die Hände der GPU gelegt. Denselben Händen werden selbstverständlich auch die Ausgeschlossenen zur Aburteilung übergeben. Die Methode entspricht, wie sich gezeigt hat, so sehr dem Interesse der Bürokratie, dass Stalin sofort eine neue Säuberung anordnete: vom 1. Februar bis zum 1. Mai dieses Jahres sollen die alten Parteibücher (sie sind angeblich «zernutzt») durch neue ersetzt werden, wobei in der Bestimmung des ZK den Sekretären, d.h. den GPU-Beamten streng befohlen wird, bei der Erneuerung der Bücher nochmals die ganze Parteimitgliedschaft zu kontrollieren und die neuen Bücher nur denen auszuhändigen, die «Vertrauen» verdienen. Wie viel neue Bolschewiki-Leninisten bei dieser Kontrolle die Partei mit dem Konzentrationslager vertauschen werden, das werden wir vielleicht in einem halben Jahr erfahren.

Die oben angeführten Angaben werden wahrscheinlich viele überraschen. Wir haben den Lesern absichtlich alle Berechnungen vor Augen geführt, um die Möglichkeit irgendwelchen Verdachts des Subjektivismus und der Voreingenommenheit auszuschließen. Unter dem Einfluss der Stalinpresse und ihrer Agenten (von der Sorte Louis Fischers und ähnlicher Herren) neigen nämlich nicht nur unsere Feinde sondern sogar viele unserer Freunde im Westen, ihnen selbst ganz unbewusst, zu dem Gedanken, dass, wenn es in der UdSSR noch Bolschewiki-Leninisten gibt, so doch fast nur bei den Katorgaarbeiten. Nein, dem ist nicht so! Das marxistische Programm und die große revolutionäre Tradition sind nicht mit Polizeimaßnahmen auszurotten. Zwar ist in der UdSSR die Arbeit der Bolschewiki heute schwerer als in irgend einem anderen Land (in dieser Beziehung ist das frische Zeugnis des jugoslawischen Genossen Ciliga im höchsten Grade interessant). Aber die Arbeit des revolutionären Denkens ruht nichtsdestoweniger nicht einen Tag. Unsere Richtung ist in der UdSSR, wenn nicht als Doktrin, so als Stimmung, als Tradition, als Banner eine Massenbewegung und bildet in sich heute ganz offenkundig neue und frische Kräfte heran. Von den 10 bis 20.000 «Trotzkisten», die in den letzten Monaten des Jahres 1935 ausgeschlossen wurden, stellen die Vertreter der alten Generation, die Teilnehmer an der Bewegung von 1923-28 Dutzende, vielleicht Hunderte, nicht mehr. Die Grundmasse, das ist eine ganz neue Auslese. Man vergesse auch nicht, dass die genannten Angaben sich nur auf die Partei beziehen. Es gibt aber, noch den Komsomol mit seinen Millionen Jugendlichen! Gerade in ihm ist die Gärung besonders heftig. Für die jungen Revolutionäre in der UdSSR ist es furchtbar schwer, sich den Leninismus anzueignen, aber man kann nicht daran zweifeln, dass ihr Niveau immerhin unvergleichlich höher ist als das der stalinschen «Partei». Die große Tradition lebt. In geheimen Winkeln bleibt die alte oppositionelle Literatur aufbewahrt. Auf den Regalen stehen die Bände Marxens, Engels, Lenins (diese hat man bisher noch nicht zu entfernen gewagt). Die Sowjetzeitungen sind gezwungen, von den Ereignissen in der ganzen Welt zu berichten. Die internationale Literatur, die unter dem Banner der 4. Internationale steht, ist heute bereits sehr reich. Ihre Ideen und Losungen dringen durch tausende von Kanälen – darunter auch durch unser «Bulletin der Opposition» – in die Sowjetunion. So ist das kostbare Erbe des revolutionären Denkens gesichert.

Unter der Peitsche der Bürokratie und nicht ohne direkte Provokation seitens der Jagoda, Medwjed usw. beschreiten einzelne Elemente der Jugend den Weg der Verzweiflung und der Auswegslosigkeit. Die Bonapartisten haschen gierig nach den terroristischen Akten zur Rechtfertigung ihrer blutigen Abrechnung mit der Opposition: diese Methode ist ebenso alt wie die Niedertracht der privilegierten Gewalthaber. Jedoch die grosse Masse der revolutionären Jugend verlässt ihre Klasse nicht und betritt nicht den Weg der individuellen Abenteuer. Das Programm der 4. Internationale, wenn es auch nicht im Nu Wunder verspricht, weist doch den einzig richtigen und unbedingt sicheren Weg. Das Wachsen der 4. Internationale in der ganzen Welt wird unsere Freunde und Anhänger in der UdSSR stärken und begeistern. Man kann mit Gewissheit sagen, trotz 13 Jahren Hetze, Verleumdung, Pogromen, die an Gemeinheit und Brutalität nicht ihresgleichen haben, trotz Kapitulation und Verrat, die schlimmer sind als Verfolgungen, besitzt die 4. Internationale schon heute in der UdSSR ihre stärkste, zahlreichste und gestählteste Sektion.

Nein, wir haben nicht den geringsten Grund zu verzagen. Der Fortschritt geht keine geraden Wege. Der Kampf der Unterdrückten fordert große Opfer. Aber die Zukunft gehört uns. Die neue bürokratische Reinigung in der UdSSR zeigt es selbst den Blinden: die Zukunft gehört uns!

11. Januar 1936.

P.S. Die hartnäckige Erwähnung von bei der Säuberung aus der Partei ausgeschlossenen «ausländischen Spionageagenten» verdient besondere Beachtung. Solche Fälle sind selbstverständlich durchaus möglich. Aber ihrer eigenen Natur gemäß können sie nur seltene Ausnahmen bilden. Für Mitteilungen darüber würde ein einfaches Geheimrundschreiben genügen. Warum versteifen sich die Zeitungen immer wieder, ohne aufzuhören, auf diese Fälle? Eine solche Kühnheit kann sich die Stalinpresse nicht ohne besondere Anweisung von oben erlauben. Welches aber ist die Absicht dieser Anweisung? Das ist ohne Weiteres zu erraten. In der UdSSR ist in den Jahren der stalinschen Selbstherrschaft eine nicht geringe Anzahl ausländischer oppositioneller Kommunisten erschossen worden. Eine noch viel größere Anzahl schmachtet in den Isolatoren, Konzentrationslagern und in der Verbannung. Von außerordentlichem Wert sind die Mitteilungen des unlängst den stalinistischen Ketten entronnenen A. Ciliga. Die Bürokratie muss so oder so diese Enthüllungen parieren und ihre ausländischen Lakaien mit irgendeinem Schein einer Erklärung ausrüsten. Es sollte uns nicht Wunder nehmen, wenn die Kominternagenten alle in der UdSSR erschossenen und verhafteten ausländischen Kommunisten für «ausländische Spionageagenten» erklärten. Diese Gemeinheiten werden jedoch nicht ungestraft bleiben. Die Arbeitermassen werden die Wahrheit erfahren. Die Organisationen der Vierten Internationale werden auf dem Posten sein.

L. T.

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