Leo Trotzki‎ > ‎1936‎ > ‎

Leo Trotzki 19360325 Ein Plan zur physischen Ausrottung der Bolschewiki-Leninisten

Leo Trotzki: Ein Plan zur physischen Ausrottung der Bolschewiki-Leninisten

[Nach Unser Wort. Halbmonatszeitung der IKD, Jahrgang 4, Nr. 10 (74), Mitte Mai 1936, S. 4]

In der Prawda vom 15. März stand eine deutlich von Stalin ausgehende höchst offiziöse Instruktion, was mit den aus der Partei Ausgeschlossenen zu geschehen habe. Die Frage ist nicht einfach, wenn man berücksichtigt, dass seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres bis heute keinesfalls weniger als 300.000 Menschen ausgeschlossen worden sind, vielleicht aber auch eine halbe Million. Der niedrigste Prozentsatz von Ausschlüssen ist 7 %, in mehreren Organisationen aber wurde mehr als ein Drittel ausgeschlossen. Jetzt geht unter dem Schein einer «Auswechslung der Parteibücher» die Säuberung weiter oder, wie es in Stalins Instruktion lautet, die Partei fährt fort, sich «von Trotzkisten, Sinowjewisten, Weißgardisten und anderer Teufelsbrut» zu befreien. Die Liste und die Reihenfolge der Ausgeschlossenenkategorien ist ganz genau festgelegt, wobei in allen, lokalen oder allgemeinen Aufzählungen die «Trotzkisten» unveränderlich die erste Stelle behaupten. Das heißt, dass die schwersten Schläge auf sie fallen.

Stalins Instruktion lässt in dieser Hinsicht für Zweifel keinen Raum. Der äußeren Form nach hat die Instruktion angeblich den Zweck, den Übereifer der lokalen Organisationen zu zügeln, die sämtlichen Ausgeschlossenen die Arbeit wegnehmen. Mit beispiellosem bürokratischen Jesuitismus nimmt Stalin einige Kategorien Ausgeschlossener in Schutz. So sind, sagt die Instruktion, einige Kommunisten ausgeschlossen worden als passive Elemente, als Verletzer der Disziplin oder der Parteimoral. Diesen gegenüber sei Strenge nicht am Platze. Wenn sie für die alte Arbeit kompromittiert sind, solle man ihnen neue geben. Man solle nicht unnötig Feinde schaffen. «Leider wird diese einfache Wahrheit nicht überall verstanden». Ein Mensch, der «irgendein schweres Vergehen gegen die Parteimoral» begangen hat, kann nichtsdestoweniger ein «für das sozialistische Land nützlicher Mensch» bleiben. Unter einer Bedingung : dass er kein «Feind», d.h. kein Feind der Bürokratie ist. Wenn er stahl, bestach oder sich bestechen ließ, einen Untergebenen schlug oder eine Untergebene vergewaltigte, mit einem Wort, «ein schweres Vergehen gegen die Parteimoral» begangen hat, aber dabei der Macht ergeben bleibt, so muss man diesem «nützlichen Menschen» eine andere Arbeit geben. Die Haupteigenschaft, welche die Instruktion von den Parteiführern fordert, «ist die Kunst, zwischen Feind und Nichtfeind zu unterscheiden». Erbarmungslosigkeit empfiehlt sich nur dem politischen Gegner gegenüber. Der gehorsame bestechliche Mensch ist kein Feind, der Oppositionelle aber ein Todfeind, dem man jegliche Arbeit entziehen muss.

In der UdSSR ist der einzige Arbeitgeber die Bürokratie. Stalins Instruktion bedeutet praktisch: zehntausende von Oppositionellen den Qualen der Arbeits- und Obdachslosigkeit aussetzen, sogar in den Verbannungsorten. Zwar tat man das auch früher, aber nicht immer. Jetzt ist es zum System erhoben.

Stalins Instruktion, die als Überschrift trägt: «Bolschewistische Wachsamkeit», muss den Arbeitern der ganzen Welt zur Kenntnis gebracht werden. Man soll keine Gelegenheit verpassen, diese Frage In den Arbeiterversammlungen zu stellen. Man soll nach Möglichkeit in der Gewerkschaftspresse auftreten. Man soll alles tun. um Stalin zu hindern, zehntausende junger untadeliger Kämpfer der physischen Vernichtung preiszugeben.

25. März 1936.

L. Trotzki.

Kommentare