Leo Trotzki: Sneevliets Rolle

[Eigene Übersetzung nach Writings of Leon Trotsky (1937-38) New York ²1976, S. 146f.]

Lieber Genosse Cannon:

Die Lage mit Sneevliet ist, wie ich Ihnen schon oft geschrieben habe, nicht nur schlecht, sondern hoffnungslos. Sneevliet ist ein konservativer Philister ohne revolutionäre Perspektive. 1933 oder ‘34, als er sein Parlamentsmandat bekam, sagte er zu mir: „Ich werde versuchen, aus der NAS tausend weitere Parteimitglieder herauszuziehen und dann diese hoffnungslose Organisation aufgeben.“ Aber es war nur Gerede. Als er sein Mandat verlor, griff er wieder mit beiden Händen nach seinem Posten als Sekretär der NAS. Es ist eine Frage von Jobs für eine Liliputaner-Bürokratie. Die Politik von Sneevliet ist völlig der Aufgabe untergeordnet, diese Jobs für sich und seine engsten Mitarbeiter zu sichern. Sein offener Bruch mit uns wird natürlich ein unbestreitbarer Schlag für die Vierte Internationale (ein tödlicher Schlag für seine eigene Partei) sein. Aber man kann nichts tun.

Ich sende Ihnen Dokumente zum Fall. Es ist notwendig, die amerikanische Partei vorzubereiten. Nach meiner Meinung sollten die Dokumente im Internen Bulletin veröffentlicht werden. Es ist möglich, dass ein paar amerikanische Genossen, die die Entwicklungen während der letzten zwei Jahre nicht verfolgt haben, den Verdacht haben könnten, dass der Bruch durch ein paar überstürzte oder taktlose Handlungen des Internationalen Sekretariats oder von mir hervorgerufen wurden. Bei Gott, das ist nicht der Fall. Ich kann sagen, dass das Internationale Sekretariat eine sehr christliche Haltung hatte: Wenn Sneevliet es auf die eine Wange schlug, hielt es ihm die andere hin. Mehr oder weniger alle von uns haben diese Lage geduldet.

Ich schrieb Ihnen über Sneevliets Haltung im Reiss-Fall. Diese Haltung war die wichtigste Ursache für den Verlust von Reiss. Dank der Tatsache, dass wir diese Angelegenheit den Händen von Sneevliet entzogen haben, haben wir bei Barmin und Walter Krivitsky und selbst bei der Witwe von Reiss eine unvergleichlich günstigere Lage. Aber in dem Moment, in dem diese unglückliche Frau in direkte Beziehung zu unseren Genossen in Paris getreten ist, hat Sneevliet einen schrecklichen Skandal gemacht, so dass Frau Reiss, die große Achtung vor Sneevliet gehabt hatte, einen unserer Genossen fragte, ob Sneevliet nicht betrunken sei.

Der Mann ist nicht nur politisch opportunistisch, sondern auch gewohnt, in seinem Ameisenhaufen ein absoluter Diktator zu sein. Er greift in das Leben aller anderen Sektionen ein (was sein gutes Recht ist), mit äußerster Brutalität (was überflüssig ist), aber er erlaubt nicht die kleinste Kritik von den anderen Sektionen oder von den Mitgliedern seiner eigenen Partei. Während der letzten paar Jahre brachte der reaktionäre Trend der europäischen Politik Sneevliets nicht nur völlig mit der POUM zusammen, sondern auch mit dem Londoner Büro. Sein Ziel ist, im Hafen von Fenner Brockway anzulegen. Man kann nichts machen.

Wenn Ihr Nationalkomitee oder Sie persönlich es notwendig finden, unsere lange Erfahrung durch Ihr persönliches Eingreifen zu überprüfen, könnten Sie einen offiziellen oder persönlichen Brief an Sneevliet schreiben, indem Sie ihn um Aufklärung und so weiter bitten. Ich für meinen Teil würde so einen Schritt nur begrüßen, weil er einen guten schulenden Einfluss nicht nur auf die amerikanische, sondern auch auf andere Sektionen hätte. Praktisch kann Ihr Eingreifen, wie ich Ihnen vor ein paar Monaten schreib, nichts ändern.

Ich muss wieder wiederholen, dass es absolut notwendig ist, dem IS moralische und mindestens eine kleine finanzielle Unterstützung zu geben.

Ihr, wie immer, alter Mann