II. Ein Kinto an der Macht

II. Ein Kinto an der Macht

Bevor er in Israel König wurde, hütete David die Schafe und spielte die Flöte. Sein außergewöhnlicher Aufstieg wird verständlich, wenn man in Betracht zieht, dass alle Söhne der halbnomadischen Israeliten Schafe hüteten und dass in jenen Zeiten die Kunst, Menschen zu regieren, kaum komplizierter war als die Kunst, eine Herde zu betreuen. Inzwischen hat sich jedoch sowohl die Gesellschaft als die Kunst des Regierens gewaltig kompliziert. Wenn ein moderner Monarch seinen Thron verlassen muss, so ist es nicht mehr nötig, seinen Nachfolger unter den Schafhirten zu suchen. Solch heikle Frage wird auf der Grundlage der automatisch funktionierenden dynastischen Erbfolge gelöst.

Meteorenhaften Aufstieg hat es in der menschlichen Geschichte des Öfteren gegeben. Julius Cäsar, durch Geburtsrecht Angehöriger einer wenig zahlreichen Oligarchie, erhob als natürlicher Kandidat Anspruch auf die Macht. Nicht so Napoleon I. Doch war auch er nicht im selben Grade ein Emporkömmling wie die vornehmlichsten Diktatoren unserer Zeit. Er war, was man auch sonst von ihm halten mag, ein glänzender Soldat und gehörte als solcher derselben alten Tradition an wie Julius Cäsar, das heißt, er hatte als Krieger auf dem Schlachtfelde seine Fähigkeit erwiesen, Männer zu befehligen, und war also um so eher imstande, eine waffen- und wehrlose Bevölkerung zu beherrschen. An diese uralte Tradition hielt man sich weniger strikt im Falle jener Napoleon-Imitation, allgemein unter dem Namen Napoleon der Kleine oder der Dritte bekannt, dem militärische Gaben völlig fehlten. Aber schließlich war auch er kein einfacher Parvenü. Er war der Neffe seines großen Onkels – überdies war er zu Großem bestimmt durch den gezähmten Adler, der über seinem Haupte schwebte.

Am Vorabend des ersten Weltkriegs erschien denn auch die Karriere Napoleons III. nur noch als ein phantastisches Echo aus vergangenen Zeiten. Die Demokratie hatte sich fest etabliert - zumindest in Europa, in Nordamerika und in Australien; in Lateinamerika machte sie eher lehrreiche als ernsthafte Fortschritte. Sie hatte Eroberungen in Asien gemacht, sie erweckte die Völker Afrikas. Der konstitutionelle Mechanismus schien die einzige für die zivilisierte Menschheit akzeptable Methode, das einzige Regierungssystem zu sein. Und da die Zivilisation weiterhin wuchs und sich ausdehnte, schien die Zukunft der Demokratie gesichert.

Die Ereignisse in Russland am Ende des Krieges versetzten dieser historischen Konzeption den ersten Schlag. Nach acht Monaten der Stagnation und des demokratischen Chaos kam es zur Diktatur der Bolschewiki. Jedoch war das wohl im Grunde lediglich eine „Episode" der Revolution, die selbst bloß das Produkt des zurückgebliebenen Zustands zu sein schien, in dem sich Russland befand, eine Wiederholung der Konvulsionen, denen England in der Mitte des siebzehnten und Frankreich am Ende des achtzehnten Jahrhunderts ausgesetzt gewesen waren. Lenin erschien als ein moskowitischer Cromwell oder Robespierre. Jedenfalls war es möglich, das neue Phänomen zu klassifizieren - und darin lag ein Trost.

Dann kam die „Neurose des gesunden Menschenverstandes", wie Schmalhausen den Faschismus definiert, diese Herausforderung für jeden Historiker. Es war nicht leicht, eine geschichtliche Analogie für Mussolini und elf Jahre später für Hitler zu finden. Man beschränkte sich auf vage Anspielungen auf Cäsar und Siegfried – und AI Capone. In zivilisierten, demokratischen Ländern, die durch eine lange Schule des Vertretungssystems gegangen waren, kamen plötzlich mysteriöse Fremde an die Macht, deren Beschäftigung in der Jugend fast ebenso bescheiden gewesen war wie die der David und Josua. Mit Kriegslorbeeren konnten sie nicht prunken, neue Wahrheiten hatten sie der Welt nicht zu verkünden, der Schatten eines großen Ahnen im Dreispitz stand nicht hinter ihnen; Roms Löwin war nicht Mussolinis Großmutter und das Hakenkreuz nicht Hitlers Wappenzeichen, sondern nur ein den Ägyptern und Indern gemaustes Symbol. Die liberale Demokratie glaubte, sich dem Faschismus gegenüber behaupten zu können; wie Genies sahen ja Mussolini und Hitler schließlich nicht aus. Wie aber erklärte sich dann ihr schwindelerregender Erfolg?

Die beiden Führer des Faschismus sind Vertreter des Kleinbürgertums, das in der gegenwärtigen Epoche unfähig ist, originale Ideen oder eine schöpferische Führung zu erzeugen. Hitler und Mussolini haben praktisch alles und jeden plagiiert und imitiert. Mussolini stahl bei den Bolschewiki und bei Gabriele d'Annunzio und holte sich seine Inspirationen im Lager des big business. Hitler ahmte die Bolschewiki und Mussolini nach. So sind die Führer der Kleinbourgeoisie, die von den Magnaten des Kapitals abhängt, typische Persönlichkeiten zweiten Ranges – wie denn das Kleinbürgertum selbst von oben bis unten zweitrangig ist und in den Klassenkämpfen ausnahmslos eine zweitrangige Rolle spielt.

Eine Diktatur des Kleinbürgertums war am Ende des achtzehnten Jahrhunderts noch möglich. Selbst da konnte sie sich nicht lange halten. Robespierre stürzte nach kurzer Zeit in den Abgrund.

Die pathetische Leere Kerenskis war nicht ganz persönlichem Unvermögen geschuldet, auch ein so habiler und unternehmungslustiger Mensch wie Paltschinski stand hilflos da. Kerenski war nur der charakteristischste Vertreter dieser sozialen Ohnmacht.

Wenn sich die Bolschewiki nicht der Herrschaft bemächtigt hätten, hätte die Welt fünf Jahre vor dem Marsch auf Rom ein russisches Wort für Faschismus kennen gelernt. Warum Russland sich nicht von der Reaktion isolieren konnte, die während der zwanziger Jahre über das Nachkriegseuropa hinwegfegte, das ist ein Thema, das der Verfasser an anderer Stelle behandelt hat. Hier möge es genügen, darauf hinzuweisen, dass die Übereinstimmung der Daten zwischen der Bildung des ersten faschistischen Ministeriums durch Mussolini am 30. Oktober 1922 in Italien, dem Staatsstreich Primo de Riveras am 13. September 1923 in Spanien und der Verurteilung der „Erklärung" der 46 Bolschewiki durch die Vollsitzung des Zentralkomitees und der Zentralen Kontrollkommission am 15. Oktober 1923 keine zufällige ist. (Solche Zeichen der Zeit verdienen ernste Beachtung.)

Immerhin bewies Mussolini im Rahmen der historischen Möglichkeiten große Initiative, Geschicklichkeit im Bluff, Hartnäckigkeit und Einsicht. Er blieb innerhalb der Tradition der langen Reihe italienischer Improvisatoren. Improvisationsgabe gehört zum Charakter der italienischen Nation. Geschmeidig und außergewöhnlich ehrgeizig, brach er in seiner Erfolgssucht mit seiner sozialistischen Karriere. Seine Wut gegen die Partei wurde für ihn zur Haupttriebkraft. Er schuf und zerstörte theoretische Konstruktionen. Er ist die echte Personifizierung des zynischen Egoismus und der sich hinter Großmäuligkeit versteckenden Feigheit. Was einem bei Hitler zuerst auffällt, sind seine fixen Ideen und sein Messianismus. Verletzte Eitelkeit spielte eine bedeutende Rolle in seiner Entwicklung. Er war ein deklassierter Kleinbürger, der sich weigerte, Arbeiter zu sein. Der normale Arbeiter akzeptiert seine Stellung als normal. Hitler war ein prätentiöser Entgleister mit psychischen Störungen. Er erhob sich, indem er auf Juden und Sozialdemokraten verächtlich hinab sah. Sozialer Aufstieg um jeden Preis, das war sein verzweifelter Entschluss. Im Laufe seiner Karriere fabrizierte er für sich selbst eine „Theorie" voller Widersprüche und Vorbehalte - eine Mischung aus deutschen imperialen Wünschen und den gehässigen Tagträumen eines deklassierten Kleinbürgers. Versuchen wir, eine historische Parallele für Stalin zu finden, müssen wir nicht nur Cromwell, Robespierre, Napoleon und Lenin zurückweisen, sondern auch Mussolini und Hitler. Wir kommen dem Verständnis Stalins näher, wenn wir Mustafa Kemal Pascha oder vielleicht Porfirio Diaz zum Vergleich heranziehen.

Als ich mich auf einer der Sitzungen des Zentralkomitees erhob, um eine Erklärung der Linksopposition zu verlesen, wurde ich ständig durch Schreien, Pfeifen, Drohungen und Beleidigungen unterbrochen – genau so wie zehn Jahre früher, als ich die Tribüne bestieg, um auf der Eröffnungssitzung des Kerenskischen Vorparlaments die Erklärung der Bolschewiki zu verlesen. Ich erinnere mich noch daran, dass Woroschilow rief: „Er führt sich auf wie im Vorparlament!" Der Schreier selbst ahnte nicht, wie Recht er hatte.

Im Jahre 1927 wurden die offiziellen Sitzungen des Zentralkomitees zu widerlichen Schaustellungen. Keine Frage wurde um ihrer selbst willen diskutiert. Alles war im Vorhinein hinter den Kulissen auf Privatsitzungen mit Stalin geregelt, der damals seinen politischen Kuhhandel mit der Rechten abschloss, mit Rykow, Bucharin und Tomski. In Wirklichkeit fanden jedes Mal mindestens zwei Sitzungen des Zentralkomitees statt. Die Angriffslinie gegen die Opposition wurde vorher festgelegt, die Reden wurden besprochen und die Rollen verteilt. War die Komödie im Gange, so ging sie immer mehr in die obszöne Posse über. Die unverschämtesten Mitglieder des Zentralkomitees, die erst kürzlich ausschließlich als Dank für die Schamlosigkeit, die sie der Opposition gegenüber bewiesen hatten, ins Zentralkomitee aufgenommen worden waren, unterbrachen andauernd die Reden von Veteranen der Revolution mit stupiden Wiederholungen sinnloser Anschuldigungen und mit Zwischenrufen von unerhörtester Rohheit und Vulgarität. Der Regisseur war Stalin. Er ging auf der Präsidententribüne auf und ab, fixierte von Zeit zu Zeit diejenigen, die eine Rede zu halten hatten, und machte aus seiner Zustimmung kein Hehl, wenn ein Oppositioneller in besonders schamloser Weise beleidigt worden war. Es war schwer, sich vorzustellen, dass man sich auf einer Sitzung des Zentralkomitees der bolschewistischen Partei befand, so gemein war der Ton, so vulgär die Teilnehmer und so widerwärtig der eigentliche Drahtzieher dieser entfesselten Bande. Auf diese Weise wurden im Zentralkomitee der Partei die Umgangsformen der Tifliser Rowdys eingeführt. Bei einer solchen Gelegenheit erinnerte sich jemand daran, wie Philipp Macharadse, einer der alten Mitarbeiter Stalins, diesen einmal charakterisiert hatte: „Er ist einfach ein ,Kinto'!"1

Ein anderer alter Kampfkamerad Stalins im Kaukasus, Budu Mdiwani, schilderte mir damals eine Unterredung, die er mit Stalin im Kreml gehabt hatte. Mdiwani hatte sich bemüht, Stalin davon zu überzeugen, dass es nötig sei, zu irgendeinem Übereinkommen mit der Opposition zu gelangen, da sonst die Partei von einer Krise in die andere taumeln würde. Stalin hörte schweigend, aber ungeduldig und mit sichtbarem Unbehagen zu, indem er im Zimmer auf und ab ging, wandte sich dann, nachdem er bis in die äußerste Ecke gegangen war, um, ging auf Mdiwani zu und machte brüsk vor ihm Halt, wobei er sich, alle Muskeln gespannt, auf die Fußspitzen stellte und einen Arm in die Luft reckte. „Sie müssen vernichtet werden!", schrie er mit schrecklicher Stimme. Er habe, sagte Mdiwani, wahrhaft zum Fürchten ausgesehen.

Persönliche physische Grausamkeit, das, was man Sadismus nennt, ist zweifellos für Stalin kennzeichnend. Während seines Aufenthaltes im Bakuer Gefängnis sprach einer seiner Zellennachbarn eines Tages von der Revolution. „Ist Blut deine Leidenschaft?", fragte Stalin ihn unerwarteterweise, zog ein Messer hervor, das er im Schaft seines Stiefels versteckt hatte, streifte ein Hosenbein hoch und ritzte sich tief ins Fleisch: „Da hast du Blut!" Als er sowjetischer Würdenträger geworden war, vergnügte er sich in seinem Landhaus damit, Schafe zu schlachten und Ameisenhügel mit Petroleum zu übergießen und in Brand zu stecken. Zahlreiche ähnliche Vorfälle werden von vertrauenswürdigen Leuten berichtet. Individuen mit solchen Anlagen sind ziemlich selten. Dafür, dass diese dumpfen Instinkte der menschlichen Natur sich so monströs entwickeln konnten, bedurfte es besonderer historischer Umstände.


All seine Ressentiments, all die Wunden, die seiner Eigenliebe geschlagen worden waren, seinen Neid und seine Verbitterung übertrug er vom provinzlerischen Kleinmaßstab auf den großen des ganzen Landes. Nichts vergisst er. Sein Gedächtnis besteht vor allem aus Verachtung. Er stellte sich seinen Fünfjahresplan der Rache auf, und sogar seinen Zehnjahresplan.


Die Chewsuren – die Sitte der Blutrache. Wenn sich der Chewsure rächen will, wirft er eine tote Katze auf das Grab seines Feindes.

,Auf das Grab des Toten', würde Stalin sagen, ,werft eine tote Katze!'", meint Sinaida Ordschonikidse.


Sein Bündnis mit Hitler befriedigte seinen Rachedurst. Vor allem wollte er die Regierungen Englands und Frankreichs beleidigen, die Beleidigungen rächen, denen der Kreml ausgesetzt war, bevor Chamberlain darauf verzichtete, Hitler zufrieden zu stellen. Es machte ihm ein persönliches Vergnügen, heimlich mit den Nazis zu verhandeln, während er öffentlich mit den befreundeten Botschaftern Englands und Frankreichs zu unterhandeln schien; es machte ihm Vergnügen, London und Paris zu täuschen und dann plötzlich mit der Überraschung eines Paktes mit Hitler aufzuwarten. Er ist tragisch kleinlich.


Wenn es möglich wäre, den allmächtigen und glaubenslosen Mystizismus zu verbannen, den schrillen Hass gegen Sozialismus und Revolution – wenn sozusagen das Gedicht säkularisiert werden könnte – das Gedicht vom „Großinquisitor" – das Gedicht von der Tragödie des Epigonen -. Die Idee der Degeneration – in anderem Maßstab; das XV. Jahrhundert –. Die letzten Verse des Dostojewskischen Gedichtes zeigen Christus, wie er den Inquisitor schweigend auf die Lippen küsst. Der Abschied eines der bürokratischen Epigonen der Christenheit. Bei all seiner Reserve, Lenin hätte ihm ins Gesicht gespuckt.


Der alte Soltz. Die Engstirnigkeit des Philisters.


Moros. Das Gewissen der Partei, aber ohne Gewissen.


Schkirjatow. Ein leicht betrunkener Arbeiter, ausgehöhlt, resigniert. Klein-Schkirjatow würde zu Lenin sagen: „Geh, langweile uns nicht, sonst verbrennen wir dich!"


Alexander und Wladimir. Die Blüte der russischen Intelligenz. In Alexander hat die Intelligenz mit ihrer tragischen Vergangenheit Schluss gemacht, in Wladimir hat sie eine Brücke zur Zukunft geschlagen.


Man kann sagen, dass alle Männer von Genie, deren Namen die Geschichte bewahrt, alle schöpferischen Menschen, alle Erneuerer, das Wesentliche dessen, was sie zu sagen hatten, in den ersten fünfundzwanzig oder dreißig Jahren ihres Lebens sagten. Später entwickelten sie, vertieften sie, wandten sie an. In der ersten Periode von Stalins Leben hören wir nur die vulgarisierte Wiederholung fertiger Formeln.

Stalin erklomm den Stand des Genies erst, nachdem die von ihrem Generalsekretär angeführte Bürokratie alle Gefährten Lenins umgebracht hatte.


Nach Nikolajewski sagte Bucharin von Stalin, er sei „ein Verteiler von Genie". Der Ausdruck ist gut, obwohl auch hier „Genie" zu viel ist. Ich hörte das zum ersten Mal von Kamenew. Er wollte damit Stalins besondere Fähigkeit bezeichnen, seine Pläne Schritt für Schritt zu realisieren, auf Raten. Diese Möglichkeit setzt ihrerseits das Vorhandensein eines hoch zentralisierten politischen Apparats voraus. Die Aufgabe besteht darin, sich nach und nach in der Maschine einzunisten, dann in der öffentlichen Meinung des Landes. Den Prozess beschleunigen und die durchzuführende Änderung mit einem Schlage vornehmen, hieße Unwillen und Widerstand erwecken.


Von den zwölf Aposteln Christi war nur Judas ein Verräter. Hätte dieser aber die Macht übernommen, so würde er die elf andern zu Verrätern erklärt haben und ebenso die übrigen Apostel, deren es nach Lukas siebzig gab.


Am 19. November 1924 erklärte Stalin in seiner Rede vor der bolschewistischen Gewerkschaftsfraktion: „Nachdem man den Genossen Trotzki gehört hat, könnte man glauben, dass die Partei der Bolschewiki während der ganzen Vorbereitungsperiode von März bis Oktober nichts anderes getan hätte, als auf der Stelle zu treten, dass sie von inneren Gegensätzen zerfressen war und dass sie Lenins Aktion in jeder Hinsicht hemmte. Und wenn da nicht ein Genosse Trotzki gewesen wäre, dann hätte die Oktoberrevolution einen ganz anderen Verlauf genommen. Es ist ziemlich amüsant, solche Sachen vom Genossen Trotzki zu hören, der in dem Vorwort des dritten Bandes seines Werkes sagt: ,Das Hauptwerkzeug der proletarischen Revolution ist die Partei.'"

Natürlich hatte ich nichts von einer Unfähigkeit oder Unwürdigkeit der Partei und besonders nicht des Zentralkomitees gesagt. Ich hatte nur von den inneren Reibungen gesprochen. Was aber wirklich ein Geheimnis bleibt, ist, wie eine Partei, von deren Zentralkomiteemitgliedern zwei Drittel Volksfeinde und Agenten des Imperialismus waren, die Revolution zum Siege führen konnte. Über dies Mysterium hat man uns noch nicht aufgeklärt. Von 1918 ab hatten die „Verräter" die überwiegende Mehrheit im Politbüro und im Zentralkomitee. Mit anderen Worten, die Politik der bolschewistischen Partei wurde in den kritischen Revolutionsjahren ausschließlich von Verrätern bestimmt. Unnütz zu sagen, dass Stalin im Jahre 1924 nicht voraussehen konnte, dass ihn die innere Logik seiner Methode zu einer so ungeheuerlichen Absurdität führen würde. Typisch für Stalin ist seine Fähigkeit, jede Spur der Vergangenheit auszulöschen - alles, ausgenommen persönliche Verstimmungen und seinen unersättlichen Rachedurst.

Ist es möglich, Schlussfolgerungen zu ziehen aus dem Jahre 1924, auf der Basis der Jahre 1936-38, einer Zeit also, zu der es Stalin schon gelungen war, alle Eigenschaften eines Tyrannen zu entwickeln? 1924 tat er noch nichts als für die Macht kämpfen. War er damals schon eines solchen Komplotts fähig? Seine ganze Biographie zwingt uns, hierauf bejahend zu antworten. Schon in der Zeit des Tifliser Seminars ließ er einen Rattenschwanz schwerster Verdächtigungen und Beschuldigungen hinter sich. Tinte und Papier sind für ihn zu unbedeutende Mittel in der Politik. Nur die Toten wachen nicht wieder auf. Nachdem Sinowjew und Kamenew 1925 mit Stalin gebrochen hatten, hinterlegten sie an einem sicheren Ort Briefe, in denen sie schrieben: „Sollten wir plötzlich sterben, so wisst, dass das Stalins Werk ist."

Sie rieten mir, das gleiche zu tun. „Sie bilden sich ein", sagte Kamenew eines Tages zu mir, „dass Stalin sich damit beschäftigt, Antworten auf ihre Argumente zu suchen; dem ist nicht so; er denkt nur daran, ein Mittel zu finden, Sie straflos zu liquidieren." „Entsinnen Sie sich", fuhr Kamenew fort, „der Verhaftung Sultan-Galijews, des ehemaligen Vorsitzenden des tatarischen Rates der Volkskommissare? Das war die erste Verhaftung eines hervorragenden Parteimitglieds, die auf Stalins Veranlassung vorgenommen wurde. Unglücklicherweise gaben Sinowjew und ich unsere Zustimmung. Da schmeckte Stalin zum ersten Mal Blut. Sobald wir mit ihm gebrochen hatten, machten wir so etwas wie ein Testament, worin wir darauf hinwiesen, dass im Falle unseres ,zufälligen' Todes Stalin dafür verantwortlich gemacht werden müsste. Bei diesem Asiaten müssen Sie auf alles gefasst sein!"

Sinowjew fügte hinzu: „Mit Ihnen hätte er schon 1924 Schluss gemacht, wenn er nicht Vergeltungsmaßnahmen gefürchtet hätte, terroristische Akte von sehen der Jugend. Deshalb beschloss er, damit zu beginnen, die Kader der Opposition zu dezimieren und mit Ihrer Ermordung bis zu dem Augenblick zu warten, wo er sicher wäre, sie straflos durchführen zu können. Der Hass, mit dem er uns verfolgt, besonders Kamenew, kommt vor allem daher, dass wir zu viel wissen. Er ist aber noch nicht so weit, uns verschwinden lassen zu können." Es handelt sich hier nicht um bloße Vermutungen. In den Honigmonden des Triumvirats drückten sich dessen Mitglieder untereinander sehr frei aus.


Die ununterbrochenen Erfolge Stalins begannen 1923, als er nach und nach zu der Überzeugung kam, dass man den historischen Prozess nasführen könne. Die „Moskauer Prozesse" sind der Kulminationspunkt dieser Politik aus Lüge und Gewalt. Gleichzeitig begann er voller Beunruhigung zu fühlen, dass ihm der Boden unter den Füßen wegglitt. Jedes neue Täuschungsmanöver machte, um es zu untermauern, ein doppeltes Täuschungsmanöver nötig, jeder Gewaltakt erweiterte den Aktionsradius notwendiger Gewalt.

Stalins List ist im Wesentlichen simpel und für primitive Geister bestimmt. Untersucht man beispielsweise die „Moskauer Prozesse" in ihrer Gesamtheit, so ist man frappiert von ihrer Grobschlächtigkeit in Konzeption und Ausführung.

Im April 1925 wurde ich meines Postens als Kriegskommissar enthoben. Mein Nachfolger, Frunse, war ein alter Revolutionär, der viele Jahre als Zwangsarbeiter in Sibirien zugebracht hatte. Es war ihm nicht bestimmt, den Posten lange Zeit inne zu haben - nur sieben Monate. Im November 1925 starb er unter dem Skalpell eines Chirurgen. In den voraufgegangenen Monaten hatte er allzu viel Unabhängigkeit in der Verteidigung der Armee gegen die Überwachung durch die GPU gezeigt, welches eben das Verbrechen war, wofür Tuchatschewski zwölf Jahre später füsiliert wurde. Bajanow hat angegeben, Frunse hätte eine Militärverschwörung geleitet; das ist hanebüchener Unsinn. In dem Konflikt Sinowjews und Kamenews mit Stalin war Frunse gegen Stalin. Die Opposition des neuen Kriegskommissars war voller gewaltiger Risiken für den Diktator. Woroschilow, ein beschränkter Kopf und gefügig, schien ihm ein weitaus sichereres Werkzeug. Gerüchte kamen auf in der Partei, dass Stalin Frunses Verschwinden wünsche: daher der schnelle Tod.

Nach den verfügbaren Daten zu urteilen, stellen sich die Dinge folgendermaßen dar: Frunse litt an Magengeschwüren.

Da seine privaten Ärzte aber davon überzeugt waren, dass sein Herz die: Wirkungen des Chloroforms nicht vertragen würde, war Frunse entschieden gegen eine Operation. Stalin beauftragte daraufhin einen Arzt des Zentralkomitees, das heißt einen seiner Leute, die Ärzte zu einer Konsultation zu versammeln; die Ärzte befürworteten natürlich einen chirurgischen Eingriff; das Politbüro bestätigte diesen Beschluss. Frunse musste sich unterwerfen, das heißt, in der Narkose sterben.

Die Umstände seines Todes fanden ein Echo in der Literatur (in Boris Pilnjaks „Geschichte des nicht untergegangenen Monds")*. Stalin befahl die sofortige Beschlagnahme der Dichtung, deren Verfasser damals in Ungnade fiel. Pilnjak musste später öffentlich seinen „Irrtum" bekennen. Außerdem hielt es Stalin für angebracht, Dokumente zu veröffentlichen, die indirekt seine Unschuld beweisen sollten. Es ist schwer zu sagen, was sich wirklich zutrug, aber die Tatsache des Verdachts ist bezeichnend. Sie zeigt, dass Stalins Macht Ende 1925 schon so groß war, dass er auf eine Gruppe gefügiger Mediziner zählen konnte, die über Chloroform und Skalpell verfügten. Und doch kannte damals kaum ein Russe von hundert seinen Namen.


Gelegentlich meiner Ausweisung in die Türkei im Februar 1929 schrieb Bajanow: „Das ist nur eine halbe Maßnahme. Ich kenne Stalin nicht wieder … Wir haben einen gewissen Fortschritt gemacht seit den Tagen Cäsar Borgias. Damals schüttete man geschickt ein wirksames Pulver in einen Becher Falerner, oder der Feind starb, nachdem er in einen Apfel gebissen hatte. Die gegenwärtigen Methoden sind von ganz anderen wissenschaftlichen Errungenschaften eingegeben. Kochsche Bazillen, mit dem Essen vermischt und systematisch verabfolgt, rufen allmählich eine galoppierende Schwindsucht und den plötzlichen Tod hervor … Ich sehe nicht klar … warum Stalin diese Methode nicht befolgt hat, die so sehr seinen Gewohnheiten und seinem Charakter entspricht."

Als Bajanows Buch 1930 erschien, hielt ich es für bloße Literatur. Nach den „Moskauer Prozessen" nahm ich es ernster. Wer hat dem jungen Manne derartige Spekulationen eingeflößt? Wo ist die Quelle für das alles zu suchen? Bajanow ist im Vorzimmer Stalins herangebildet worden, wo die Fragen der Kochschen Bazillen und der Vergiftungsmethoden der Borgias natürlich schon vor 1926 diskutiert wurden, dem Jahr, in welchem Bajanow Stalins Sekretariat verließ. Zwei Jahre danach ging er ins Ausland und wurde später ein reaktionärer Emigrant.


Als Jeschow GPU-Chef wurde, änderte er die Giftmischermethoden, als deren Schöpfer gerechterweise Jagoda anerkannt werden muss. Aber er erzielte gleiche Resultate. In dem Prozess vom Februar (2.-13. März) 1938, wurde Jagodas Sekretär Bulanow unter anderem beschuldigt, ein Giftmischer zu sein, und er wurde deswegen erschossen. Dass Bulanow das Vertrauen Stalins genoss, wird durch die Tatsache bewiesen, dass er mit der Mission betraut wurde, uns, meine Frau und mich, von unserem Exil in Mittelasien nach unserem Exil in der Türkei zu eskortieren. Ich versuchte, meine beiden ehemaligen Sekretäre Sermoux und Posnansky zu retten und verlangte, dass sie mit mir zusammen deportiert würden. Da er zweifellos einen unangenehmen Auftritt an der türkischen Grenze befürchtete und unsere Deportation ohne Skandal durchführen wollte, setzte sich Bulanow telegrafisch mit Moskau in Verbindung. Eine halbe Stunde später überbrachte er mir das Originaltelegramm, damit ich selbst lesen könne, dass der Kreml Sermoux und Posnansky zu erlauben versprach, mir zu folgen. Ich konnte das nicht glauben.

Sie täuschen mich, dessen bin ich sicher", sagte ich zu Bulanow.

Dann können Sie mich einen Schurken nennen."

Ein magerer Trost!" erwiderte ich.


Der Sekretär Maxim Gorkis, Krjutschkow, sagte aus, dass ihm Jagoda gesagt Labe: „Es ist nötig, Gorkis Tätigkeit zu hemmen, weil sie sich gegen die ,großen Führer' wendet." Diese Anspielung auf die „großen Führer" wurde mehrmals wiederholt. Vor dem Tribunal wurde sie so ausgelegt, als handle es sich um Rykow, Bucharin, Kamenew und Sinowjew. Doch ist das eine offensichtliche Ungereimtheit, denn diese Männer wurden zu jener Zeit selbst von der GPU verfolgt. „Große Führer", das war das Pseudonym der Herren des Kreml und vor allem Stalins selbst.

Vergessen wir nicht, dass Gorki gerade am Vorabend des Prozesses gegen Sinowjew starb.


Stalin hatte die Konsequenzen des ersten Prozesses nicht vorausgesehen. Er hoffte, dass sich die Angelegenheit auf die Vertilgung einiger seiner verhasstesten Feinde beschränken würde - vor allem Sinowjews und Kamenews, an deren Beseitigung er seit zehn Jahren arbeitete. Er hatte aber schlecht gerechnet: die Bürokratie war erschrocken und erschüttert. Zum ersten Mal sah sie in Stalin nicht den Ersten unter Gleichen, sondern einen asiatischen Despoten, einen Tyrannen – Dschingis Khan, wie Bucharin eines Tages sagte. Stalin begann, für seine Sonderstellung als höchste Autorität bei den Alten der Sowjetbürokratie zu fürchten. Er konnte die Erinnerungen, die sie an ihn hatten, nicht auslöschen, konnte sie nicht der Hypnose von seiner Ober-Schiedsrichter-Rolle unterwerfen, die er sich selbst gegeben hatte. Furcht und Schrecken wuchsen parallel zur Anzahl der bedrohten Köpfe und der bedrohten Interessen. Niemand unter den Alten konnte der Anklage glauben. Die erzielte Wirkung war nicht die, die er erhofft hatte. Er war gezwungen, über seine ursprünglichen Absichten hinauszugehen.


Während der Vorbereitungen zu den Massensäuberungen von 1936 legte Stalin das Projekt einer neuen Verfassung vor, „der demokratischsten Verfassung der Welt". Die Duranty und Louis Fischer sangen laut das Lob der neuen demokratischen Ära. Der Zweck dieses schändlichen Reklamerummels für die Stalinsche Verfassung war, die Geneigtheit der demokratischen öffentlichen Meinung in der Welt zu gewinnen, um dann von dieser vorteilhaften Grundlage aus jeden Opponenten gegen Stalin als faschistischen Agenten niederknüppeln zu können. Charakteristisch ist, dass sich Stalin in seiner geistigen Kurzsichtigkeit mehr mit persönlicher Rache befasste, als damit, die Drohung unwirksam zu machen, die der Faschismus für die Sowjetunion und die Weltarbeiterschaft darstellte. Während er die „demokratischste Verfassung der Welt" vorbereitete, beschäftigte sich die Bürokratie mit der Veranstaltung von Banketten, auf denen endlos über das „neue und glückliche Leben" gesprochen wurde. Auf diesen Banketten wurde Stalin inmitten von Arbeitern und Arbeiterinnen fotografiert, ein Kind auf den Knien. Sein krankes Ego bedurfte dieses Balsams. „Es ist klar", bemerkte ich damals, „dass etwas Fürchterliches in Vorbereitung ist." Andere, die den Mechanismus des Kreml gut kannten, waren ebenso beunruhigt wie ich über diese plötzliche Freundlichkeit und Gemütlichkeit bei Stalin.


Ein gewisser Typus Moskauer Korrespondenten schreibt immer wieder, dass die Sowjetunion nach den Säuberungen monolithischer sei denn je. Diese Herrschaften sangen das Lob des Stalinschen Monolithismus schon vor den Säuberungen. Nichtsdestoweniger ist es schwer verständlich, wieso jemand, der sich im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befindet, glauben kann, es hätte erwiesen werden können, dass die bedeutendsten Vertreter der Regierung und der Partei, des diplomatischen .Korps und der Armee, Agenten des Auslands gewesen wären, ohne darin die Vorzeichen einer tiefgehenden Unzufriedenheit mit dem Regime zu erblicken. Die Säuberungen waren die Anzeichen schwerer Krankheit. Die Beseitigung der Symptome kann nicht als Krankheitsbehandlung angesehen werden. Ein Präzedenzfall unter dem autokratischen Regime der zaristischen Regierung ist die während des Krieges erfolgte Verhaftung des Kriegsministers Suchomlinow unter der Anklage des Hochverrats. Die alliierten Diplomaten bemerkten damals Sasonow gegenüber: „Ihre Regierung ist stark, wenn sie es wagt, ihren eigenen Kriegsminister in Kriegszeiten zu verhaften." In Wirklichkeit stand diese starke Regierung vor dem Zusammenbruch. Die Sowjetregierung hat nicht nur ihren Kriegsminister Tuchatschewski verhaftet und hingerichtet, sondern noch viel mehr getan: sie bat den ganzen Generalstab der Armee, der Marine und der Luftwaffe ausgerottet. Von dienstfertigen ausländischen Korrespondenten unterstützt, hat die Stalinsche Propaganda die öffentliche Meinung der ganzen Welt systematisch über die wirkliche Situation in der Sowjetunion täuschen können.


Mit seinen Monsterprozessen hat Stalin mehr bewiesen als er wollte, oder, genauer gesagt, es ist ihm misslungen zu beweisen, was er beweisen wollte. Es gelang ihm nur, sein Geheimlaboratorium bekannt zu machen; er zwang hundertfünfzig Menschen, Verbrechen zu bekennen, die sie nicht begangen hatten. Aber diese Geständnisse in ihrer Gesamtheit wurden zum eigenen Schuldgeständnis Stalins.


In einem Zeitraum von zwei Jahren hat Stalin alle Stellvertreter und Bundesgenossen Woroschilows hinrichten lassen, seine nächsten Mitarbeiter, seine Vertrauensleute. Wie ist das zu verstehen? Ist es möglich, dass Woroschilow angefangen hätte, in seiner Haltung Stalin gegenüber eine gewisse Unabhängigkeit zu zeigen? Wahrscheinlicher ist, dass Woroschilow von ihm nahe stehenden Leuten vorgeschoben wurde. Der Militärapparat stellt große Anforderungen und ist gefräßig, er erträgt die Beschränkungen nicht leicht, die ihm die Politiker, Zivilisten, auferlegen wollen. Da er die Möglichkeit zukünftiger Konflikte mit diesem mächtigen Apparat voraussah, beschloss Stalin, Woroschilow zuvorzukommen, bevor dieser sich seiner Kontrolle entziehen könnte. Mit Hilfe der GPU, das heißt durch Jeschow, ließ Stalin die Beseitigung der nächsten Mitarbeiter Woroschilows hinter dessen Rücken vorbereiten, und zwar ohne dass dieser etwas ahnte. Als die Vorbereitungen abgeschlossen waren“ stellte er ihn vor die Wahl. Durch Stalins Furcht und Stalins Hinterlist in die Falle gelockt“ wirkte Woroschilow schweigend an der Vernichtung der Elite des Kommandostabs mit. Von da an war er ohnmächtig und unfähig, sich jemals gegen Stalin zu erheben.


Stalin versteht meisterhaft die Kunst, sich eines Mannes zu versichern, nicht, indem er seine Bewunderung erwirbt, sondern indem er ihn zwingt, sein Komplice in schändlichen und unverzeihlichen Verbrechen zu werden. Das sind die Steine der Pyramide, deren Spitze Stalin ist.

Der Staat bin ich" ist fast eine liberale Formulierung im Vergleich mit der Wirklichkeit des totalitären Regimes Stalins. Ludwig der Vierzehnte identifizierte sich nur mit dem Staat. Die Päpste von Rom identifizierten sich sowohl mit dem Staat als auch mit der Kirche – aber nur in den Zeiten der weltlichen Macht. Der totalitäre Staat geht weit über den Cäsaro-Papismus hinaus, da er die ganze Wirtschaft des Landes umfasst. Zum Unterschied vom Sonnenkönig könnte Stalin mit gutem Rechte sagen: „Die Gesellschaft bin ich!"

1 „Kintos" heißen die Angehörigen der Tifliser Unterwelt; siehe das 1. Kap. (Anm. d. Übers.)

* Souvarine fasst Pilnjaks Schilderung folgendermaßen zusammen: „In der Moskauer literarischen Zeitschrift ‚Krasnaja Nov.' hat der sowjetische Schriftsteller B. Pilnjak unter dem geheimnisvollen Titel .Geschichte des nicht untergegangenen Monds' und mit dem klareren Untertitel ,Die Ermordung des Kommandeurs' einen vieldeutigen Bericht veröffentlicht, in dem die Anspielungen auf Stalin recht präzise sind. Er schildert dort zwei Hauptpersonen, einen hohen Militär, der an einem Geschwür leidet und der Heilung entgegengeht, und einen allmächtigen Politiker, Mitglied einer ,Troika', die das Land regiert. Der letztere hat insgeheim die Operation befohlen, deren der erstere keineswegs bedarf und die keiner der herbeigerufenen großen Ärzte für nötig hält. Ein dunkles Vorgefühl warnte den Kommandeur, er wagt aber nicht, dem Befehl seines politischen Vorgesetzten entgegenzuhandeln und stirbt unter der Cloroformmaske." („Staline", Seite 371.)

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